Das Geschäftsmodell der Koblenzer, deren Unternehmensname sich nach einem der frühen Produkte aus den 30er-Jahren ableitet - einem Stabilisator zur Verbesserung der Straßenlage von Automobilen -, ist auf den ersten Blick dröge: Stabilus ist nach eigenem Bekunden der führende Hersteller von Gasfedern und Dämpfern. Eingesetzt werden diese Teile vor allem in der Automobilindustrie. Dieser Sektor steuert mehr als zwei Drittel des Gesamtumsatzes bei. Ein Viertel stammt aus dem Geschäft mit Kunden aus anderen Branchen. Ganz klein ist die Sparte, die auf Produkte für Drehstühle spezialisiert ist. Für Börsianer am spannendsten ist ein Teilbereich der Autosparte: Stabilus stellt elektromechanische Antriebe für Heckklappen her. Der Umsatz mit diesen "Powerise"-Produkten war im ersten Halbjahr für rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes verantwortlich, wächst aber enorm stark. Das Unternehmen profitiert dabei von einem langfristigen Trend: dem Wunsch der Menschen nach mehr Komfort. Mit Powerise-Produkten lassen sich die Heckklappen von Autos automatisch öffnen und schließen. Dieser kleine Luxus wird bei immer mehr Automodellen Standard. Mit zunehmender Größe kann das Unternehmen billiger produzieren und sich besser gegen Konkurrenten verteidigen.
BÖRSE ONLINE sprach mit Vorstandschef Siemssen über das Geschäft mit der Bequemlichkeit und die Wachstumsaussichten auf dem wichtigen Markt China.
Auf Seite 2: Was treibt das Geschäft mit Powerise-Produkten?
Börse Online: Herr Siemssen, im ersten Halbjahr ist das Geschäft mit Powerise-Produkten um 67 Prozent gestiegen. Was treibt das Geschäft?
Dietmar Siemssen: Powerise wurde zunächst vor allem in den großen Geländewagen, also einem BMW X5 oder Audi Q7, eingebaut. Jetzt dringt diese Technik immer weiter in die Mittelklasse vor, also beispielsweise in die Passats und Mondeos. Damit steigt das Volumen für uns sehr stark an. Zusätzlich gewinnen wir Marktanteile. Wir dürften derzeit bei etwa 25 Prozent liegen und sind optimistisch, auf 30 Prozent oder sogar etwas mehr zu kommen.
Mit wachsender Größe wird es immer schwerer, die hohen Wachstumsraten zu halten. Was ist mittelfristig möglich?
Das Geschäft läuft weiterhin sehr gut. Wir werden die Kapazitäten deutlich erweitern. Ende dieses Jahres dürften wir mit Powerise-Produkten bei einer Größenordnung von 3,3 Millionen Stück pro Jahr liegen. Im kommenden Jahr wollen wir fast eine weitere Million Kapazität aufbauen. Prozentual dürften im Bereich Powerise Umsatzsteigerungen von jährlich 20 Prozent realistisch sein.
Wichtigste Kunden für Stabilus sind Unternehmen der Automobilindustrie. Dieser Bereich macht rund zwei Drittel des Umsatzes aus. Woher kommt der Rest?
Unsere Gasfedern und Dämpfer werden auch in Lkw und Bussen eingebaut oder in Landwirtschaftsmaschinen. Dann gibt es noch ganz andere Bereiche: Möbelindustrie, Medizintechnik, Marine, Luftfahrt und Eisenbahn. Wir sind fast immer dabei, wenn etwas gehoben oder gesenkt, geöffnet oder geschlossen wird. Die meisten Menschen begegnen fast täglich unseren Produkten. Zum Beispiel, wenn sie die Sitzhöhe ihres Bürostuhls verändern oder im Flugzeug die Klappe des Gepäckfachs öffnen.
In diesem Industriegeschäft wachsen Sie vergleichsweise langsam. Was ist der Grund?
