Trotz zwischenzeitlich kleiner Rücksetzer scheint die Rekordfahrt bei vielen Rohstoffen kein Ende zu nehmen. Fast täglich steigen die Preise für Kupfer, Eisenerz - ein Vorprodukt bei der Herstellung von Stahl - oder Stahl selbst auf Spitzenwerte. Das belastet zwar den Industriesektor, gerade die Autobranche. Doch bei den Herstellern des Werkstoffs sprudeln die Gewinne.
Der Sektor profitiert davon, dass die weltweite Nachfrage aufgrund der Fiskalprogramme brummt. Die Stahlhersteller kommen kaum mit der Produktion hinterher, und die Lagervorräte sind nach dem jahrelangen Abbau niedrig. Laut dem in Luxemburg ansässigen Konzern ArcelorMittal, dem größten Stahlproduzenten außerhalb Chinas, soll das Wachstum der weltweiten Nachfrage im laufenden Jahr am oder über dem oberen Rand der im Februar veröffentlichten Spanne von 4,5 bis 5,5 Prozent liegen. Wachstumsmotor werde der Verbrauch außerhalb Chinas sein, für den ArcelorMittal einen Zuwachs um 8,5 bis 9,5 Prozent vorhersagt. Gleichzeitig solle die Nachfrage Chinas um 1,0 bis 3,0 Prozent zulegen. Das Reich der Mitte versucht den Ausstoß von Treibhausgasen zu dämpfen und hat daher die Stahlproduzenten angewiesen, die Produktion zu drosseln. Das sorgt für Aufwärtsdruck bei den Preisen. Experten gehen dennoch davon aus, dass China 2021 das zweite Jahr in Folge mehr als eine Milliarde Tonnen Stahl produzieren dürfte. Gemessen an der Prognose des Branchenverbands World Steel Association, der einen weltweiten Verbrauch von 1,9 Milliarden Tonnen vorhersagt, würden damit mehr als 55 Prozent auf das Land entfallen.
ArcelorMittal beschert Anleger
Das hervorragende Umfeld lässt die Kassen bei ArcelorMittal klingeln. Das Unternehmen hat im ersten Quartal dank der starken Nachfrage aus dem Autosektor und der Industrie sowie kräftiger Preissteigerungen den Umsatz um 9,1 Prozent auf 16,2 Milliarden Dollar gesteigert. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hat sich mehr als verdreifacht auf 3,2 Milliarden Dollar. "Das erste Quartal dieses Jahres war, gemessen am Ebitda, unser bestes seit zehn Jahren", freut sich Vorstandschef Aditya Mittal. Aufgrund des starken Cashflows sind die Nettoschulden auf 5,9 Milliarden Dollar gesunken, den niedrigsten Stand seit dem Zusammenschluss von Arcelor und Mittal im Jahr 2006. Bis zum Jahresende sollen über ein Aktienrückkaufprogramm 570 Millionen Dollar an die Anteilseigner zurückgegeben werden. Zudem soll im Juni eine Basisdividende von 0,30 Dollar je Aktie bezahlt werden.
Aussichtsreich ist auch das Papier des deutlich kleineren Konkurrenten United States Steel. Er hat im ersten Quartal den Umsatz um ein Drittel auf 3,7 Milliarden Dollar gesteigert. Dazu trug die Übernahme des restlichen Anteils von 50,1 Prozent an dem hochprofitablen Wettbewerber Big River Steel für 774 Millionen Dollar per 15. Januar bei. Nach dem Deal besitzt United States Steel vier hochmoderne, umweltschonende Elektrolichtbogenöfen, die unter anderem zum Einschmelzen von Stahlschrott zur erneuten Verwendung als Stahlneuprodukt dienen. Das bereinigte Ebitda ist auf 551 Millionen Dollar nach oben geschossen, davon steuerte Big River knapp 30 Prozent bei.
Thyssenkrupp erhöht Prognose
Der deutsche Stahlriese Thyssenkrupp hat im zweiten Quartal des Fiskaljahres 2020/21 bei einem Umsatzplus von vier Prozent auf 8,6 Milliarden Euro einen bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 220 Millionen Euro erzielt, nach einem operativen Verlust von 279 Millionen im Vorjahr. "Im zweiten Quartal haben wir weiter Boden gutgemacht. Aber die Neuausrichtung von Thyssenkrupp bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte - und die gehen wir", erklärt Vorstandschefin Martina Merz. Sie erhöhte die Prognose zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten. So soll im Fiskaljahr 2020/21 ein Umsatzwachstum im niedrigen zweistelligen Prozentbereich erreicht werden, zudem werde beim bereinigten Ebit ein mittlerer dreistelliger Millionen-Euro-Betrag erzielt werden. Wegen hoher Restrukturierungskosten soll unter dem Strich allerdings weiterhin ein deutlicher Verlust anfallen.
