EZB-Chef Mario Draghi entscheidet in der neuen Woche über Wohl und Wehe an den Aktienmärkten. Zwar gilt unter Börsianern als sicher, dass der oberste europäische Währungshüter die Geldpolitik weiter lockert, um die Konjunktur anzukurbeln. "Super Mario" stehe allerdings vor dem Problem, die hochgesteckten Erwartungen der Anleger nicht zu enttäuschen. Sollte dies geschehen, drohe ein Kurssturz wie nach der EZB-Sitzung im Dezember.

"Daher werden sich die Anleger vorher sicher zurückhalten, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden", betonte Aktienstratege Heinz-Gerd Sonnenschein von der Postbank. In der abgelaufenen Handelswoche verhalfen die Hoffnungen der Anleger auf frische Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Dax zu Kursgewinnen. Er schloss am Freitag 0,7 Prozent im Plus bei 9824 Punkten.

GELINGT DER EZB DER GROSSE WURF?



"Aufgrund abnehmender Konjunkturdynamik, niedriger Inflation und festem Euro ist mit einer 'Draghi-Trilogie' der Lockerungsmaßnahmen zu rechnen", prognostizierte Frank Engels, leitender Fondsmanager der Union Investment. Er setzt auf einen Dreiklang aus Zinssenkung, Ausweitung der Wertpapierkäufe und neuen Billig-Krediten für die Geschäftsbanken. Dabei dienten die beiden letzteren Schritte dazu, die Belastungen durch die erstere Maßnahme abzufedern.

Wenn die EZB den Zins für Einlagen bei der Notenbank wie erwartet um 0,2 Prozentpunkte auf minus 0,5 Prozent senkt, müssen die Geldhäuser höhere Gebühren zahlen, um überschüssiges Geld bei der EZB zu parken. Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert kann sich auch einen gestaffelten Einlagezins vorstellen. Dabei müssten Geschäftsbanken bis zu einem bestimmten Betrag eine geringere oder gar keine Strafgebühr zahlen.

Schubert rechnet ebenfalls mit einer salomonischen Lösung im EZB-internen Streit über eine Aufstockung der monatlichen Anleihekäufe. "Wir können uns gut vorstellen, dass sich der Rat als Kompromiss für eine vorübergehende Anhebung des Kaufvolumens entscheidet - zum Beispiel um monatlich 20 Milliarden Euro für sechs Monate." Bislang pumpt die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in die Finanzmärkte, um eine drohende Deflation abzuwenden, also eine Spirale fallender Preise und rückläufiger Investitionen.

KONJUNKTURDATEN RÜCKEN IN DEN HINTERGRUND



"Die EZB-Sitzung degradiert die anstehenden Konjunkturdaten zur Randnotiz", sagte Postbank-Experte Sonnenschein. Am Montag stehen die Auftragseingänge der deutschen Industrie auf dem Terminplan. Am Tag darauf folgt die zweite Schätzung zum Wirtschaftswachstum der Euro-Zone im vierten Quartal. Enttäuschende Zahlen könnten denjenigen, die für zusätzliche Konjunkturhilfen der EZB plädieren, neue Argumente liefern. Am Donnerstag werden Inflationsdaten aus China veröffentlicht. Auch von der dortigen Notenbank erhoffen sich Börsianer neue Geldspritzen zur Ankurbelung der Konjunktur.

Aktienstratege Sonnenschein erwartet allerdings auch nach der EZB-Entscheidung am Donnerstag keine längerfristige Belebung des Handels an den Aktienbörsen. "Nach der Notenbank-Sitzung ist vor der Notenbank-Sitzung", unterstrich er. Am 15. und 16. März beraten Draghis US-Kollegen von der Fed darüber, ob sie die US-Zinsen weiter anheben. Zuletzt lieferten ermutigende Daten zunehmend Belege, dass die weltgrößte Volkswirtschaft nicht in die Rezession abrutschen wird. Die Investoren erwarteten aber keine baldige Erhöhung der Fed, sagte Marktstratege Donald Selkin vom Wertpapierhändler National Securities. Die führenden Banken der Wall Street gehen mittlerweile davon aus, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr noch zwei Mal heraufsetzen wird.

Reuters