Wir wachsen außerhalb der Automobil-industrie in der Größenordnung von sechs bis sieben Prozent. Das ist deutlich über dem Markt. Im ersten Halbjahr lagen wir etwas unter unserem Zielkorridor. Das liegt daran, dass einige Kunden zu kämpfen haben, etwa in Bereichen, die mit Landwirtschaft oder Öl und Bergbau zu tun haben. Dennoch sind wir im ersten Halbjahr im Industriegeschäft um fünf Prozent gewachsen - damit bin ich angesichts der Umstände zufrieden.
Die Geschäftsbereich Drehstuhl ist mit knapp fünf Prozent Umsatzanteil ganz klar der kleinste. Wäre es nicht sinnvoller, diesen Randbereich zu verkaufen?
Der Drehstuhlbereich hat bei Stabilus früher mal fast ein Drittel des Umsatzes ausgemacht. Dann sind dort viele Fehler gemacht worden. Inzwischen haben wir die Probleme angepackt und sind jetzt wieder profitabel und wachsen. Es ist ein kleiner Bereich, aber ein wichtiger für Stabilus.
Auf Seite 3: Chinas Wirtschaft kühlt sich ab. Spürt man das bei Stabilus?
Chinas Wirtschaft kühlt sich ab. Spüren Sie das bei Stabilus?
In den vergangenen zwei, drei Monaten waren die Zahlen für uns in China etwas schwächer als erwartet. Wir sind dort aber relativ breit aufgestellt und wachsen kräftig. Ob die Wachstumsraten in China künftig noch bei 20 Prozent liegen oder nur noch bei zehn bis 15 Prozent, wird sich zeigen.
Wie wollen Sie das Wachstum Ihres ChinaGeschäfts ankurbeln?
Powerise bleibt ein großes Thema. Aber auch im Industriebereich, in dem wir in China in den vergangenen Jahren wenig gemacht haben, sehen wir einen großen Bedarf. Wir bauen in China gerade ein neues Werk, in dem wir ab Januar Industrieprodukte fertigen wollen, ab Oktober dann auch Powerise.
Wenn sich China abkühlt, werden andere Regionen wichtiger. Wie läuft es für Stabilus im Rest der Welt?
Die USA sind weiterhin stark. Die Autoindustrie brummt, vor allem die Nachfrage nach großen Geländewagen. Das kommt uns sehr entgegen. Auch der Industriebereich läuft in den USA sehr gut. Schwächer sieht es in Südamerika aus, aber das ist kein großer Markt für uns. Europa läuft stabil, hier sind wir mit wenigen Ausnahmen sehr zufrieden.
Stabilus profitiert vom starken Dollar. In Ihrer Jahresprognose rechnen Sie mit einem Eurokurs von durchschnittlich 1,20 Dollar für das laufende Geschäftsjahr. Derzeit steht der Kurs des Greenback bei rund 1,10 Dollar. Werden Sie Ihre Prognose dank positiver Währungseffekte noch weiter nach oben schrauben?
Unser Geschäftsjahr beginnt im Oktober. Damals lag der Kurs noch bei 1,30. Dass der Dollar so stark wird, war nicht absehbar. Wir haben unsere Prognose inzwischen ja bereits angehoben. Angesichts der aktuellen Wechselkurse kann man natürlich seine Fantasie laufen lassen.
Wie war das dritte Quartal des Geschäftsjahres für Stabilus insgesamt?
Die Zahlen werden wir Mitte August präsentieren. Schon absehbar ist, dass das Quartal sauber gelaufen ist. Wir sind zufrieden.
Auf Seite 4: Wie sieht es mit einer Dividende aus?
Wie sieht es mit einer Dividende aus?
Wir haben zum Börsengang gesagt, dass wir im ersten Jahr keine Dividende ausschütten werden. Für das Geschäftsjahr 2015 wollen wir erstmals Dividende zahlen. Ich sehe keinen Grund, warum wir uns an diese Zusagen nicht halten sollten.
Mit wie viel dürfen Aktionäre rechnen?
Wir streben eine Ausschüttungsquote von 20 bis 40 Prozent des Nettoergebnisses an. Im ersten Jahr werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an die obere Grenze dieses Korridors herangehen.