Insgesamt gesehen ist das zwar noch immer relativ wenig, doch das Segment der sogenannten ESG-Investments dürfte auf Wachstumskurs bleiben. "E" steht für Environmental, also Umweltaspekte, "S" für Social, also soziale Belange, "G" für Governance - damit sind Grundsätze in der Unternehmensführung gemeint, die sich Konzerne selbst auferlegen, etwa Transparenz gegenüber Anteilseignern oder Antikorruptionsmaßnahmen.
Ethische und nachhaltige Investments sind auch beliebt, weil aufgeklärte Investoren mithilfe des eigenen Geldbeutels versuchen können, eine Welt mehr nach ihren Werten zu formen. Zudem lassen sich durchaus ansehnliche Renditen erzielen. Eine aktuelle Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass Investoren Rendite verschenken, wenn sie ESG-Informationen nicht in ihre Anlageentscheidung einbeziehen. Trotzdem: Mit Investments in Aktien aus "sündigen" Branchen, die nicht den besten Leumund haben, ließ sich historisch betrachtet fast immer eine überdurchschnittlich hohe Performance erzielen. Die Antwort auf die Frage, was sündig und was nachhaltig ist, kann allerdings abhängig von gesellschaftlichen oder historischen Faktoren unterschiedlich ausfallen. Nicht zuletzt spielen persönliche Überzeugungen eine Rolle. Als ESG-kritisch gelten in der Regel Rüstung, Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Pornografie, Tierversuche, Korruption, systematische Lobbyarbeit, Kernenergie, Genmanipulation, Agrochemie oder ein hoher CO2-Ausstoß. Besonders gut haben sich Tabakaktien entwickelt. Laut einer Studie der Credit Suisse reichte es in den vergangenen zehn Jahren zu einem jährlichen Plus von im Schnitt 15 Prozent. Aktuell erweisen sich lasterhafte Aktien übrigens als Stabilitätsanker. Der in Deutschland nicht zum Vertrieb zugelassende Fonds USA Mutuals Barrier Investor, der das Kapital bewusst in "sündige" Branchen steckt, hat nur 1,4 Prozent verloren, was im bisher schwachen Börsenjahr 2016 eine gute Performance ist.
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Je nachdem, wie streng man ESG-Kriterien definiert, schrumpft das Anlageuniversum. "Unter Einbeziehung aller auch indirekt über Minderheitsanteile betroffenen Unternehmen sinkt das investierbare Universum um 47 Prozent gemessen an der Marktkapitalisierung der im MSCI All Countries World Index enthaltenen Aktien", rechnet Credit-Suisse-Analyst Antonios Koutsoukis vor. "Selbst wenn Unternehmen mit kritischen Umsatzanteilen von unter fünf Prozent nicht einbezogen werden, fällt das Anlageuniversum immer noch um acht Prozent kleiner aus."
Noch größer können die Folgen auf Branchenebene sein. Meidet man Unternehmen, die Stammzellenforschung betreiben oder Tierversuche durchführen, würde der investierbare Börsenwert im Gesundheitssektor um 85 Prozent sinken. Wer sich nicht zu stark einschränken will, muss also zu Kompromissen bereit sein.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie sich mit einer nachhaltig geprägten Anlagestrategie am meisten bewirken lässt. Lasterhafte Branchen wird es auch künftig geben. Investoren werden wohl am meisten erreichen, wenn sie als Anteilseigner auf ein nachhaltigeres Geschäftsgebaren drängen. Einige institutionelle Anleger sind gesetzlich verpflichtet, sich nahe am Vergleichsindex zu orientieren. Daher werden sie nicht daran vorbeikommen, in umstrittene Branchen zu investieren.
Zudem sind einige als kritisch eingestufte Branchen derzeit noch unverzichtbar, etwa der Ölsektor. Hier kann es sinnvoll sein, ein Unternehmen aus diesem Sektor mit Kapital zu unterstützen, das sich seiner Verantwortung bewusst ist und sich unter ESG-Aspekten weiterentwickelt. Der thailändische Raffineriebetreiber Thai Oil etwa bemüht sich, den Umweltschutz bei der Produktion zu verbessern, und fördert die Weiterbildung seiner Mitarbeiter.
Schritte in die richtige Richtung zählen
Anlagetechnisch ist ein derartiges Vorgehen sinnvoll. Laut der Credit-Suisse-Studie werden jene Unternehmen bei der Wertentwicklung belohnt, die Fortschritte bei der Umsetzung von ESG-Kriterien machen. Gemäß einer HSBC-Studie werden Verbesserungen im Umweltbereich häufiger belohnt als Fortschritte bei der Governance oder im sozialen Bereich. Und so wird der Anlagefaktor Nachhaltigkeit immer wichtiger. Wie der Natixis Global Institutional Investor Study zu entnehmen ist, betrachten in Deutschland 45 Prozent der Befragten Investments auf Basis ökologischer und sozialer Aspekte sowie Fragen der Corporate Governance mittlerweile als potenzielle Ertragsquellen. 51 Prozent gaben zudem an, dass ihnen die Bewertung von ESG-Kriterien dabei hilft, gravierende Risiken einzudämmen.
Aktuell gestaltet sich die Suche nach passenden Aktien schwierig, wenn man auch noch Wert legt auf eine moderate Bewertung sowie ein vielversprechendes Chartbild. Vorsichtige Anleger warten daher besser eine Marktstabilisierung ab. Investoren, die regelmäßig unter langfristigen Anlageaspekten investieren, finden in der Auswahlliste zwölf Unternehmen, die innerhalb ihrer jeweiligen Branche versuchen, auf ESG-Ebene Akzente zu setzen. Die Redaktion hat sich bei der Zusammenstellung der Liste unter anderem an Bewertungen von Vermögensverwaltern und Banken orientiert. So nimmt etwa RobecoSAM jedes Jahr 59 Industriezweige unter die Lupe und stuft die jeweiligen Unternehmen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien ein.
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Ein bunt gemischtes Dutzend
Unter den Tabakherstellern zählt der auf nachhaltiges Investieren spezialisierte Vermögensverwalter British American Tobacco zu den führenden Konzernen der Branche. Außerdem fiel die Wahl neben Thai Oil auf die australische Glücksspielfirma Tabcorp und auf den italienischen Stromversorger Terna.
Aus einer Liste mit Gesellschaften, die laut HSBC von 2008 bis 2014 ihren ESG-Score am meisten verbessert haben, sind die südkoreanische Bank KB Financial in die Favoritenliste gerutscht, der dänische Bierbrauer Carlsberg und der japanische Reifenhersteller Bridgestone.
Aus dem MSCI World ESG Index haben es zudem die Internet-Holding Alphabet und der Pharmakonzern Johnson & Johnson in die Auswahl geschafft. Drei Mitglieder des Stoxx Global ESG Leaders Index runden die Empfehlungen ab: Der japanische Telekomkonzern NTT Docomo, die finnische Einzelhandelskette Kesko und der italienische Gas-Fernleitungsnetzbetreiber Snam.