Viele Stiftungen können wegen der Niedrigzinsen und Corona-Folgen ihre Zwecke kaum mehr erfüllen. Welche Auswege es für klamme gemeinnützige Organisationen derzeit gibt. Von Stefan Rullkötter
C hristine Lagarde ist von Berufs wegen keine Förderin von guten Taten. Die vom Amtsvorgänger Mario Draghi übernommene Nullzinspolitik der EZB-Präsidentin setzt wohltätigen Organisationen mehr und mehr zu. Weil sie ihr Stiftungsvermögen erhalten müssen und nur die jährlich erwirtschafteten Einkünfte ausgeben dürfen, wird der finanzielle Spielraum, um ihre gemeinnützigen Zwecke effektiv verfolgen zu können, schon seit dem Jahr 2011 zunehmend kleiner.
Besonders Stiftungen mit weniger als einer Million Euro Kapital haben es schwer, mit ihren Erträgen zumindest die übliche Preissteigerung auszugleichen, hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen (BDS) per Umfrage ermittelt. Demnach schätzten zu Jahresanfang noch 62 Prozent der kleinen Stiftungen, dass ihre Rendite 2019 oberhalb der Inflationsrate lag. Bei den großen waren es 84 Prozent.
Doch vieles ist schlimmer seit Corona. Denn neben Erträgen des Stiftungsvermögens sind Spenden und Charity-Events eine wichtige Einkunftsquelle gerade für kleinere Stiftungen. Durch den Ausfall zahlreicher Wohltätigkeitsveranstaltungen sinken die Zusatzeinkünfte nun oft rapide.
"Notleidend wegen der Pandemie muss aber keine Stiftung werden - selbst wenn ihre Erträge zumindest 2020 deutlich geringer ausfallen sollten", meint Reinhard Vennekold, Geschäftsführer des Münchner Bildungsinstituts und Beratungsunternehmens Munich Fundsraising School (MFS).
"Totes Kapital" in Stiftungsdepots
Viele Stiftungen müssten aber endlich ihre Anlagerichtlinien ändern - und statt althergebrachter Staatsanleihen gute Unternehmensanleihen und Aktien in ihr Vermögensportfolio legen. "Hierzulande liegen rund zehn Milliarden Euro Stiftungsgeld als ‚totes Kapital‘ herum, rund drei Viertel aller Stiftungen mit Vermögensstock von unter einer Million Euro erwirtschaften keine nennenswerten Erträge", sagt Vennekold. Diese würden von Verwaltungskosten aufgefressen.
Da Stiftungen in der Regel "auf Unendlichkeit" ausgerichtet sind, hätten die Kursstürze im Frühjahr sogar gute Kaufgelegenheiten sein können. Zudem müssen sie Aktienbuchverluste im Crashfall nicht realisieren. So können die Titel auch lange Zeit im Stiftungsvermögensportfolio verbleiben.
Etwas weniger als die Hälfte der vom BDS befragten Stiftungen hat das Kapital zudem bisher nicht außerhalb der Börsenmärkte angelegt. Investieren sie doch, erfolgen Anlagen überwiegend in Immobilien, gaben rund 40 Prozent an. Private Equity und Venture-Capital spielen mit rund zehn Prozent eine untergeordnete Rolle.
Liegt das Vermögen bei geplanten Neugründungen von "Ewigkeitsstiftungen" bei weniger als einer Million Euro, empfehlen die Aufsichtsbehörden als Alternative immer öfter eine Verbrauchsstiftung. Diese wird nur für einen bestimmten Zeitraum von mindestens zehn Jahren etabliert.
Große Hoffnung setzt die Wohltätigkeitsbranche auch in die Reform des Stiftungsrechts, die noch dieses Jahr verabschiedet werden und bessere Bedingungen für die Stiftungsarbeit schaffen soll. "Der Gesetzgeber könnte damit für eine einheitlichere Aufsicht, klare Haftungsregeln für Vorstände und vor allem verbesserte Möglichkeiten der Satzungsänderung und Zusammenlegung von Stiftungen sorgen", erklärt MFS-Gesellschafterin Ursula Becker-Peloso. Notwendig sei auch, dass Stiftungen bald digitaler und globaler auftreten. Dafür benötigen viele Stiftungen ein zeitgemäßes Update. "Sie werden sich bei Fundraising und Kommunikation professionalisieren müssen", sagt Becker-Peloso.
Milde Gaben von der Steuer absetzen
Wird eine Stiftung als gemeinnützig anerkannt, ist sie steuerbegünstigt. Sie bietet Stiftern dann Möglichkeiten, ihre Zuwendungen abgabenmindernd einzubringen. So können sie nicht nur bei Neugründung einer Stiftung, sondern alle zehn Jahre wieder den Höchstbetrag von einer Million Euro für Zuwendungen in den Vermögensstock steuerlich geltend machen. Ehepaare und eingetragene Partner können zwei Millionen Euro absetzen. Der Betrag lässt sich beliebig über den Zeitraum von zehn Jahren verteilen.
Zusätzlich besteht die Option eines allgemeinen Spendenabzugs von bis zu 20 Prozent des zu versteuernden Einkommens. Dies ist oft von Bedeutung, wenn zusätzliche Mittel für konkrete Projekte an die Stiftung fließen sollen. Wer Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung einbringt, kann über das Geld aber nicht mehr verfügen. Ein klassisches Steuersparmodell ist sie daher nicht.