Sicher ist es nicht so, dass Teamviewer-­CEO Oliver Steil beim Stichwort Coronavirus an etwas Positives denkt. Und doch kann es sein, dass sich das Virus ganz nüchtern betrachtet auf die Geschäfte der Schwaben positiv auswirkt. Mit der Software der Göppinger lässt sich so ziemlich alles aus der Ferne warten, was ein Betriebssystem ausmacht. Und so könnten viele Mitarbeiter auch von zu Hause aus arbeiten. Zudem könnten sich Unternehmen teure Auslandsreisen sparen, Ausfallzeiten von Maschinen ließen sich verringern oder Wartungskosten reduzieren.

Einsatzgebiete sind fast unendlich


Neben dem klassischen Geschäft der Desktop-Fernwartung über stationäre und mobile Endgeräte steht vor allem auch das Internet der Dinge im Fokus. So geht bei großen Landwirtschaftsbetrieben ohne Informationstechnologie kaum noch was. Ob Wetterlage, Schädlingsbefall oder die Planung des Flottenmanagements - Landwirte werden unterwegs mit Echtdaten unterstützt. Mit der Software lassen sich Schneekanonen bedienen oder Windräder steuern. Industrie­roboter liefern Daten und melden Alarm, wenn Grenzwerte erreicht werden.

Das Charmante am Geschäftsmodell: Es lässt sich beliebig skalieren. Grundsätzlich ist für Privatanwender eine Lizenz kostenlos, nutzen Unternehmen die Software, ist sie kostenpflichtig. Mehr als zwei Milliarden Kunden haben sich die Software bereits heruntergeladen.

Teamviewer profitiert von zwei Megatrends: von der Digitalisierung und einer Arbeitswelt, die immer dezentraler wird. Die Wachstumsraten sind hoch. Im abgelaufenen Geschäftsjahr legten die sogenannten Billings um 41 Prozent auf 325 Millionen Euro zu. Dabei handelt es sich um Rechnungen, die das Unternehmen in einem abgegrenzten Zeitraum stellt und bezahlt bekommt. In diesem Jahr sollen ihre gesamten Beträge zwischen 430 und 440 Millionen Euro liegen. Dennoch knickte der Kurs nach Bekanntgabe der Zahlen und des Ausblicks für 2020 ein. Erste Investoren nahmen Gewinne mit, sie versprachen sich eine etwas höhere Prognose. Positiv ist, dass Teamviewer bislang sämtliche Versprechen einhielt. Gut möglich, dass die Schwaben eher konservativer planen, um dann positiv zu überraschen. Gewillt sind sie auch, ihre hohen Verbindlichkeiten abzubauen. Aktuell liegt die Nettoverschuldung noch bei 546 Millionen Euro. Im Laufe des Jahres soll sie sich deutlich reduzieren. Da Teamviewer einen hohen freien Cashflow erzielt - 2019 mehr als 170 Millionen Euro vor Steuern - sollte das möglich sein.

Dabei wichtig: Der Abonnentenstamm zahlender Kunden wird immer größer: Im vergangenen Jahr legte ihre Zahl um 71 Prozent auf 464 000 zu. Das sollte sich im laufenden Geschäftsjahr so fortsetzen. Mit dem Aufstieg in den MDAX ist das Unternehmen zudem stärker in den Fokus gerückt. Manko ist die hohe Bewertung und der Ablauf der Lock-up-Periode Ende März. Großaktionär Permira hat bereits zum Börsengang Kasse gemacht und insgesamt mehr als 2,2 Milliarden Euro eingestrichen. Immer noch hält der Finanz­investor rund 60 Prozent der Anteile. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Stücke auf den Markt kommen. Mittelfristig ist Teamviewer trotz der hohen Bewertung ein Kauf.

Teamviewer-Chef Oliver Steil im Interview: "Haben geliefert und wollen das beibehalten"


Teamviewer-CEO Oliver Steil im Interview über Wachstum, den Wettbewerb und seinen alten Arbeitgeber, den Großaktionär Permira, der immer noch den Großteil der Aktien hält.


