von Patrick Kolb, Portfoliomanager globale Aktien bei Credit Suisse

Computer sind schlau geworden: Bereits heute können sie lesen, zuhören, sprechen, schreiben und Bilder identifizieren. Schreitet die Entwicklung weiter so voran, wird der künstlichen Intelligenz der Schritt aus den Forschungslaboren in die wirkliche Welt gelingen. Doch was ist künstliche Intelligenz eigentlich? Forscher definieren sie so, dass sich Maschinen mit Problemen beschäftigen, von denen man bisher annahm, dass nur das menschliche Gehirn sie lösen könnte. Ein wichtiger Teilbereich ist das maschinelle Lernen. Dabei erkennen Algorithmen Muster in Daten und können durch die Verarbeitung großer Datenmengen Vorhersagen treffen. Eine Unterdisziplin ist "Deep Learning". Hierbei versucht eine Software, Prozesse im menschlichen Gehirn nachzuahmen, um schneller zu "lernen". Diese Methode könnte Unternehmen dabei helfen, verbesserte Rückschlüsse im Hinblick auf ihre Kunden zu ziehen.

Den Unternehmen ist die Bedeutung der künstlichen Intelligenz bewusst. Das zeigt die stark gestiegene Zahl von Start-up-Firmen in diesem Bereich, die in den vergangenen Jahren von den etablierten Technologiekonzernen übernommen wurden. Der Suchmaschinengigant Google war in dieser Hinsicht besonders aktiv und erwarb eine Reihe von Unternehmen, die sich mit Deep Learning, Bild- und Spracherkennung sowie neuronalen Netzen beschäftigen. Unserer Meinung nach steht die künstliche Intelligenz am Anfang einer Phase rasanter Wachstumsbeschleunigung. Dazu tragen auch Verbesserungen bei Sensoren oder Kameras bei. Diese haben zu stärker vernetzten Geräten geführt, wodurch deutlich mehr Daten zur Analyse zur Verfügung stehen.

Ähnlich wie die Digitalfotografie die chemiebasierte Fotografie abgelöst hat, können digitale Technologien disruptive Veränderungen bewirken. Zudem haben sie das Potenzial, das allgemeine Kostenniveau der Wirtschaft zu senken. Beispiel Internetsuchmaschinen: Was die verwendeten Algorithmen so leistungsstark macht, ist ihre Fähigkeit, von Millionen von Benutzern zu lernen. Von Menschen, die jeden Tag nach Ergebnissen suchen, sich durch diese hindurchklicken oder sie ignorieren. Hieraus lernt die Software, bessere Ergebnisse zu liefern. Unseres Erachtens kann ein solcher Daten-Algorithmus auch anders eingesetzt werden. Wenn es nämlich darum geht, die Entscheidungsfindung in einem informationsorientierten Geschäftsmodell kontinuierlich zu verfeinern und auf diese Weise Kosten zu sparen.

Auf Seite 2: Verwendung künstlicher Intelligenz



Aktuell werden Technologien, die auf künstlicher Intelligenz basieren, vorwiegend in datenlastigen Sektoren eingesetzt. Dem Onlinehandel, aber auch Medienkonzernen mit Internetauftritt sollen die Algorithmen helfen, dem Kunden individuellere Angebote zu unterbreiten oder den Nutzer stärker zu binden. Ein weiteres interessantes Beispiel für die Anwendung künstlicher Intelligenz sind digitale Assistenten bei Smartphones, deren Nutzen über das bloße Abliefern von Suchergebnissen hinausgeht. Bildlich gesprochen ist dies wie der Unterschied zwischen der Suche nach der Wettervorhersage auf einem Smartphone und der präemptiven Empfehlung für Benutzer, einen Regenschirm mitzunehmen. Es ist vorstellbar, dass diese Geräte bald Fragen beantworten, bevor sie überhaupt gestellt wurden.

Künstliche Intelligenz könnte uns allen enorme Vorteile bringen, jedoch auch Arbeitsabläufe und berufliche Anforderungen verändern. In einem Teil der heutigen Berufskategorien dürften Arbeitsplätze automatisiert werden, wie etwa in der Buchhaltung. Als Konsequenz kann es künftig also wichtiger werden, mehr Arbeitnehmer in hochqualifizierten Bereichen mit attraktiver Wertschöpfung wie zum Beispiel Naturwissenschaften, Ingenieurwesen oder in kreativen Bereichen wie der Produktentwicklung zu fördern und auszubilden. Auch Anleger können von der Entwicklung zur künstlichen Intelligenz profitieren. Unserer Meinung nach führt sie zu einer Revolutionierung von Unternehmensabläufen, Effizienzsteigerungen und höherer Profitabilität.

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Patrick Kolb

Nachdem er 2001 das Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Finance an der Universität Zürich abgeschlossen hatte, arbeitete Patrick Kolb am dortigen Swiss Banking Institute als Doktorand und Assistent. 2005 erfolgte seine Promotion und er stieg bei der Credit Suisse als Portfoliomanager im Bereich weltweite Aktien ein. Aktuell managt er den Aktienfonds CS Sicav (One) Equity Global Security.