Die Preise für Häuser und Wohnungen steigen trotz höherer Zinsen weiter an. Immobilienaktien hingegen fallen und fallen. Weil das nicht zusammenpasst, wittern Langfristinvestoren eine historische Kaufchance. Fünf lukrative Investments. Von Jörg Lang
Die Entwertung des Geldes sorgt bei Anlegern für Sorgenfalten. Auf der Suche nach einem sicheren Platz für das Ersparte landen viele bei Immobilien. Die Preise für Häuser und Wohnungen sind laut einer Aufstellung von Statista auch im ersten Halbjahr 2022 gestiegen. Viele Beobachter, darunter auch die Volkswirte der Bundesbank, sprechen von einer Immobilienblase und warnen davor, dass sie platzen könnte. Nachvollziehbar.
Weil Zentralbanken die Preisstabilität erhalten wollen, heben sie die Zinsen an. Damit steigt der Diskontierungsfaktor bei der Immobilienbewertung an, die Barwerte sinken. Zudem besteht die Gefahr - und das ist die Sorge der Bundesbanker -, dass knapp kalkulierte Immobilienfinanzierungen platzen, weil die höheren Zinsen nicht mehr gezahlt werden können. Solche Effekte sorgten etwa in den USA 2008 für eine Finanzkrise und die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers.
Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Denn die Inflation wirkt auch wertsteigernd. Im Moment ist klar erkennbar, dass die Preise für Bauleistungen steigen. Ein bestehendes Objekt kann theoretisch nur zu höheren Kosten reproduziert werden. Das stabilisiert zumindest den Wert von Bestandsimmobilien. Zudem reduziert sich die Bautätigkeit durch die höheren Preise. Mit Blick auf die Preisentwicklung scheint das Verknappungsargument die Oberhand zu gewinnen. Interessanterweise gilt das nicht für Immobilienaktien. Der Branchenindex DAX Real Estate etwa verlor in den vergangenen zwölf Monaten über 40 Prozent. Im längerfristigen Vergleich - etwa auf Sicht von fünf Jahren - liegt der Index aktuell minimal über der Nulllinie, während die Immobilienpreise stark gestiegen sind.
Drei günstige Wohnungsaktien
In dieser Baisse wurden auch solide finanzierte Immobilienfirmen abgestraft. Die Aktien bieten hohe Abschläge zum Bilanz- und Marktwert der Liegenschaften. Bei LEG Immobilien etwa liegt der innere Wert des Portfolios bei rund 140 Euro pro Aktie, fast 80 Prozent über dem aktuellen Kurs. LEG besitzt 146 000 Liegenschaften vor allem in Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen ist sehr solide finanziert. Die Zinsbelastung ist niedrig, die Verschuldungsquote liegt bei 42 Prozent. Nach Phasen des starken Wachstums hat das Management die Strategie geändert. Neukäufe werden zurückgestellt, es sollen sogar Liegenschaften verkauft werden. Damit entsteht eine interessante Konstellation. Verkauft LEG Immobilien zum aktuellen hohen Marktwert und kauft eigene Aktien zurück, steigt der innere Wert pro Anteilschein deutlich an. Anleger erhalten dadurch mehr Substanz pro Aktie und kommen so früher oder später auf ihre Kosten. Die Dividendenrendite liegt bei etwa fünf Prozent. Das ist mehr, als die meisten Immobilieninvestoren an Mietrendite herausholen.
Im vergangenen Jahr wurde Deutsche Wohnen von Vonovia übernommen. Der Marktführer zahlte dafür 53 Euro pro Aktie, erhielt aber die Börsennotierung aufrecht. Mittlerweile hat sich der Kurs von Deutsche Wohnen halbiert. Das Unternehmen hat im Moment 139 000 Liegenschaften mit Schwerpunkt in Berlin. Deren Wert ist zuletzt weiter gestiegenund beträgt 57 Euro pro Aktie. Deutsche Wohnen hatte 2021 einen kleineren Teil des Berlin-Portfolios an eine städtische Wohnungsfirma verkauft. Die eingenommenen Barmittel haben die Schuldenquote auf 28 Prozent gedrückt. Weil es keinen Gewinnabführungsvertrag gibt, kann Vonovia über diese Mittel nicht frei verfügen und muss sich bei der Tochter sogar Geld leihen. Das ist sicherlich keine nachhaltige Situation für die Konzernmutter.
