Tesla hat die Preise für seine Modelle zuletzt stark gesenkt, um die Nachfrage anzukurbeln. Die Konkurrenz zieht nach und will das Musk-Unternehmen an der Spitze attackieren. Von Florian Hielscher
Elon Musk will immer mehr. Kurz nachdem sein Konzern die Zahlen zum abgelaufenen Quartal sowie einen Ausblick auf das laufende Jahr präsentiert hatte, legte der exzentrische Tesla-Chef noch einen drauf: Sein Unternehmen könne in diesem Jahr bis zu zwei Millionen-Autos verkaufen, kündigte Musk an. Tesla hatte zuvor rund 1,8 Millionen Fahrzeuge für 2023 in Aussicht gestellt, nach 1,37 Millionen im Vorjahr.
Ein Grund für Musks Optimismus sind vor allem die Preisnachlässe, die er seinen Kunden momentan gewährt. So senkte Tesla die Preise zunächst im wichtigsten Automarkt China und dann in weiteren Regionen zuletzt deutlich. Die Basisversion des Modell 3 ist in Deutschland nun rund zwölf Prozent günstiger zu haben als zum Ende des Vorjahres. Die Limousine liegt damit jetzt preislich zum Beispiel in der Region eines Volkswagen ID.3.
Dabei bringt der Strategieschwenk hin zu höheren Stückzahlen bei niedrigeren Preisen nicht nur Vorteile mit sich: „Tesla kann sich zwar von seinen Margen her Dumping erlauben, aber der Wert der Marke büßt damit ein“, wertet Ferdinand Dudenhöffer, Experte beim Center Automotive Research (CAR). Bei Besitzern von Tesla-Fahrzeugen wuchs zuletzt der Unmut. Sie haben vormals mehr bezahlt, ihre Autos sind nun weniger wert. Dudenhöffer sieht durch den Preiskampf die Gefahr einer Teufelsspirale. Die gesenkten Preise für Neuwagen schmälerten die Restwerte von Leasingfahrzeugen, wodurch Tesla oder die Leasinggesellschaften zu Sonderabschreibungen gezwungen seien. Preissenkungen betrachtet der Experte als bilanzielle Risiken für die Zukunft. Leasingfirmen würden künftig wegen der Gefahr von Preisnachlässen Absicherungen oder höhere Rabatte einfordern.
Wettbewerber reagieren
Mit den Rabatten setzt Tesla die Wettbewerber unter Druck, die Preise für ihre Elektrofahrzeuge ebenfalls zu reduzieren. Neben chinesischen Konkurrenten passte zuletzt US-Autobauer Ford die Preise für Modelle wie den Mustang Mach-E an. Man wolle auf dem Markt wettbewerbsfähig bleiben, teilte das Unternehmen mit. Der Spielraum ist bei vielen Autobauern begrenzt: Die meisten schrieben nach Ansicht von -Dudenhöffer mit batterieelektrischen Fahrzeugen eher Verluste. Im besten Fall stünden hauchdünne Gewinne.
Für Kunden sind die geringeren Anschaffungskosten zwar positiv, jedoch sind sie nach Ansicht des Experten kein gutes Zeichen für die Entwicklung der Branche: „Es entsteht eine Art Monopolisierung, und das wird langfristig das Marktwachstum eher bremsen.“
Dennoch rechnen Branchenkenner auch künftig mit Rabatten. „Die Preise werden in Europa sinken und einige werden überlegen, wie stark sie mit in den Dumping-Wettbewerb einsteigen“, prophezeit Dudenhöffer.
Einer davon ist Oliver Blume. Der Volkswagen-Chef kündigte jüngst an, man werde sich keinen Preiskampf mit Tesla liefern und auf die gesenkten Preise der US-Amerikaner entsprechend nicht mit Nachlässen für die -eigenen Elektrofahrzeuge reagieren. „Wir haben eine klare Preisstrategie und setzen dabei auf Verlässlichkeit. Wir vertrauen auf die Stärke unserer Produkte und Marken“, sagte Blume.
Konkurrenz aus Fernost
Dass Tesla die Nachfrage nach seinen Fahrzeugen ankurbeln muss, liegt auch an der eingebüßten Führungsrolle. Experten sehen die Firma nicht mehr als klaren Innovator. Vielmehr hätten chinesische Konkurrenten wie BYD, Nio oder auch Börsenkandidat Zeekr mindestens aufgeholt, lägen bei Software und zum Teil bei Batterietechnik sogar vorn. Musk hat die Gefahr aus Fernost längst realisiert: Er glaubt ebenfalls, der größte Tesla-Konkurrent werde ausdem Reich der Mitte kommen.
Als solcher käme vor allem BYD in Frage. Das Unternehmen verkaufte 2022 bereits mehr Fahrzeuge als Tesla, darunter aber auch Hybride. Bei reinen E-Autos hat Musk mit Tesla noch die Nase vorn. Große Stärke von BYD, an dem auch Warren Buffett mit seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway beteiligt ist, sind die eigene Batterieproduktion sowie die breite Produktpalette. Neben Fahrzeugen in verschiedensten Größen und Preisklassen bieten die Chinesen auch Lkw und Busse. Der Konzern aus Shenzhen kommt mit seinen Produkten auch nach Europa.
In der chinesischen Heimat rollt ein weiterer Tesla-Herausforderer heran. Das 2014 gegründete Start-up Nio fokussiert sich bisher vor allem auf das Premiumsegment. Bei seinen Fahrzeugen setzt das Unternehmen auch auf wechselbare Akkus. Dadurch entfällt ein längeres Aufladen. Nio bietet aber auch Ladelösungen für zu Hause an. Inwieweit das Start-up den Preiskampf der Konkurrenz mitgehen kann, ist fraglich — bisher ist Nio noch nicht profitabel.
Nachfrage hoch, Gewinne runter
Auch weil Autobauer zuletzt mit Rabatten arbeiteten, bleibt das Interesse an Elektroautos hoch: Daten des Kraftfahrt-Bundesamts für 2022 zeigen, dass der Anteil von reinen E-Autos an den Neuzulassungen steigt. 2021 lag ihr Anteil in Deutschland bei 13,6 Prozent, 2022 bereits bei 17,7 Prozent. Die Zahlen werden langfristig zulegen: Ab 2035 sollen nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in der EU neu zugelassen werden.
Die gegenwärtige Rabattschlacht drückt jedoch erst mal aufs Ergebnis: Im vierten Quartal erzielte Tesla in seinem Automobilbereich eine Bruttomarge von 25,6 Prozent, ein Jahr zuvor lag diese noch jenseits der 30 Prozent.
Spannend wird, inwieweit Investoren die neue Strategie, hohe Absatzzahlen zulasten der Gewinne zu erreichen, tolerieren. Die Aktien von Tesla oder BYD werden bereits mit vergleichsweise hohen Gewinnvielfachen gehandelt. Anhaltende Preissenkungen und nachlassende Profite könnten die Bewertung weiter erhöhen oder die Aktienkurse drücken. Es gibt jedoch auch gegenläufige Wirkungen durch die Skaleneffekte, denn durch die höhere Produktion senken die Autobauer ihre Stückkosten.
Dies dürfte auch Investoren gefallen. Vor allem Tesla verfügt hier über Vorteile. Das Unternehmen legt Fixkosten besonders effektiv auf einzelne Fahrzeuge um, weil in der Produktion mehrere Schritte gebündelt werden. Die Amerikaner gelten als führend in der Produktionseffizienz — und somit in guter Position, den Preiskrieg auszurufen. BYD ist aber eine ernsthafte Konkurrenz. Letztendlich bleibt das Ziel, die Größenvorteile möglichst zu maximieren, vermutet Dudenhöffer. Das würden Anleger honorieren. Bis dahin liegt der Fokus auf dem Gewinn von Marktanteilen. Nach Ansicht von Dudenhöffer läuft Teslajedoch Gefahr, im Elektrozeitalter mehr ein Massenproduzent wie Toyota zu werden als ein Premiumanbieter wie Porsche oder BMW. Dies hätte wohl spürbare Auswirkung auf die Bewertung an der Börse. Musk jedoch bleibt optimistisch: Die hohe Marge erlaubt es ihm derzeit, den Kampf um Preise und Stückzahlen zu diktieren.