Diagnostikschnelltests sind im zweiten Corona-Herbst unverzichtbar, damit die Menschen wieder schrittweise in den Alltag zurückkehren können. Synlab spielt hier eine Schlüsselrolle. Die Testkits der Münchner Laborkette werden in rund 700 Schulen in Deutschland, Frankreich, Portugal und der Schweiz eingesetzt. Dazu kommt Synlab als offizieller Diagnostikdienstleister für die UEFA in der Fußballsaison 2021/22 ins Spiel.
Synlab ist nicht nur Europas größte Laborkette, sondern war der erste europäische Anbieter von PCR-Testungen auf SARS-CoV-2 im industriellen Maßstab überhaupt. In der Zeit vor Corona war das Unternehmen nur Branchenkennern ein Begriff. Synlab beliefert niedergelassene Ärzte, Kliniken und die pharmazeutische Industrie mit Labor- und Diagnostikdienstleistungen. Neben der Humanmedizin verzeichnet das kleinere Geschäftsfeld Tiermedizin kontinuierliches Wachstum.
Den Wachstumsschub durch Covid-19 hat Synlab im April dieses Jahres für den Börsengang genutzt. Allerdings mit durchwachsenem Start: 22,2 statt der geplanten 27 Millionen Aktien wurden zugeteilt, der Emissionspreis lag mit 18 Euro am unteren Ende der Bookbuilding-Spanne von 18 bis 23 Euro. Den Emissionserlös von 772 Millionen Euro verwendet Synlab für den Schuldenabbau und Akquisitionen. "Wir wollen in einem nach wie vor fragmentierten Markt als Konsolidierer aktiv bleiben", gibt Vorstandschef Mathieu Floreani die Richtung vor.
Wachstumsschub dank Covid-19
Seit Juli geht es mit dem Aktienkurs nach oben. Treibende Kräfte waren der Aufstieg in den SDAX im September und vor allem die starken Halbjahreszahlen. Synlab schaffte es, den Umsatz auf rund 1,9 Milliarden Euro fast zu verdoppeln.
829 Millionen Euro stammen aus den Einnahmen mit den 14,5 Millionen PCR-Tests und 2,2 Millionen anderen Tests auf das Coronavirus. Der bereinigte operative Gewinn schnellte um mehr als das Siebenfache auf 663 Millionen Euro hoch. Unterm Strich belief sich das bereinigte Konzernergebnis auf 371,5 Millionen Euro.
Dank des Wachstumsschubs hat Synlab seit Jahresanfang seine Nettoverschuldung von 2,24 auf 1,62 Milliarden Euro heruntergefahren und den Verschuldungsfaktor auf 1,4 gesenkt - nicht zuletzt durch den Verkauf des auf Umwelttests spezialisierten Geschäftsbereichs Analytics & Services. Er ging im Januar für 550 Millionen Euro an den Genfer Warenprüfkonzern SGS. Dieser Deal bewirkte auch eine Heraufstufung der Bonitätsnote durch die Ratingagentur Fitch.
Die Jahresprognose hat Synlab angehoben: Der SDAX-Neuling peilt für 2021 ein Umsatzwachstum von bis zu einem Viertel auf 3,2 bis 3,3 Milliarden Euro an. Zuvor war von mehr als 3,0 Milliarden Euro die Rede gewesen. Das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll um mehr als ein Drittel auf mehr als 925 Millionen Euro klettern.
Der Börsengang wie auch die freien Mittelzuflüsse von 428 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021 haben die Cash-Position der Bayern kräftig verstärkt. Stand Ende Juni verfügte Synlab über ein Liquiditätspolster von 659 Millionen Euro an Barreserven und 500 Millionen Euro an bislang ungenutzten Kreditlinien.
Neue Märkte per Akquisition
Um zehn Prozent will Synlab in den nächsten Jahren im Schnitt wachsen. Davon sind drei Prozent reines organisches Wachstum. In der Regel kauft das Unternehmen pro Jahr etwa 20 bis 30 Labore hinzu. Für Übernahmen will Synlab allein 2021 mehr als 200 Millionen Euro in die Hand nehmen. Zuletzt wurden Laborfirmen in Italien, Mexiko und Kolumbien akquiriert.
Wo Synlab zukauft, beantwortet auch die spannende Frage, wie sich in Zukunft jenseits von Covid-19 Wachstum generieren lässt. Aktuell erwarten die Konsensschätzungen der Analysten, dass ein nachlassender Corona-Effekt Umsatz und Gewinn in den Geschäftsjahren 2022 und 2023 wieder schrumpfen lässt. Branchenexperten gehen allerdings davon aus, dass der Bedarf an Testkits auch nach dem Abklingen der Corona-Pandemie, wenn Covid-19 endemisch wird, hoch bleibt.
Sei es, weil Nichtgeimpfte weiterhin regelmäßig getestet werden müssen oder auch weil Ärzte bei Patienten, die unter Long-Covid-Symptomen leiden, weiter spezifische und hochpreisige Tests benötigen: "SARS-CoV-2 wird noch für viele Jahre Teil unseres Geschäfts sein", ist Synlab-Chef Floreani überzeugt. "Wir werden das Virus weiter testen müssen, um die Impfstoffe an die Varianten anpassen zu können."
Mit einem 2022er-KGV von 14,8 ist Synlab ähnlich bewertet wie Sonic Healthcare, mit 12,1 Milliarden Euro Marktkapitalisierung der größte börsennotierte Konkurrent. Der australische Konzern erzielte im Geschäftsjahr 2020/21, das am 30. Juni endete, einen Umsatz von 8,7 Milliarden US-Dollar. Bei der operativen Marge von 22,8 Prozent blieb die Gesellschaft aber hinter den zuletzt 26,8 Prozent von Synlab zurück. Spekulative Anleger nutzen den Rücksetzer zum Einstieg bei der Synlab-Aktie.
Das Wachstumspotenzial durch Covid-19-Schnelltests und geografische Expansion ist in der aktuellen Bewertung der spekulativen Aktie noch nicht eingepreist. Empfehlung: Kaufen