Für Anleger ergibt sich folgende Konstellation: Deutsche Wohnen ist in einem der begehrtesten Immobilienmärkte Deutschlands stark vertreten und hat niedrige Schulden. Die Aktie notiert weit unter dem Wert der Liegenschaften. Bleibt die Ausschüttungsquote so niedrig wie aktuell, erhöhen die thesaurierten Gewinne die Substanz, die Aktie dürfte langfristig folgen. Kurzfristig könnte aber auch ein Gewinnabführungsvertrag mit Vonovia für eine schnelle Aufwertung sorgen, weil sich die dann fällige Abfindung für Aktionäre am tatsächlichen Wert der Immobilien orientieren sollte.
Einen eher opportunistischen Ansatz verfolgt Grand City Properties (GCP). Der Konzern kauft Immobilien mit Wertverbesserungspotenzial. Wird es gehoben, scheut sich GCP nicht, die Gewinne zu realisieren. Im Moment hält GCP rund 66 000 Einheiten in der Nähe deutscher Ballungszentren und hat zudem ein Portfolio in London. Das Unternehmen erzielt aus dem Immobiliengeschäft einen Einnahmeüberschuss von rund 1,20 Euro pro Aktie. Das entspricht einer Cashflow-Rendite von fast zehn Prozent. Selbst unter vorsichtigen Annahmen liegt der Wert der Liegenschaften bei rund 26 Euro pro Aktie - doppelt so hoch wie der Kurs.
Die größte deutsche Gewerbeimmobilienfirma ist Aroundtown. Das Unternehmen, das auch einen bedeutenden Anteil an der Schwesterfirma Grand City Properties hält, ist durch Übernahmen stetig gewachsen. Der letzte Deal war die Fusion 2019 mit der ebenfalls börsennotierten TLG Immobilien. Im Portfolio des Konzerns haben Hotels einen relativ hohen Anteil. Dieses Geschäft lag während der heißen Phase der Corona-Pandemie am Boden. Die Pächter hatten keine Einnahmen, konnten ihre Mieten nicht wie vereinbart zahlen. Die Aktie verlor deutlich an Wert und hat sich davon nicht mehr erholt, obwohl die Pächter längst wieder zahlen. Interessant sind drei Punkte: hoher Abschlag zum inneren Wert, solide Finanzierung und Aktienrückkäufe. Der geschätzte Wert der Liegenschaften des Konzerns liegt im Moment bei mindestens 8,20 Euro pro Aktie. Das Papier kostet weniger als die Hälfte. Die Verschuldungs- quote liegt bei lediglich 40 Prozent. Im Börsenwert ist eine Vollabschreibung der Hotels bereits impliziert, was eine unrealistische Annahme ist. Aroundtown hat deshalb die Strategie geändert. Immobilien werden zum Marktwert veräußert und eigene Aktien zurückgekauft, um deren inneren Wert zu erhöhen.
Eine Sondersituation bietet Deutsche Euroshop. Hier können Anleger ausgehend vom Marktwert der Liegenschaften auf eine Abfindung spekulieren. Der Hintergrund: Es gab ein Übernahmeangebot von einem Konsortium aus der Familie Otto und der Beteiligungsfirma Oaktree für 22,50 Euro pro Aktie. Das Übernahmeangebot ist abgelaufen und die Großaktionäre halten fast 85 Prozent der Anteile. Der Shoppingcenter-Betreiber ist solide finanziert. Für die größere Refinanzierung eines Centers 2023 gibt es schon Rahmenvereinbarungen, bis 2025 stehen keine weiteren Refinanzierungen an.
Spekulation auf 39 Euro Abfindung
Die Käufer wollen laut Übernahmeprospekt Bereinigungen des Portfolios vornehmen. Das heißt, Beteiligungen an einzelnen Centern werden verkauft, bei anderen wird aufgestockt. Es ist zu vermuten, dass bei den Transaktionen Reserven gehoben werden, die die neuen Mehrheitseigentümer nicht mit dem Streubesitz teilen wollen. Das Herausdrängen der freien Aktionäre beziehungsweise ein Gewinnabführungsvertrag wären deshalb ein logisches Szenario. In beiden Fällen wäre eine Abfindung fällig. Der Wert der Liegenschaften lag Ende Juni bei 39 Euro pro Aktie. Dem steht ein Kurs von rund 24 Euro gegenüber. Ein Bewertungsgutachten zur Abfindung wird wohl kaum einen so hohen Abschlag ergeben.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE.