So ganz kann Musk immer noch nicht an sich halten, wenn es um seine Firma geht. Zuletzt machte er wegen der Corona-Auflagen am Sitz der Tesla-Stammfabrik Fremont seinem Ärger Luft. Die Auflagen seien "faschistisch", tönte er Ende April, und drohte später, die Produktion mit 10 000 Mitarbeitern kurzerhand in einen anderen Bundesstaat zu verlegen, wenn Tesla in Kalifornien nicht besser behandelt werde. Die Firmenzentrale und Zukunftsprojekte sollen auf jeden Fall in einem anderen Bundesstaat angesiedelt werden.
Und auch die Investoren müssen weiter auf der Hut sein, was Musk so twittert: Als er Anfang Mai kundtat, der Aktienkurs von Tesla sei zu hoch, kostete das gleich mehrere Milliarden Dollar an Börsenwert. Ob ihn das nicht auch darüber hinaus noch teuer zu stehen kommt, ist abzuwarten. Mit der US-Börsenaufsicht hatten Musk und Tesla sich eigentlich darauf geeinigt, dass sensible Tweets des Chefs vorher vom Unternehmen abzusegnen seien - was er eigenen Angaben zufolge in diesem Fall nicht tat.
Die Produktion läuft mittlerweile wieder, wenn auch zunächst gegen die eigentlich geltenden Vorschriften. Rückendeckung für dieses ruppige Vorgehen bekam Musk von US-Präsident Donald Trump, der ohnehin ständig mit dem liberalen und zumeist mehrheitlich demokratisch wählenden Westküstenstaat im Clinch liegt.
Musk will sich den besseren Lauf im Tagesgeschäft der vergangenen Quartale auch vom Coronavirus nicht gänzlich zunichte machen lassen. Für Tesla ist die Fabrik in Fremont von größter Bedeutung: Dort werden die mit Abstand meisten Fahrzeuge gebaut, während die Produktion in dem neuen zweiten Werk in China erst am Anfang steht. Der Hersteller schaffte es erst vor kurzem, nach einer langen Serie hoher Verluste stabil in die schwarzen Zahlen zu kommen und wollte in diesem Jahr die Marke von 500 000 Auslieferungen knacken. Zuletzt feierte das Unternehmen mit dem dritten Quartalsgewinn in Folge seine bislang längste Strecke der Profitabilität seit Gründung im Jahr 2003.
Zwischen Januar und März machte sich die Pandemie noch nicht schmerzlich in den Geschäftszahlen bemerkbar. Trotz der Belastungen lieferte Tesla knapp 88 500 Autos an die Kundschaft aus, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Produziert wurden mehr als 100 000 Fahrzeuge. Der Großteil entfiel auf das Model 3, mit dem Tesla sich im Massenmarkt etablieren will. Im laufenden Quartal soll die Fertigung des Kompakt-SUV Model Y forciert werden.
Bei seinem ersten europäischen Werk in Grünheide bei Berlin, wo 2021 die ersten Model Y vom Band laufen sollen, sieht Tesla sich weiter im Plan. Finanzielle Probleme hat der Konzern in der Corona-Krise nicht - nach einer Kapitalerhöhung im Februar beendete Tesla das Quartal mit 8,1 Milliarden Dollar an Barreserven.
Doch die Aussichten sind auch für Tesla nicht gerade rosig. Einen Ausblick auf das gesamte Jahr spart sich Musk. Im Brief an die Aktionäre betonte Tesla, dass die Corona-Krise für große Ungewissheit sorge. "Es ist schwer vorherzusagen, wann die Fahrzeugproduktion und die globale Lieferkette wieder zu ihren vorherigen Niveaus zurückkehren werden", hieß es im Geschäftsbericht. Zuverlässige Prognosen zu Gewinn und Entwicklung liquider Mittel (Cashflow) seien deshalb derzeit nicht möglich.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Mark Delaney von der US-Investmentbank Goldman Sachs hob sein Kursziel nach den jüngsten Quartalszahlen von 864 auf 925 US-Dollar an und blieb bei seiner Kaufempfehlung. Das Zahlenwerk hinterlasse den Eindruck mittel- bis langfristig starker Margen, schrieb er. Das dürfte sich auch im Gewinn des Herstellers positiv niederschlagen.
Generell sind die Analysten bei der Aktie wegen des starken Kursanstiegs in diesem Jahr aber vorsichtiger. Von den 36 bei Bloomberg erfassten Analysten raten nur 9 zum Kauf. 13 Experten empfehlen das Abwarten, 14 würden das Papier eher abstoßen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 619 Dollar und damit rund 200 Dollar unter dem aktuellen Niveau.
Die Kursziele reichen von 1100 bis 70 Dollar. Mit 240 Dollar schon auffällig niedrig ist die namhafte Großbank JPMorgan ebenfalls eher skeptisch. Der Elektroauto-Hersteller habe die Erwartungen mit den Quartalszahlen zwar kräftig übertrumpft, schrieb Analyst Ryan Brinkman. Die bereinigten Resultate seien aber deutlich näher an dem, was erwartet worden war.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Tesla-Aktie hat allein in den vergangenen Monaten eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich. Im Dezember erst stieg das Papier erstmals über den Kurs von 400 US-Dollar - doch damit war noch lange nicht Schluss. Rasant ging es bis zum 4. Februar hinauf bis zum Rekordhoch von 968,99 Dollar.
Am 21. Februar, dem letzten Börsentag bevor die Corona-Krise die Märkte mit voller Wucht erwischte, schloss der Aktienkurs bei 901 Dollar. Und fiel dann bis zum 18. März wie ein Stein auf fast 350 Dollar. Mittlerweile hat sich die Aktie wieder kräftig erholt und notiert bei knapp 828 Dollar.
Anleger werden bei Tesla also gut durchgeschüttelt. Und das auch in sehr kurzer Frist. In den beiden Handelstagen nach Vorlage der Quartalszahlen und Musks Tweet, der Aktienkurs sei seiner Ansicht nach zu hoch (30. April und 1. Mai), pendelte der Kurs zwischen fast 870 und 683 Dollar.
Was die hohen Kurse eigentlich bedeuten, wird erst im Kontext anderer Autobauer so richtig deutlich. Tesla ist derzeit an der Börse mit 153,5 Milliarden Dollar (140 Mrd Euro) mehr wert als die drei deutschen Autokonzerne Volkswagen (68,4 Mrd Euro), Daimler (33,6 Mrd Euro) und BMW (32,3 Mrd Euro) zusammen.
Die US-Autokonzerne General Motors, Ford und Fiat Chrysler steckt Tesla gleich mehr als doppelt weg. Bleibt nur noch ein Rivale auf dem Weg zum teuersten Autokonzern der Welt zu knacken: Toyota wird mit 20,5 Billionen Yen derzeit mit rund 174 Milliarden Euro bewertet.
Musk kann es wohl verschmerzen, wenn er sich mit seinen Tweets auch oft selbst finanziell nicht gerade etwas Gutes tut: Laut Bloomberg liegt sein Anteil bei knapp 18,4 Prozent und ist damit gut 28 Milliarden Dollar wert.
dpa-AFX