Tiefdruckgebiete voraus


Die Berichtsaison für das II. Quartal wird schwarz, schwärzer, am schwärzesten. Kein Wunder, denn in diesem Zeitraum hat Corona wirtschaftlich besonders heftig gewütet. Und die Angst vor einer zweiten Infektionswelle mit nachfolgenden Shutdowns spricht auch nicht für eine fundamental stabile Schönwetterfront am Aktienmarkt. Und leider - ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube - springt auch das deutsche Konjunkturpaket zu kurz. Gegen die schlechte Kauflaune hat die nur zeitweise verringerte Mehrwertsteuersenkung wenig Chancen auf "Wumms". Es wäre besser gewesen, den Soli sofort abzuschaffen, der ja auch von Selbstständigen und Personengesellschaften gezahlt wird. Wäre auch noch der Steuerfreibetrag kräftig erhöht worden, um insbesondere den Geringverdienern mehr Netto vom Brutto zu lassen, hätte man deutlich mehr für die nachhaltige Konjunkturstabilisierung getan. Daneben kommen die Investitionen in Bildung und Digitalisierung zu kurz. Die Wiedererreichung des Zustands vor dem Corona-Ausbruch mit all seinen Strukturdefiziten ist kein lohnendes wirtschaftspolitisches Ziel, wenn die Konkurrenz aus Asien und Amerika die Zukunft gewinnen will.

Für Schlechtwetterperioden wird auch der Orkan "Trump" sorgen. Ganz sicher wird sich der US-Präsident nicht in die Sommerfrische zurückziehen oder gar eine Twitter-Diät machen. Angesichts der US-Wirtschaftskrise und heftigen Neuinfektionen liegt er in Umfragen dramatisch hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Wer hätte das noch vor einem halben Jahr gedacht? Daher wird er im Sommer aus allen Rohren schießen, um seine Chancen bei den Präsidentschaftswahlen am 3. November 2020 zu wahren. Peking droht er mit der Keule des Handelskriegs. Und die in puncto Außenhandel sicher auch nicht heiligzusprechenden Chinesen werden entsprechend zurückkeulen.

Nicht zuletzt wird Trump weiter gegen die EU bzw. das transatlantische Bündnis wettern, obwohl es jahrzehntelang eine einzigartige Sicherheitsarchitektur sogar für die gesamte Welt bot. Vor allem seinem Lieblingsfeind Deutschland wird er mit Genuss gegen das Schienbein treten. Exportüberschuss, Nato-Beitrag und russische Gaspipeline sind für ihn lohnende Wahlkampf-Munition. Dass seine Aktionen dem geopolitischen Einfluss Amerikas selbst schaden, interessiert ihn wenig. Alles ist erlaubt, solange es ihm nützt. America First heißt für ihn Trump First. Die neuen herzhaften Darbietungen des US-Präsidenten werden an den Aktienmärkten für wenig Entzückung sorgen.


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Leider schafft es Europa bislang nicht, eigenes Gewicht auf die geostrategische Waage zu bringen. Der innere Zusammenhalt ist brüchig und kann - ähnlich wie bei einem zerstrittenen Ehepaar - nur mit teuren Geschenken zusammengehalten werden. Doch machen die mit 500 Milliarden Euro Beschenkten wenig Anstalten, sich mit Gegenleistungen in Form harter Reformen zu bedanken. Aber nur damit werden sie längerfristig der Dauerrezession entkommen. Ansonsten droht entweder neuer Sprengstoff für das europäische Gemeinschaftswerk oder ein permanenter EU-Länderfinanzausgleich, der es erlaubt, noch mehr dem Müßiggang, dem Dolce Vita, zu frönen. Dazu passt eine EZB, die längst ohne rot zu werden, Staatsfinanzierung praktiziert. "Elvis has left the building" hieß es früher nach Konzerten des King of Rock ‘n‘ Roll. Stability has left Europe heißt es heute bei uns.