Für Verkaufsdruck bei der MDAX-Aktie hat allerdings gesorgt, dass der Free Cashflow vor Zu- und Verkäufen im abgelaufenen Quartal bei minus 750 Millionen Euro lag, wodurch der Netto-Cash-Bestand auf 4,2 Milliarden Euro gesunken ist gegenüber 5,1 Milliarden per Ende Dezember 2020. Der Konzern begründete dies unter anderem mit dem Aufbau des Umlaufvermögens sowie Investitionen in Wachstumsprojekte.
Im Gesamtjahr soll der Free Cashflow zwar in Richtung von minus einer Milliarde Euro gehen. Da dies allerdings Abflüsse von höchstens bis zu knapp 300 Millionen für das zweite Halbjahr bedeuten würde, gibt es damit allmählich Licht am Ende des Tunnels. Zudem sagte Finanzchef Klaus Keysberg, dass die mögliche Ausgliederung der Stahlsparte "definitiv nicht mehr" in diesem Jahr erfolgen werde, was Investoren nicht gerade begeistert hat. Allerdings sollten sie die schlechten Nachrichten bald verdaut haben und sich wieder auf die erwarteten Ergebnisverbesserungen fokussieren, zumal der Konsens der Analysten für das Fiskaljahr 2021/22 beim Ebit einen Sprung auf rund 870 Millionen Euro vorhersagt.
Salzgitter setzt auf Umweltschutz
Der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern Salzgitter hat im ersten Quartal den Umsatz stabil gehalten bei 2,1 Milliarden Euro. Dabei erwirtschaftete das SDAX-Unternehmen einen Gewinn vor Steuern von 117,3 Millionen Euro, gegenüber einem Verlust von 31,4 Millionen Euro im Vorjahr. Dazu trugen vor allem die kräftigen Ergebnisverbesserungen im Bereich Flachstahl und im Handel bei. Vorstandschef Heinz Jörg Fuhrmann hatte bereits Ende April den Ausblick erhöht und will im laufenden Jahr den Umsatz auf mehr als 8,5 Milliarden Euro steigern. Damit würde nach dem 2020er-Einbruch das Niveau von 2019 wieder erreicht werden. Zudem soll der Gewinn vor Steuern auf 300 bis 400 Millionen Euro nach oben schießen. Die Mitte der Spanne läge damit auf dem Stand von 2018. Das war der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre.
Fuhrmann treibt den Konzernumbau in Richtung einer CO2-armen Stahlerzeugung weiter voran. Dazu wurde im März auf dem Gelände des Hüttenwerks in Salzgitter eine 2,5-Megawatt-PEM-Elektrolyseanlage in Betrieb genommen. Mit ihrer Hilfe soll grüner Wasserstoff mit Strom aus Windenergie erzeugt werden, womit die umweltschädliche Kohle bei der Stahlherstellung ersetzt wird.
Gut liefen die Geschäfte zuletzt auch beim SDAX-Konzern Klöckner & Co. Der Stahlhändler hat im ersten Quartal trotz eines Absatzrückgangs den Umsatz um 5,3 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro gesteigert. Das bereinigte Ebitda hat sich mehr als verfünffacht auf 130 Millionen Euro. Das war das beste Ergebnis seit mehr als zwölf Jahren. Neben den höheren Preisen schlug das Digitalisierungs- und Restrukturierungsprogramm durch. Für das laufende Quartal hat der Konzern 130 bis 160 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Auf der Hauptversammlung hat der neue Vorstandschef Guido Kerkhoff, der Ex-Chef von Thyssenkrupp, die Mittelfriststrategie bis 2025 vorgestellt. Er setzt auf organisches Wachstum und will bis 2025 den normalisierten operativen Gewinn gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau mehr als verdoppeln. Wir erhöhen Kursziel und Stoppkurs.
Auf einen Blick
Stahl
Boom Stahl ist ein Werkstoff, der überwiegend aus Eisen besteht und im Baugewerbe sowie beim Auto- und Maschinenbau oder als Rohre zum Einsatz kommt. Der Sektor erfreut sich einer stark steigenden Nachfrage, weshalb viele Firmen ausgelastet sind.