Was lange währt, wird nun endlich wahr: Mit zweijähriger Verspätung feiert der neue James-Bond-Film "Keine Zeit zu sterben" am 30. September Kinopremiere in Deutschland. Zum letzten Mal wird dann Hauptdarsteller Daniel Craig den Geheimagenten 007 verkörpern. Der Ausbruch der Corona-Pandemie und mehrere Wechsel in der Regie sorgten für die Verzögerung. Umso größer könnte der Hype nun werden. Schließlich war nicht klar, ob es der neue Bond überhaupt in die Kinos schafft. So soll es bereits Verhandlungen mit Netflix gegeben haben. Und vor wenigen Monaten übernahm dann auch noch Amazon das Bond-Produktionsstudio Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) für 8,5 Milliarden Euro. Wer nicht ins Kino gehen und den Film zeitnah streamen will, hat wohl bei Amazon die besten Karten. Klar ist auch, dass es nicht mehr alle Filme ins Kino schaffen. Anstatt sich in der Warteschleife einzureihen, wurden viele Filme direkt gestreamt und kamen erst gar nicht auf die Leinwand. So etwa Pixars Film "Luca", der bei Disney+ läuft, oder auch "Greyhound" mit Hauptdarsteller Tom Hanks, der auf Apple TV+ zu sehen ist.

Ob die Kinos ein Revival erleben, bleibt abzuwarten. Die steigenden Streamingzahlen sprechen erst einmal nicht dafür. Der "PurePlay" schlechthin ist der US-amerikanische Anbieter Netflix. Vor Kurzem räumte der Filme- und Serienproduzent zum ersten Mal mehr Emmys ab als die anderen TV-Sender oder Streamingplattformen. In den vergangenen Jahren revolutionierten Netflix, Amazon, Roku, Walt Disney, Apple und Co den Fernsehmarkt. Entstanden ist ein riesiger Markt mit gigantischen Investitionssummen und einem hohen Wettbewerb.

Nahe dem Allzeithoch steht immer noch Primus Netflix, auch wenn im zweiten Halbjahresabschnitt nicht alles nach Wunsch gelaufen ist. Öffnungen nach der Pandemie sorgten dafür, dass der Konzern von April bis Ende Juni lediglich 1,5 Millionen neue Abonnenten dazugewinnen konnte. Im dritten Quartal sollen dann 5,5 Millionen Kunden dazukommen. Nach Europa und vor allem Deutschland will der Konzern expandieren. In Berlin wurde vor Kurzem eine neue Firmenzentrale für die DACH-Region eröffnet. Rund 500 Millionen Euro will Firmenchef Reed Hastings in Filme, Serien und Shows investieren. Das soll dann wieder zu einem kräftigen Schub bei den Nutzerzahlen führen. Wachstumsschmerzen kennt auch Walt Disney mit seinem Streamingkanal Disney+. Vorstandschef Bob Chapek konnte Anleger zuletzt nicht davon überzeugen, dass die Nutzerzahlen nicht immer linear ansteigen, sondern eher einem Zickzackkurs folgen. Dazu kommt, dass in der Pandemie nicht alle Projekte durchgezogen werden konnten: "Das Wiederaufleben von Covid durch die Delta-Variante hat einige unserer Produktionen beeinträchtigt", sagte Chapek zuletzt auf einer Investorenkonferenz. Derzeit hat der Medienkonzern 116 Millionen Abonnenten. Vor einem Jahr waren es lediglich knapp 60 Millionen. Zum Vergleich: Netflix hat aktuell 209 Millionen Nutzer. Doch waren bei Disney zuletzt die Wachstumsraten höher.

Micky-Maus-Konzern mit Chancen

Insgesamt will der Konzern bis zum Jahr 2024 zwischen 230 und 260 Millionen Abonnenten haben und Potenziale heben: So hält er 67 Prozent am Streaminganbieter Hulu, der knapp 43 Millionen Kunden zählt. Dazu kommt eine Kaufoption, die restlichen 33 Prozent vom US-Konzern Comcast zu erwerben, um Hulu dann ganz zu übernehmen.

Die Aktie von Disney bleibt auch deswegen aussichtsreich, weil die anderen Bereiche wieder ins Laufen gekommen sind: Nach heftigen Einbußen in der Corona-Krise, als die Themenparks und Ferienanlagen geschlossen waren und die Filmstudios Probleme hatten, erholte sich das Geschäft wieder. Im zweiten Halbjahresabschnitt kletterten die Erlöse zum Vorjahresquartal um 45 Prozent auf 17 Milliarden Dollar. Mehr als 900 Millionen Dollar blieben unterm Strich hängen.

Ein Streamingriese ist auch Youtube. Im vergangenen Quartal erwirtschaftete die Alphabet-Tochter einen Umsatz in Höhe von sieben Milliarden Dollar - 83 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Sicher: Der Anteil an den Erlösen innerhalb des Gesamtkonzerns ist immer noch nicht hoch. Doch stehen die Wachstumschancen gut. Und Alphabet hat mit der Tochter Google ohnehin noch viel mehr zu bieten.

Ganz ähnlich sieht es bei Amazon aus: Prime Video ist hinter Netflix der beliebteste Videostreamingdienst. Doch macht der Wert, gemessen an der Marktkapitalisierung und am Umsatz des Gesamtkonzerns, eher wenig aus. Wie wichtig die Sparte allerdings ist, zeigt die Übernahme von MGM. Und gerade das zweite Quartal lief im Vergleich zur Konkurrenz stark. Angeblich will Amazon schon bald Fernseher mit einem eigenen Betriebssystem herausbringen - wohl aus einem einfachen Grund: um noch mehr über die Kunden zu erfahren, und dann noch zielgenauer Werbung auszuspielen.

Marktführer mit Streamingsticks und Betriebssystemen in den USA ist der Wettbewerber Roku. Jedes dritte verkaufte smarte Fernsehgerät dort ist ein Roku TV, das vor allem von chinesischen Anbietern günstig produziert wird. Jetzt will Firmenchef Anthony Wood auch nach Deutschland kommen. Ein Teil der Geräte ist ab Anfang Oktober auf dem Markt erhältlich. Trotz starker Zahlen im zweiten Quartal mit einem Umsatzplus von 83 Prozent auf 645 Millionen Dollar kam der Titel zuletzt unter die Räder: Vom Hoch bei rund 400 Euro fiel der Titel auf 270 Euro, erholte sich aber wieder leicht. Starinvestorin Cathie Wood nutzte den "Dip", um wieder aufzustocken. In ihrem Technologiefonds ist Roku aktuell die drittgrößte Position. Einige Analysten haben ihr Kursziel angehoben und sehen großes Potenzial. Aktionäre sollten beachten, dass der Titel sehr volatil ist, und den Stoppkurs nicht zu eng setzen. Doch auch ein James Bond geht hohe Risiken ein.

 


Auf einen Blick

Streaming

Die Branche boomt weiterhin, obgleich die Zahlen wegen der Öffnungen nach der Pandemie zuletzt etwas schwächer ausfielen. Auch weil immer mehr Werbung vom linearen Fernsehen hin zu Streamingportalen abwandert, investieren Konzerne Unsummen.