Anfang Februar tritt Janet Yellen ihre Aufgabe als Chefin der US-Notenbank an. Leise tritt sie auf, doch unterschätzen sollte sie niemand: Yellen, die neue Chefin der Fed, kann auch anders. Und das wird sie auch nötig haben, die gerade mal 1,50 Meter große Frau, deren rundes Gesicht mit dem netten Lächeln manche an eine Fee aus einem Hollywoodstreifen erinnert. Sie muss die expansive Geldpolitik behutsam drosseln. Auf ihrer persönlichen Agenda steht aber noch Größeres.

Während ihr Vorgänger Ben Bernanke in der Finanzkrise auf drastische Maßnahmen setzte, fällt Yellen mit der Rückführung seiner Zinssenkungen und Anleihekäufe eine weniger glamouröse Aufgabe zu. Fehlt es ihr am nötigen Fingerspitzengefühl, ist die Gefahr groß, die Märkte oder gar die gesamte Volkswirtschaft in die Krise zu manövrieren.

Bisher brachte jeder Notenbankchef eine versteckte Agenda mit ins Amt. Alan Greenspan wollte mit seinem libertären Geist die Märkte deregulieren. Ben Bernanke hatte die große Depression der 1930er-Jahre studiert und wollte solch eine Katastrophe um jeden Preis verhindern - was ihm gelang. Yellen hat, anders als viele männliche Ökonomen, auch ein Auge für die Schicksale hinter den Statistikzahlen. Und sie ist durchaus bereit, für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der sozial Schwächsten einzutreten.

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Anleihekäufe und Leitzins

Zum Höhepunkt der Weltfinanzkrise griff Bernanke zu außergewöhnlichen Maßnahmen: Es reichte ihm nicht, die Zinsen am kurzfristigen Ende zu senken, er begann zudem das Quantitative Easing, die quantitative Lockerung der Geldpolitik. Dabei kauft die Fed lang laufende Staatsanleihen und andere Zinspapiere, um deren Zinsen drastisch zu drücken. Im Gegenzug steigen die Kurse dieser Papiere. Das kurbelt die Wirtschaft an: Die Sparer werden zum Geldausgeben bewegt, die Anleger zum Investieren.

Das von Bernanke angestoßene Kaufprogramm für Staatsanleihen blähte die Bilanz der Fed auf mehr als vier Billionen Dollar auf. Mit monatlichen Anleihekäufen im Wert von 85 Milliarden Dollar versuchte die Notenbank, mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Im Januar senkte die Fed die Kaufsumme bereits auf 75 Milliarden. Das weitere Tempo der Drosselung bleibt nun Yellen überlassen.

Zugleich muss sie die Entscheidung über die kurzfristigen Zinsen fällen. Seit 2008 liegt das Ziel für die Fed Funds Rate - den Zinssatz, zu dem Banken sich untereinander über Nacht Geld leihen - bei fast null Prozent. Auch hier baute Bernanke für Yellen eine Brücke: Die Fed sagte im Dezember, dass die niedrigen kurzfristigen Zinsen noch weit über den Zeitpunkt hinaus anhalten, an dem die Arbeitslosigkeit auf 6,5 Prozent fällt. Aktuell liegt die Arbeitslosenrate bei sieben Prozent. Ökonomen schätzen, dass erst Ende 2015 Zinserhöhungen anstehen könnten.

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Verteidigung der Unabhängigkeit

Auf den Schultern von Yellen lastet viel Verantwortung. Sie ist die mächtigste Frau der Welt und nach Präsident Barack Obama der zweitmächtigste Amerikaner. Sie ist so mächtig, dass der US-Kongress ihr in Zukunft stärker auf die Finger sehen will. Das definiert Yellens größere Rolle: in Zeiten eines politisch zerrissenen Kongresses die Unabhängigkeit der Fed zu verteidigen. Entsteht erst einmal der Eindruck, dass die Fed sich politischen Interessen beugen könnte, wäre ihre Kraft als Institution stark beeinträchtigt.

Deshalb muss Yellen sich vehement gegen Vorstöße von republikanischen Abgeordneten wie Jeb Hensarling wehren. Er will ein Jahr lang den Betrieb der Fed überprüfen. Der Texaner, der den Finanzausschuss des Abgeordnetenhauses leitet, will dazu die Kontrollrechte des Kongresses gegenüber der Notenbank erweitern. So soll dieser prüfen können, wie die Fed zu einer Zinsentscheidung kommt. Doch Yellen, so klein und vorsichtig sie auf den ersten Blick auch scheinen mag, gilt als sehr überzeugend. Und sie ist jederzeit bereit, eine Auseinandersetzung auf sich zu nehmen, wenn es gilt, für sie Richtiges zu verteidigen.

