Sie folgt dem Postulat von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der schon vor drei Wochen gefordert hatte: "Wir wollen, dass möglichst kein Unternehmen in Deutschland nur aufgrund der Corona-Epidemie in die Insolvenz gehen muss." Doch wenn das Geld vom Staat am Ende nicht reicht und sich ein Unternehmen doch unter den Schutz des Insolvenzrechts flüchten muss, können die KfW-Darlehen zu einem Bumerang werden. "Die Verlockung ist groß, vom Honigtopf zu naschen", warnt Insolvenzverwalter Lucas Flöther. "Aber ich muss sicher sein, dass ich das Darlehen auch zurückzahlen kann."

Denn ohne Sicherheiten gibt es keine KfW-Kredite, weil auch die Hausbank am Risiko beteiligt wird. Und wer ohnedies schon angeschlagen ist, muss im Zweifel das komplette Betriebsvermögen dafür anbieten. "Indem ich mein letztes Hemd hergebe, beraube ich mich aller Handlungsoptionen", sagt Flöther. Dann habe der Unternehmer den Gläubigern in einem Schutzschirmverfahren nichts mehr anzubieten, womit sich die Insolvenz abwenden lasse. Damit drohe die Zerschlagung - ohne Chance auf eine Sanierung.

"Über die KfW-Hilfen lässt sich nur Fremdkapital beschaffen. Aber das löst nicht das Problem - vor allem, wenn man vorher schon hoch verschuldet war", sagte Michael Baur, Europachef der Münchner Unternehmensberatung Alix Partners und Vorsitzender der Sanierer-Vereinigung TMA. "Man kauft sich damit nur mehr Zeit." Doch viele Unternehmenslenker hätten zwar Zeit nachzudenken, aber keine Erfahrung mit Krisen - seit zehn Jahren gab es für sie nur Wachstum zu managen. "Viele Unternehmen befinden sich nach wie vor in einer Schockstarre", sagt Unternehmensberater Baur. "Doch Abwarten ist keine Option."

"EINE REINE BERUHIGUNGSPILLE"


Die Bundesregierung will verhindern, dass aus dem Schock Panik wird und Manager in Scharen zum Insolvenzrichter laufen - aus Angst, sonst für die finanziellen Folgen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Deshalb hat sie die Drei-Wochen-Frist für einen Insolvenzantrag für Coronavirus-Opfer bis Ende September ausgesetzt. Dass die Krise der Grund der Schieflage ist, wird immer dann angenommen, wenn das Unternehmen im Dezember noch gesund war. "Das ist eine reine Beruhigungspille", findet Flöther. "Der Aufschlag ist nachher umso härter." Frühzeitig ein Schutzschirmverfahren zu beantragen, könne der bessere Weg sein. Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof ist diesen Weg angesichts rapide leerer werdender Kassen und geschlossener Türen schon gegangen.

Dass die Zahl der Schieflagen von Unternehmen infolge der Krise steigen wird, daran haben Experten keinen Zweifel. Doch davor stehen einige Monate trügerischer Sicherheit. Noch haben Maschinen- und Anlagenbauer alle Hände voll zu tun, indem sie die Aufträge der vergangenen Monate abarbeiten. Aber irgendwann im Sommer fehlen die Orders, die während des Corona-Stillstands nicht mehr hereinkommen.

Bei anderen, etwa in der Gastronomie, im Handel oder im Tourismus geht es schneller abwärts. Wenn der Umsatz komplett wegbreche, "bringt das die Firmen natürlich sehr viel schneller an den Rand des Abgrunds", sagt Dirk Markus, Vorstandschef des auf Sondersituationen spezialisierten Finanzinvestors Aurelius. "Bei Handelsfirmen sind oft zwei Drittel der Kosten Fixkosten, und bei den üblichen Margen ist in vier bis fünf Wochen der gesamte Vorjahresgewinn weg."

"Für einige Unternehmen wird es schwer werden", sagt die auf Restrukturierung spezialisierte Linklaters-Rechtsanwältin Sabine Vorwerk. "Ein klareres Bild hierzu werden wir wahrscheinlich ab Spätsommer haben." Auch Milbank-Anwalt Mathias Eisen erwartet eine spürbare Zunahme der Firmenpleiten erst in vier bis sechs Monaten. "Innerhalb dieses Zeitraums dürfte absehbar werden, wie stark der Umsatzeinbruch der einzelnen Firmen tatsächlich ist - und wie die Perspektiven im Einzelnen aussehen."

DIE KRISE ALS CHANCE


Das liegt dann oft nicht nur in der eigenen Hand - etwa bei Autozulieferern. Bevor die Autohersteller die Produktion wieder anlaufen lassen, müssen sie prüfen, ob ihre Lieferketten noch funktionieren. "Dabei werden sie auch darüber nachdenken, wie viele Lieferanten sie für ein bestimmtes Teil brauchen", sagt Alix-Berater Baur. Je wichtiger und größer ein Lieferant ist, desto größer ist die Chance, dass VW, Daimler oder BMW bereit sind, mehr oder schneller zu bezahlen - oder sogar mit Kapital aushelfen. Nicht alle Lieferanten könnten gerettet werden - womöglich nur einzelne, glaubt Baur. Für die Stärksten könne die Krise damit zur Chance werden. "Wer die Krise aktiv nutzt, kann in kurzer Zeit mehr Wert schaffen als in fünf Jahren vorher. Aber zu solchen strategischen Entscheidungen braucht man Mut."

rtr