Als "Showman" geht Timotheus Höttges bestimmt nicht durch. Bei öffentlichen Auftritten ist der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom stets im dunklen Anzug gekleidet. Perfekt vorbereitet trägt er beispielsweise auf der Hauptversammlung Zahlen, Strategie und Ausblick des Konzerns ruhig und sachlich vor. Die Show überlässt Höttges dem Chef der Telekom-Tochter T-Mobile US, John Legere. Gerade hat der 59-Jährige per Videobotschaft die Quartalszahlen des börsennotierten Unternehmens präsentiert.

Legere hatte seine Haare lässig nach hinten gekämmt und trug neben einem magentafarbenen T-Shirt eine schwarze, mit dem T-Mobile-Logo bestickte Lederjacke. Im Stakkato-Tempo berichtete er von einem Rekordquartal. So gewann T-Mobile US von Juli bis September 1,3 Millionen neue Kunden. "Das ist das 18. Quartal in Folge, in dem wir mehr als eine Million Netto-Anwerbungen vorlegen", jubelte der Topmanager. Mit 2,8 Milliarden US-Dollar erreichte das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) einen Spitzenwert für das dritte Quartal. Überdies erhöhte der Manager im Rockstar-Outfit die Prognose.

Bei seinem Vortrag setzte Legere mehrere Seitenhiebe gegen Verizon und AT & T, die führenden Anbieter im US-Mobilfunkmarkt. Kein Wort verlor er allerdings darüber, ob T-Mobile US über die Fusion mit Sprint zu den Platzhirschen aufschließen könnte. Möglicherweise ahnte Legere bereits, dass nichts aus dem Zusammenschluss der Nummer 3 mit dem viertgrößten US-Provider wird. Mittlerweile sind die Gespräche zwischen der Telekom und dem Sprint-Großaktionär Softbank offiziell beendet. Das fusionierte Unternehmen hätte rund 130 Millionen Kunden gezählt. Analysten zufolge wären auf der Kostenseite Einsparungen von 30 Milliarden US-Dollar möglich gewesen. Angesichts dieser Zahlen überrascht die erste Enttäuschung unter den Investoren nicht: Die T-Aktie reagierte mit einem Minus von mehr als drei Prozent auf das Platzen der Mobilfunkhochzeit.

T-Aktie: Genug der Korrektur



Eine Kaufchance, da die Telekom auch mit dem Status quo gut leben kann. Schließlich ist der Ehrgeiz von John Legere, den US-Markt aufzurollen, ungebremst - T-Mobile US dürfte der Wachstumsmotor des DAX-Konzerns bleiben. Außerdem unterstreicht Tim Höttges mit dem Rückzieher seinen disziplinierten Managementstil. Derweil legt er an den Baustellen auf dem Heimatmarkt Hand an. Kürzlich machte der Vorstand mit Adel Al-Saleh einen Restrukturierungsexperten zum Chef der kriselnden Großkundensparte T-Systems. Bereits im Sommer kam es im deutschen Mobilfunk- und Festnetzgeschäft zu einer Personalrochade. Rückkehrer Dirk Wössner soll die Telekom in den Kampf gegen konkurrierende Glasfaseranbieter und TV-Kabelnetzbetreiber um möglichst viele Neukunden führen.

Aus unserer Sicht sind bei der T-Aktie die Chancen größer als die Risiken. Neben dem enormen Momentum in den USA sollte dem Konzern die starke Konjunktur in Deutschland sowie die Restrukturierungsfantasie auf dem Heimatmarkt in die Hände spielen. Für den DAX-Titel spricht zudem ein gerade im Sektorvergleich günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie die Dividendenrendite von mehr als vier Prozent. Kurzum: Der von der allgemeinen Börseneuphorie bis dato ausgenommene Large Cap ist reif für ein Comeback.



Gleiches lässt sich für weitere prominente Vertreter des europäischen Telekomsektors sagen. Aus Frankreich sendet Orange gerade ein kräftiges Lebenszeichen. Zuvor hatte der Konzern starke Zahlen für das dritte Quartal präsentiert. So gewann Orange auf dem Heimatmarkt 320 000 neuen Mobilfunkkunden - der beste Wert seit 2008. Javier Borrachero, Analyst bei Kepler Cheuvreux, hebt in einem Kommentar hervor, dass das Wachstum von Orange in ganz Europa sowie in Afrika Fahrt aufgenommen hat.

Außerdem sei das Unternehmen bei seinen Kosteneinsparungen im Plan. Laut Borrachero ist die Basis für eine nachhaltige Neubewertung des französischen Bluechips gelegt. Kepler Cheuvreux führt Orange auf der Telekom-Favoritenliste.

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Vodafone: Ausbruch nach oben



Aufhorchen lässt auch das Chartbild von Vodafone. Das zweitgrößte Telekomunternehmen der Welt hat sich gerade aus den Fängen eines kurzfristigen Abwärtstrends befreit. Investoren setzen darauf, dass Vodafone mit den am 14. November anstehenden Halbjahreszahlen den soliden Auftakt in die Geschäftsperiode 2017/18 (per 31. März) bestätigt. Von April bis Juni hatte der Konzern den Serviceumsatz um 2,2 Prozent und damit deutlich stärker, als es von Analysten im Schnitt erwartet wurde, gesteigert.

Während Vodafone vor allem außerhalb Europas zulegen konnte, entwickelten sich auf dem alten Kontinent insbesondere Spanien und Italien robust. In Deutschland bremsten den Branchengiganten dagegen die Abschaffung des EU-Roamings sowie die Kürzung von Durchleitungsentgelten aus. Immerhin: Hierzulande gewann Vodafone 84 000 neue Handykunden und damit so viele wie in keinem anderen europäischen Kernmarkt. Die UBS lobt in einer Studie die Fortschritte der Briten auf dem Gebiet des mobilen Internets und hält an ihrer Kaufempfehlung fest.

Im Vergleich zu Vodafone ist KPN ein Spezialwert. Der Telekomkonzern fokussiert sich auf den Heimatmarkt. Laut JP Morgan besetzt KPN zusammen mit dem Wettbewerber Ziggo, ein Joint Venture von Vodafone und Liberty Global, 85 Prozent des Breitbandgeschäfts in den Niederlanden. Das Duopol konnte nichts daran ändern, dass im dritten Quartal das Ende der EU-Roaming-Gebühren für einen Ebitda-Rückgang sorgte. Zwar peilt das Management für das Gesamtjahr ein stabiles operatives Ergebnis an. Aus unserer Sicht drängt sich ein Einsteig bei der relativ hoch bewerteten KPN-Aktie aber nicht auf. Sie sollte allenfalls auf der Watchlist Platz finden.



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Telekommunikation auf einen Blick



Strippenzieher: Hohe Investitionen gepaart mit einem enormen Wettbewerbsdruck - diese Gemengelage macht den Telekomunternehmen zu schaffen. Gleichwohl sollte sich für Anleger in diesem defensiven Sektor das Stockpicking bezahlt machen.