Der ehrgeizige Milliardär versucht seit Monaten mit aller Kraft, das Produktionsziel zu erreichen und legt dazu auch selbst Hand an. Er übernachtete zeitweise sogar in der Fabrik, um Schwachstellen in der automatisierten Produktion zu beheben. Als das nicht reichte, die "Produktionshölle", wie er es selbst nannte, zu beseitigen, ließ er auf einem Parkplatz neben dem Werk in Fremont ein zwei Fußballfelder großes Zelt für eine neue Montagelinie errichten. "Ein neues Gebäude war unmöglich und so bauten wir in zwei Wochen ein riesiges Zelt", begründete der 47-Jährige den Bau via Twitter.
Analysten bezweifeln jedoch, ob das reicht, um dauerhaft 5000 Autos pro Woche zu produzieren. "Musk nähert sich dem Ziel an - mit viel Aufwand und Wirbel, wie bei Tesla üblich - aber ich glaube nicht, dass er es in absehbarer Zeit schafft", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Erst Anfang Juni hatte Musk erklärt, zurzeit liefen 3500 Fahrzeuge pro Woche vom Band. Im April waren es zunächst nur 2270 Wagen gewesen.
Autoanalyst Pieper verweist darauf, dass zahlreiche Manager das Unternehmen verlassen hätten und Tesla das Unternehmen damit noch stärker von Musk abhänge. Der genieße immer noch hohes Ansehen bei Investoren. Die Geldgeber könnten allerdings die Geduld verlieren, sollte Tesla sein Produktionsziel abermals verpassen.
Hinzu kommt, dass der rastlose Visionär sein Geld in zahlreiche Neuentwicklung gesteckt hat, die er alle unter einen Hut bringen muss. Musk ist unter anderem Gründer des Raumfahrtunternehmens SpaceX und will Reisen zum Mars möglich machen. In einer offenbar als Werbegag gedachten Aktion schoss er unlängst einen roten Tesla mit einer Rakete ins All. Um den Verkehr auf der Erde zu revolutionieren, lässt Musk zudem eine für den Hochgeschwindigkeits-Transport von Passagieren zugeschnittene Rohrpost in Vakuumröhren (Hyperloop) erproben.
Dass er selbst dabei noch nicht an die Grenzen physischer Belastung gekommen ist, wundert manchen Beobachter. Doch Musk ist von seinem Weg überzeugt und schickt selbst zu nächtlicher Zeit über Twitter Botschaften an Mitarbeiter oder beschwert sich über Kritik von Journalisten an seinem Führungsstil. Die Skepsis bei Investoren nimmt allerdings zu. "Bei der Organisation und Ausführung scheint er nicht so gut zu sein wie andere große Führungskräfte", zitierte das "Wall Street Journal" James Anderson, der die Tesla-Beteiligung von Baillie Gifford managt, dem drittgrößten institutionellen Anteilseigner des Autobauers.
AN EINEM WENDEPUNKT
Tesla befindet sich nach Meinung von Experten an einem entscheidenden Punkt. Denn vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich das Unternehmen mit rund 40.000 Beschäftigten von einem unrentablen Nischenplayer zu einem profitablen Automobilhersteller wandeln kann. An der Börse ist Tesla mit 58 Milliarden Dollar inzwischen mehr wert als der größte US-Autobauer General Motors (56 Milliarden Dollar). Daimler liegt mit 69 Milliarden Dollar in Reichweite.
Musk profitiert von der Hoffnung seiner Geldgeber, dass Tesla der Durchbruch zu einem Massenhersteller gelingt. Dabei spielt für sie weniger eine Rolle, dass das Unternehmen nach wie vor tiefrote Zahlen schreibt. Das könnte sich nach Piepers Meinung ändern, wenn Tesla nicht liefert. "Es gibt auf Dauer kein Unternehmen, das sich gegen seine Fundamentaldaten behaupten kann." Dazu kommt, dass die deutschen Traditionsautobauer Audi, Daimler oder BMW dem visionären Elektroautobauer auf die Pelle rücken. "Schon im nächsten Jahr werden einige neue Elektromodelle vorgestellt, die vermutlich in manchen Dingen dem Tesla überlegen sein werden", glaubt Pieper. "Damit würde für Tesla die paradiesische Zeit, als Elektroautobauer auf weiter Flur alleine zu sein, zuende gehen."