Eine Lehrstunde in Sachen Notenbankrhetorik erteilte Mario Draghi auf der Konferenz im portugiesischen Sintra. Obwohl der EZB-Chef kein Wort über eine Änderung der aktuellen Zinspolitik verlor, reagierte der Euro so dynamisch wie schon lange nicht mehr auf seine Aussagen. Zwischen den Zeilen sandte er einen Testballon aus.

"Super-Mario" hob in seiner Rede einerseits die guten Konjunkturdaten in Europa hervor, andererseits spielte er die derzeit geringe Teuerung herunter. Übersetzt heißt das: Die Wirtschaft brummt, das Zwei-Prozent-Inflationsziel wird hintangestellt, und die Zeit des Geldverschenkens neigt sich dem Ende zu. Folglich stürmte der Eurokurs nach oben - und die Aktienkurse nach unten.

Allerdings teilen nicht alle Experten die Sorgen bezüglich eines baldigen Anstiegs des Zinssatzes. "Einen raschen Schwenk im Stil der Fed, mit dem einige Marktteilnehmer Mitte des kommenden Jahres rechnen, wird es nicht geben", meint Kenneth Orchard vom US-Vermögensverwalter T. Rowe Price. Ins gleiche Horn stößt Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank: "Die an den Finanzmärkten aktuell beobachtbaren EZB-Zinsfantasien gehen zu weit. Die Währungshüter werden ihre ultra-expansive Geldpolitik nur in homöopathischen Dosierungen zurückfahren können."

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Irrt sich der Markt?



Aktuell zeigen sich zwei besondere Faktoren: Zinsfantasien aufgrund einer starken Konjunktur in Europa treffen auf schwache US-Daten, die dem Dollar noch extra zusetzen. Im Fokus der EZB steht aber eigentlich die Teuerung und nicht das Wachstum. "Solange der Inflationsdruck gering bleibt, ist davon auszugehen, dass die EZB versuchen wird, die Konjunktur vorsichtig anzukurbeln, ohne in absehbarer Zukunft die Zinsen erhöhen zu müssen", sagt Orchard. Zudem ist die Fed guter Dinge, dass das BIP 2017 um 2,2 Prozent zulegen wird, Draghi geht für die Eurozone von nur 1,9 Prozent aus. Für den Fall, dass die Wirtschaft anzieht, hat Fed-Chefin Janet Yellen bereits eine weitere Zinserhöhung angekündigt.

Fazit: Kurzfristig haben die Eurobullen zwar das Zepter übernommen, doch dürften die Zinserhöhungsfantasien schon bald wieder abklingen. Die EZB wird noch eine ganze Weile expansiv bei ihrer Geldpolitik bleiben, während in den USA die Zinserhöhungen weitergehen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Japan. Hier dreht die Notenbank den Geldhahn sogar noch weiter auf und vergrößert damit die geldpolitischen Unterschiede zu den USA. Dennoch gewann der Yen zuletzt an Wert, auch wenn diese Entwicklung wohl nicht nachhaltig sein dürfte. Der Kurs ist vielmehr aufgrund globaler politischer Risiken angesprungen. Der Yen gilt seit jeher als sicherer Hafen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Währungspaar US-Dollar/Schweizer Franken. Erst wenn Händler die Fundamentaldaten wieder auf den Tisch holen und sich das Safe-Haven-Argument abschwächt, werden sich die aktuellen Abwärtstrends umkehren.

Doch zurück zum Euro. Spannend stellt sich die Situation bei Euro und britischem Pfund dar. Das Währungspaar ist jüngst auf das höchste Niveau seit Jahresbeginn gestiegen. Auch hier zeigten Draghis Worte Wirkung. Davon abgesehen dürfte der Euro zudem aus fundamentaler Sicht weiterhin Stärke gegenüber dem Pfund beweisen. Schwierige Brexit-Verhandlungen sowie schwache Wachstumszahlen bestimmen das Bild Großbritanniens. Der jüngst von BoE-Gouverneur Mark Carney angestoßenen geldpolitischen Wende räumt der Markt kaum Chancen ein.

Anders sieht es in Tschechien aus. Hier könnten sich Spekulationen auf eine nahende Zinserhöhung bewahrheiten. Notenbankvize Mojmír Hampl signalisierte einen solchen Schritt fürs zweite Halbjahr. Seit der Mindestkurs von 27 Kronen pro Euro, der dreieinhalb Jahre bestand, im April aufgehoben wurde, verteuerte sich die Währung um 3,3 Prozent. Das hat einen guten Grund: Die tschechische Wirtschaft wächst viel dynamischer als die Eurozone. Für 2017 wird ein BIP-Plus von 2,6 Prozent erwartet. Anleger, die auf eine weitere Aufwertung spekulieren möchten, müssen aufgrund fehlender Hebelpapiere auf CFDs zurückgreifen.

Der "Czexit" erinnert an den Schweizer Franken, der vor gut zwei Jahren vom Euro abgekoppelt wurde. Seither versucht die SNB diesen kleinzureden - ohne Erfolg. Seit nahezu zwei Jahren schwankt EUR/CHF um die Marke von 1,09. Hier könnte eine Seitwärtsspekulation durchaus sinnvoll sein.

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