Das zeigt sich an einer Anekdote von Jim Adams, Ökonomieprofessor an der Universität von Michigan, der Yellen in Harvard kennenlernte, als sie junge Assistenzprofessorin mit befristetem Vertrag war. Adams war vom Doktorvater zusammengestaucht worden, er solle seine volkswirtschaftliche Argumentation noch einmal richtig überdenken. Yellen schrieb kurzerhand gemeinsam mit Adams einen viel beachteten Aufsatz, der seine These nicht nur stützte, sondern noch erweiterte - ungeachtet dessen, dass der Doktorvater ihr jederzeit den Job hätte streichen können: "Dazu ist ziemlich viel Mut vonnöten", meint Adams.

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Regulierung der Finanzmärkte

Diesen Mut braucht Yellen, wenn sie in Washington wirklich Einfluss nehmen will. Hier herrscht noch immer der Zeitgeist der Reaganomics, die nach dem früheren Präsidenten Ronald Reagan benannte Wirtschaftspolitik. Danach wird jegliche Einmischung des Staates in die perfekt agierenden Märkte abgelehnt. Yellen, die in Yale studiert hat und von James Tobin, einem Keynesianer, maßgeblich beeinflusst ist, sieht den Markt als fehlbar an. Sie glaubt, dass Politiker Einfluss nehmen müssen, damit die Märkte nicht aus dem Ruder laufen.

Yellen sagte deshalb auch bereits im vorigen Sommer, dass ihr das Dodd-Frank-Gesetz nicht ausreicht: "Der existierende Plan für systemisch entscheidende Banken geht nicht weit genug. Schattenbanken wie Geldmarktfonds und Wertpapiermakler, die 2008 für erhebliche Probleme sorgten, müssen beschränkt werden." Sie will die Finanzierungsmöglichkeiten der Institute über kurzfristige Wertpapieranleihen einschränken: "Das sind Hunderte von Milliarden von Dollar nicht angesprochene Risiken", warnt Yellen.

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Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Ihre wahre Leidenschaft aber ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. "Yellen sieht Langzeitarbeitslosigkeit nicht nur als ökonomisches Problem verschwendeter Ressourcen, sondern auch ganz menschlich", erläutert John Williams, heute Präsident der San Francisco Fed, der unter Yellen dort die Researchabteilung leitete. "Für sie sind die Zahlen nicht abstrakt. Sie sieht die Familien, die durch Langzeitarbeitslosigkeit zerstört werden." Der Ökonom erinnert sich an die Hypothekenkrise, als Yellen ihn anhielt, sich mehr anzustrengen: "Wir müssen alles geben, das Land steckt in der Krise." Er erwartet, dass Yellen die Arbeitslosigkeit direkt angeht: "Sie ist keiner von den Notenbankern, die resignieren und sagen, dass sie mit Geldpolitik nicht alle Probleme der Welt lösen können."

Aktuell ist das Thema Arbeitslosigkeit so akut wie lange nicht. Dass die Zahlen zurückgehen, liegt nämlich weniger daran, dass die Menschen neue Jobs finden, sondern dass sie aufhören zu suchen. Schon als Präsidentin der Fed in San Francisco warnte Yellen, dass die zunehmende Ungleichheit in der Bevölkerung die amerikanische Demokratie unterminieren könnte.

Bisher ist die Fed nach ihrer Satzung sowohl der Inflationskontrolle als auch der Senkung der Arbeitslosigkeit verpflichtet. Anders als die Europäische Zentralbank, die auf die Preisstabilität fokussiert ist. Einige Analysten erwarten, dass Yellen sich noch eine dritte Kennzahl zum Ziel setzt: die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts der USA.

Bernanke hat die Rolle der Fed bereits entscheidend ausgeweitet. Doch Yellen sagte nach ihrer Nominierung im Herbst, sie wolle noch mehr: "Wir müssen weiterkommen. Die Aufgabe der Fed ist es nicht nur, den Wert des Dollar stabil zu halten, sondern dem amerikanischen Volk zu dienen. Und das heißt, dafür zu sorgen, dass jeder die Möglichkeit hat, zu arbeiten und sich ein besseres Leben aufzubauen."