Betrachtet man schließlich auch noch die historische Überbewertung von Aktien, die nicht mehr nur sportlich ist, spricht in der Tat doch viel für kräftige Donnerwetter im Aktien-Sommer 2020, oder?

Doch auch die Hochs kommen nicht zu kurz


Ja, eine zweite Infektionswelle ist nicht auszuschließen. Doch verläuft die Epidemie in Europa deutlich weniger gravierend als in den USA. Zwar bilden sich in Deutschland Hotspots. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass hüben wie drüben Radikal-Lockdowns wie im März oder April angeordnet werden. Die Politik hat panische Angst, dass dann das ohnehin nur langsam wiederkehrende Wirtschaftsleben vollends zum Erliegen kommt. Da zudem die allgemeine Erwartungshaltung auf Öffnung ausgerichtet ist, drohte ein Wirtschaftsschock die psychologische Wirkung der Konjunkturpakete verpuffen zu lassen.

Bei der Quartalsberichterstattung kommt es vor allem auf die Ausblicke an. Diese dürften angesichts der vielen positiven Frühindikatoren und der u.a. von Siemens fortwährend bestätigten Wirtschaftserholung in China Licht am Ende des Tunnels zeigen. Und Aktien bezahlen die Zukunft.

Durch die Trumpschen Galavorstellungen müssen wir leider durch. Doch selbst bei ihm gilt, dass nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. Ein tatsächliches Wiederaufflammen des Handelskriegs würde seinen Exportunternehmen, ihren Beschäftigten sowie den Mais-, Soja- und Weizen-Farmern aus dem Mittleren Westen - das sind treue Trump-Wähler - das Leben noch schwerer machen. Bei Donald ist immer viel Schaumschlägerei dabei. Aber ein politischer Selbstmörder ist er nicht.

Beim erzwungenen Zusammenhalt Europas mit instabilen Methoden kommt bestimmt keine Freude auf. Selbst die deutsche EU-Ratspräsidentschaft kann keine Stabilitäts-Schönheitspreise mehr gewinnen. Doch müssen die Anleger das Beste daraus machen. Immerhin sorgt die Geldpolitik der EZB für ein stabiles Aktienumfeld. Da beim Zinssparen heutzutage viele Renditen schon vor Inflation negativ sind, ergibt sich ein kolossaler Anlagenotstand pro Aktien. In diesem Zusammenhang ist übrigens auch deren absolute Überbewertung zu relativieren. Mir gehen die Superlative aus, wenn ich im Vergleich die Bewertung von Zinstiteln - auch angesichts ihrer mangelnden Bonität - beschreiben will.

Sicher, aufgrund dieser Liquiditätshausse haben sich Aktien weit von ihrer fundamentalen, also umsatz- und gewinnseitigen Basis entfernt. Doch ob man es mag oder nicht, dieser Umstand gehört mittlerweile zur Realität an den Finanzmärkten dazu. Früher wurden fundamentale Übertreibungen - siehe u.a. die Dotcom- oder Immobilienblase - noch durch restriktive Geldpolitik und zum Verdruss der Anleger bereinigt. Heute sind Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappungen angesichts der dramatischen Überschuldung der Welt nicht mehr möglich. Ansonsten riskierten (Geld-)Politiker den finalen Super-GAU der (Finanz-)Welt mit allen sozialen Kollateralschäden.

2020 kein Jahrhundert- und auch kein Horrorsommer für Aktien


Vor diesem Hintergrund ist insgesamt über den Sommer weder ein Crash noch eine Rallye zu erwarten. Je nach vorliegenden politischen bzw. Konjunkturdaten werden die Aktienmärkten volatil in breiten Seitwärtstrends schwanken. Mit regelmäßigen Aktiensparplänen kann man diese Gemengelage gut parieren.

Nach dem Sommer aber, wenn die geld- und fiskalpolitische Konjunktur-Saat aufgeht und das Angstthema Shutdown an Bedeutung verliert, wird auch der Herbst schöne (Aktien-)Tage haben.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.