Kleines Land, clevere Manager: Norwegens Unternehmenskultur, geprägt von Transparenz und Nachhaltigkeit, hat erstklassige Börsenkonzerne hervorgebracht. Vier interessante Nordlichter. Von Michael Braun Alexander
Norwegen ist ein kleines, naturverbundenes, fabelhaft reiches Land. Gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf - im vergangenen Jahr etwa 77 000 Euro - spielen die 5,1 Millionen Einwohner des Nordlandes in der globalen Spitzenliga neben Katar, Luxemburg und der Schweiz. Deutschland, Rang 18, liegt lediglich bei 32 000 Euro je Einwohner. Das Königreich bietet nicht nur Wohlstand, sondern auch Lebensqualität. Es ist ein außergewöhnliches Jahr, wenn Norwegen einmal nicht den Human-Development- Index der Vereinten Nationen anführt.Möglich machte den rasanten Aufstieg binnen weniger Jahrzehnte Statoil mit Sitz in Stavanger. Das staatlich kontrollierte Unternehmen fördert Öl und Gas, vor allem in der Nordsee.
Es hat mit einer Marktkapitalisierung von gut 60 Milliarden Euro mehr Gewicht als die Nummern 2 bis 4 der Osloer Börse zusammen - und ist so groß, dass rechnerisch auf jeden Staatsbürger ein Aktienpaket im Wert von 12 000 Euro entfällt.
Auf Deutschland übertragen würde das bedeuten, dass der Technologiekonzern Siemens, hierzulande Platzhirsch, auf einen Marktwert von fast eine Billion Euro kommen müsste, um eine ähnlich dominierende Rolle an der Börse zu spielen. Noch deutlicher schlägt sich der Wohlstand der Norweger im staatlichen Pensionsfonds nieder, der den aus dem Meeresboden geholten Reichtum weltweit investiert. Angesichts eines Portfoliowerts von mehr als 100 000 Euro pro Kopf muss sich kein Norweger allzu große Sorgen um eine Versorgungslücke im Alter machen.
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Profi für schwierige Bedingungen
Für deutsche Anleger ist die Osloer Börse hochinteressant. Das Land weist eine Fülle notierter Unternehmen auf, die transparent, nachhaltig und vorbildlich aktionärsfreundlich arbeiten. Statoil ist zwar nicht so groß wie die europäischen Rivalen Royal Dutch Shell, BP oder Total. Das sehr niedrig verschuldete Unternehmen kennt sich dafür aber besonders gut in zwei Zukunftssegmenten der Branche aus: der Förderung fossiler Energieträger auf See und unter arktischen Bedingungen. Beides ist technisch aufwendig und teuer; doch die größten Funde neuer Felder in den vergangenen Jahren liegen unter dem Meeresboden - beispielsweise vor den Küsten Brasiliens, Ghanas und Ostafrikas - und nördlich des Polarkreises.
Einen Extrakick verheißt ein denkbarer Umbau der Aktionärsstruktur. Der norwegische Staat, der zurzeit 67 Prozent der Anteile kontrolliert, könnte künftig eine etwas kleinere Rolle spielen und der Aktie so mittelfristig zu einem Kurssprung verhelfen. Die 2013 gewählte konservative Regierung von Ministerpräsidentin Erna Solberg hat, anders als ihre Vorgänger, wenig Probleme damit, den Statoil-Staatsanteil in Richtung 51 Prozent zu senken - womit Oslo noch immer das Sagen hätte.
Da ein Verkauf von Aktien dem Börsenkurs schaden könnte, steht eine Ausgabe neuer Anteilscheine im Raum, die dann als Währung für die internationale Expansion und eine deutliche Ausweitung des Geschäfts genutzt werden könnten. Bis 2020 soll der Auslandsanteil der Produktion bei Statoil auf 44 Prozent steigen. Zur Jahrtausendwende waren es nur sieben Prozent.
Ein Unternehmen, das sich von der Übersichtlichkeit des Heimatmarkts nicht bremsen lässt, ist der fast 150 Jahre alte Kommunikationskonzern Telenor. Er ist in Skandinavien aktiv, die Musik spielt jedoch in Schwellenländern, in denen Telenor zeitig Fuß gefasst hat - eine strategische Ausrichtung, die den Aktienkurs im Zuge der Emerging-Markets-Krise zuletzt schwächeln ließ.
In Osteuropa ist das Unternehmen in Ungarn, Serbien, Bulgarien und Montenegro präsent und hält ein Drittel an Russlands VimpelCom. Noch wichtiger für das künftige Wachstum sind jedoch die Märkte in Süd- und Südostasien. Im bevölkerungsreichen Bangladesch ist Grameenphone der Marktführer, mehrheitlich im Besitz von Telenor. Hinzu kommen Beteiligungen in Thailand, Malaysia, Indien, Pakistan und seit Kurzem in Birma, einem Land von der Größe Frankreichs. Insgesamt zählt Telenor heute 166 Millionen Mobilfunkkunden und wächst sportlich: Allein 2013 betrug das Kundenplus 17 Millionen.
Einen Standortvorteil in Norwegen nutzt wiederum der schon 1905 gegründete Aluminiumproduzent Norsk Hydro, heute die Nummer 6 der Welt. Das gebirgige Land nutzt in großem Stil billige Wasserkraft, was die extrem energieintensive Produktion des Leichtmetalls erleichtert. Auch bei diesem Konzern mischt der Staat, der gut 34 Prozent der Anteile kontrolliert, mit, während sich der brasilianische Rohstoffgigant Vale im vergangenen Jahr von seinem Aktienpaket getrennt hat.
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China-Verbindung belastet
Norsk Hydro ist in mehr als 50 Ländern aktiv und verzeichnet etwa ein Fünftel seines Umsatzes in den Schwellenmärkten. Allerdings ist die Performance des Unternehmens abhängig von China, dem größten Produzenten und Verbraucher von Aluminium. Anders gesagt: Schwächelt die chinesische Wirtschaft, sieht es bei Norsk Hydro nicht viel besser aus. Mit einer Eigenkapitalquote von 65 Prozent weist die Bilanz jedoch einen erheblichen Puffer auf.
Mit Norsk Hydro war Yara International, der Weltmarktführer bei Dünger, lange verflochten. Vor zehn Jahren wurde Yara, an dem Oslo heute 42 Prozent hält, abgespalten. Der Aktienkurs hat zuletzt infolge sinkender Harnstoffpreise gegen den marktbreiten Trend enttäuscht - was die Aktie langfristig umso interessanter machen könnte. Yara macht in mehr als 150 Ländern Umsätze und verfolgt eine aktionärsfreundliche Ausschüttungspolitik - sowohl per Dividende (jeweils Anfang Juni) als auch mit Aktienrückkäufen.
Insgesamt ist die Unternehmenskultur, die aus den Bilanzen der Unternehmen spricht, für Investoren höchst erfreulich: transparente Zahlen, akzeptable Verschuldungsgrade, hohe und nachhaltige Ausschüttungen. Statoil und Yara werden aktuell mit relativ geringen Aufschlägen auf den Buchwert gehandelt, Norsk Hydro sogar mit deutlichem Abschlag. Anleger sollten Kursrücksetzer zu Käufen oder Nachkäufen nutzen und die Bluechips langfristig im Depot liegen lassen.
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