Die jüngste Hochwasserkatastrophe in Deutschland löst eine Debatte um eine Pflichtelementarversicherung für Hausbesitzer aus. Ersten Schätzungen zufolge belaufen sich die durch das Hochwasser entstandenen Schäden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf bis zu fünf Milliarden Euro, die von den Versicherern gedeckt werden müssen. Die in Bayern und Sachsen entstandenen Schäden sind hier noch nicht miteinberechnet. "Die Schäden dürften sogar noch über denen des August-Hochwassers im Jahr 2002 von 4,65 Milliarden Euro liegen. Tief ‚Bernd‘ gehört damit zu den verheerendsten Unwettern der jüngeren Vergangenheit", so der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Jörg Asmussen.
In der aktuellen Debatte über die Pflichtelementarversicherung gegen Flut und Starkregen gehen die Meinungen stark auseinander, die Wirtschaft ist skeptisch. Asmussen lehnt eine solche Pflichtversicherung ab. Seiner Meinung nach nehme diese Pflicht den Menschen den Anreiz, selbst gegen Flut und andere Extremwetterrisiken vorzusorgen. Die Kosten der Pflichtversicherung gegen Elementarschäden könnten laut ihm ohnehin nicht die Kosten der fehlenden Klimafolgenanpassung decken. In Deutschland sind beinahe alle Haushalte gegen Feuer und Hagel versichert, nur 46 Prozent gegen Flut und Starkregen. Die erwarteten fünf Milliarden Euro Schaden beinhalten nur den versicherten Schaden. Dies könnte zu Folge haben, dass der tatsächlich entstandene Schaden den erwarteten Betrag noch übertrifft.
Der Chef-Klimawissenschaftler der Münchner Rück, Ernst Rauch, hat prinzipiell kein Problem mit einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Die Versicherungsprämien müssten sich jedoch nach dem örtlichen Risiko richten, sagte er. Eine Besiedlung von Flussufern oder bachnahen Gebieten sollte dadurch vermieden werden. Bei durchweg gleichbleibenden Versicherungsbeiträgen würde es einen Anreiz schaffen, in hoch gefährdeten Gebieten zu bauen. Der im Dax gelistete Konzern sieht auch die Kommunen in der Verantwortung. Die Dimensionen der jüngsten Überschwemmungen seien zu groß gewesen, um sich durch wasserdichte Fenster oder Drainagen an den Grundstücken zu schützen. Rauch zufolge müsste in Zukunft die öffentliche Hand eingreifen und die Infrastruktur systematisch an die Veränderungen der Natur durch den Klimawandel anpassen. Mit der Renaturierung von Flüssen und Bächen sollte der ökologische Zustand und der Freiraum der Fließgewässer verbessert werden, um in Zukunft die Hochwassergefahr in gefährdeten Gebieten zu verringern.
Aus der Sicht der Münchner "Wirtschaftsweisen" Monika Schnitzer wäre eine Elementarversicherung durchaus sinnvoll. Dadurch könne man verhindern, dass die Bürger darauf vertrauen, in einem Katastrophenfall Rückendeckung vom Staat zu erhalten. Das würde bedeuten, dass einige Bürger darauf verzichten würden, sich gegen diesen speziellen Katastrophenfall zu versichern. Auch sie ist wie Rauch für risikogerechte Versicherungsbeiträge. Bauträger und Privatpersonen, die ein Haus in einem risikohohen Gebiet, beispielsweise in Flussnähe bauen wollen, sollen demnach höhere Beiträge zahlen.
Für die Betroffenen kommt diese Debatte zu spät. Das Risiko einer Jahrhundertflut wurde in den vergangenen Jahren stark unterschätzt. Der Staat will vorerst mit einen Soforthilfepaket in Höhe von 400 Millionen Euro Abhilfe schaffen.