BÖRSE ONLINE: Nach Bekanntgabe der Zahlen für das Schlussquartal und des Ausblicks für 2020 knickte der Aktienkurs ein. Was waren die Gründe?
Oliver Steil: Das kann ich nur vermuten. Letztlich haben wir genau das erfüllt, was wir für das abgelaufene Geschäftsjahr prognostiziert hatten, und auch der Ausblick für das Jahr 2020 bleibt unverändert. Vielleicht hat der eine oder andere Investor gedacht, dass wir eine Schippe oben drauf legen.

Vielleicht liegt der Grund für die Zurück­haltung auch an der noch hohen Nettoverschuldung von knapp 550 Millionen Euro?
Das glaube ich nicht. Denn aufgrund unseres effizienten Geschäftsmodells erwirtschafteten wir im Jahr 2019 einen freien Cashflow in Höhe von 172 Millionen Euro. Bereits im vergangenen Geschäftsjahr konnten wir die Nettoverschuldung auf das Dreifache des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen senken. Zum Ende des aktuellen Geschäftsjahres soll dieser Wert unter das Zweifache fallen.

Wie wird sich das Wachstum in den kommenden Jahren entwickeln?
Wir wollen 2020 bei den Billings, also den fakturierten Umsätzen, um rund 35 Prozent wachsen und die Jahre darauf um mehr als 30 Prozent zulegen. Unsere Prognosen sind sehr realistisch. Uns ist es wichtig, unsere Pläne zu erreichen und keine Fantasiezahlen in den Markt zu geben. Wir haben bisher zuverlässig geliefert und das wollen wir auch in Zukunft beibehalten.

Ende März läuft die Lock-up-Periode aus, dann können Altaktionäre Papiere verkaufen. Permira hält noch rund 60 Prozent der Anteile. Bleibt der Investor an Bord?
Permira hat sich in der Vergangenheit als verantwortungsbewusster und langfristig orientierter Aktionär gezeigt, der ein ernstes Interesse an Teamviewer hat. Sie sind der Meinung, dass sich das Unternehmen fundamental gut entwickelt, und haben sicher Interesse, weiterhin daran zu partizipieren.

Die meisten nutzen Ihre Software kostenlos, wird sich das ändern?
Unsere Software wurde auf mehr als zwei Milliarden Geräten installiert. Zahlende Kunden haben wir aktuell etwas mehr als 460 000. Dieses Modell wollen wir beibehalten. Nicht jeder nutzt die Software so häufig, dass er dafür bezahlen würde. Und wir nutzen den freien Zugang als Marketingtool, um auf das Produkt aufmerksam zu machen. Es ist eine Investition in Erfahrung und Markenbekanntheit.

Viel versprechen Sie sich von Ihrer Enter­prise-Lösung für große Unternehmen. Welche Pläne haben Sie?
Ziel ist es, die Konnektivität in Großunternehmen zu erleichtern, indem die Teamviewer-­­Software dort flächendeckend eingesetzt wird. Ein wesentlicher Unterschied zur bisherigen Lösung ist, dass festgelegt werden kann, wer sich mit wem verbinden darf. Dadurch ist die Nachfrage deutlich gestiegen.

Wie groß soll das Geschäft werden?
Das ist schwer zu quantifizieren, es wird jedoch ein signifikanter Teil des Umsatzes sein.

Warum setzen Firmen auf Ihre Software?
Wir fokussieren uns auf die Schnittstelle zwischen der IT und dem operativen Bereich. Hier liegen wir relativ weit vorne. Andere Softwareunternehmen bauen entweder große IT-Plattformen oder sie beschränken sich auf die Büroumgebung. Wir verbinden diese Welten und arbeiten bereits seit 15 Jahren daran, die Software besser zu machen.

Der Erfolg lockt immer auch Nachahmer mit tiefen Taschen.
Die Schwierigkeit, uns zu kopieren, liegt darin, dass wir alle möglichen Geräte mit den unterschiedlichsten Betriebssystemen, auch außerhalb der Büros, verbinden können. Das sind Windkraftanlagen, Maschinen, Server, Roboter, Wetterstationen oder digitale Werbetafeln. Überall dort, wo es ein Betriebssystem gibt, können wir per Fernwartung zugreifen.