Von Stefan Rullkötter
In den vergangenen 13 Jahren war es ein Ritual, auf das sich Deutschlands Ruheständler verlassen konnten: Immer im Sommer wurde die gesetzliche Rente erhöht. Diese Gewohnheit bleibt in Corona-Zeiten erhalten: Ab Juli steigen die Renten in Westdeutschland um 3,45 Prozent, im Osten liegt das Plus sogar bei 4,2 Prozent. Grundlage für die Anhebung der Altersbezüge ist, unabhängig von großen Pandemie-Lecks in den öffentlichen Kassen, die Lohnentwicklung hierzulande im vorangegangenen Jahr.
So angenehm die Rentenerhöhung in der Wirtschaftskrise sein mag - für viele Leistungsempfänger hat sie eine unerfreuliche Kehrseite: Immer mehr Ruheständler müssen eine Einkommensteuererklärung abgeben, für die sie bis zum 31. Juli des jeweiligen Folgejahres Zeit haben. Für das Veranlagungsjahr 2019 stehen erstmals rund 48 000 Senioren in der Abgabepflicht, weil ihre Renten schon im Vorjahr ordentlich - damals um 3,18 oder 3,91 Prozent - gestiegen sind. Von 21,2 Millionen Ruheständlern sind mittlerweile 5,1 Millionen Rentner und Pensionäre steuerpflichtig. Damit muss fast jeder vierte Abgaben auf sein Alters- einkommen entrichten. Der Fiskus rechnet dadurch dieses Jahr mit 420 Millionen Euro Mehreinnahmen.
Die von allen Ruheständlern gezahlten Steuern werden dieses Jahr auf rekordverdächtige 42,9 Milliarden Euro steigen. Somit entfällt gut ein Zehntel des gesamten Einkommensteueraufkommens auf Senioren.
Der Grund für die kontinuierliche Verschiebung der Abgabenlast ist die nachgelagerte Besteuerung: Altersein- künfte werden schrittweise stärker besteuert. Im Gegenzug können Berufstätige immer mehr Ausgaben zur Altersvorsorge absetzen. Welcher Rentenanteil besteuert wird, hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab. Bei Ruheständlern, die 2005 oder früher in Rente gegangen sind, lag dieser bei lediglich 50 Prozent der gesetzlichen Altersbezüge. Neurentner des Jahres 2020 müssen 80 Prozent versteuern, nur 20 Prozent bleiben steuerfrei.
Ab 2021 steigt der steuerpflichtige Rentenanteil für Neurentner in den folgenden 20 Jahren um je einen Prozentpunkt. Ab dem Veranlagungsjahr 2040 werden die gesetzlichen Rentenbezüge für Neurentner schließlich zu 100 Prozent steuerpflichtig sein.
Wer bereits gesetzliche Rente bezieht, für den bergen Rentenerhöhungen eine weitere Falle: Der lebenslang steuerfreie Anteil der gesetzlichen Rente wird bei Rentenbeginn nominal, also in einem fixen Betrag, festgeschrieben. Nach jeder Rentensteigerung erhöht sich so der zu versteuernde Anteil (siehe auch Tabelle).
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Drohende Doppelbesteuerung
Wurden Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen in die Rentenversicherung eingezahlt und werden die Auszahlungen erneut besteuert, kann es zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung kommen. Aktuell sind dazu zwei Musterverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. X R 20/19; X R 33/19). Viele steuerpflichtige Rentner sind unsicher, ob sie von diesem Nachteil betroffen sind. Falls das so sein könnte, sollten sie Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen. Finanzämter verlangen aber häufig schon im Einspruchsverfahren fundierte Nachweise für eine Doppelbesteuerung. Frühere Gehaltsabrechnungen und Verdienstnachweise des Arbeitgebers sollten deshalb ebenso wie sämtliche Steuerbescheide für das Rentenalter aufbewahrt werden.
Ein Ausweg, um die im Alter für viele immer mühseliger werdende Steuererklärungspflicht zu vermeiden, soll nach Plänen der Finanzverwaltung die "vereinfachte Veranlagung für Alterseinkünfte" sein. Damit können Ruheständler ihrem Wohnsitzfinanzamt erlauben, Steuern weitestgehend auf Basis der dort bekannten Daten festzusetzen. Das sind insbesondere die Einnahmen aus Renten und Pensionen. Zusätzlich können Angaben zu außergewöhnlichen Belastungen und zu Spenden gemacht werden.
Wer im Alter aber weitere Einkünfte erzielt, etwa aus Nebenjobs oder Wohnraumvermietungen, muss auch künftig eine "normale" Steuererklärung abgeben. Gleiches gilt, wenn Ruheständler den Altersentlastungsbetrag für Kapitaleinkünfte - er beläuft sich für 2019 auf 17,6 Prozent der positiven Einkünfte, maximal 836 Euro - geltend machen und sich so gezahlte Abgeltungsteuer zurückholen wollen.
Schwacher Trost: Weil es infolge des Konjunktureinbruchs voraussichtlich keine Rentenerhöhung für 2021 gibt, dürfte die Zahl der steuerpflichtigen Rentner dann weniger stark steigen.