Thyssenkrupp und Tata führen seit zwei Jahren Gespräche über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens. Dies wäre mit rund 48.000 Mitarbeitern und einem Pro-Forma-Umsatz von 15 Milliarden Euro der zweitgrößte Stahlkonzern Europas nach ArcelorMittal. Zahlreiche Hürden mussten überwunden werden, so etwa die Frage, wie die milliardenschweren Pensionslasten von Tata in Großbritannien geregelt werden. Zu dem Thema war auch ein Gutachten in Auftrag gegeben worden. Die Arbeitnehmer lassen zudem durch ein weiteres Gutachten prüfen, ob das mit hohen Schulden ausgestattete Joint Venture wirtschaftlich überhaupt tragfähig ist.
IG METALL: KEINE FUSION UM JEDEN PREIS
"Die Komplexität dieser Fusion erfordert zwingend eine genaueste Prüfung aller Sachverhalte", sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, Markus Grolms, der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Beschäftigten müssen darauf vertrauen können, dass das mit großer Sorgfalt geschieht." Entscheidend sei, dass das Joint Venture am Ende erfolgreich als Gemeinschaftsunternehmen geführt werden könne. Wichtig sei, dass die gleichen Regeln gelten, betonte der IG Metall-Vertreter im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel Europe, Detlef Wetzel. "Wir werden keine schlechteren Bedingungen für die deutschen Standorte hinnehmen." Es gehe nicht darum, die Fusion zu verhindern. Sie dürfe aber auch nicht um jeden Preis erzwungen werden, ergänzte Betriebsratschef Tekin Nasikkol.
Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass die Stahlkocher aus dem Ruhrgebiet wegen der weitreichenden Zusagen von Tata an den niederländischen Standort Ijmuiden am Ende die Zeche für Verluste in dem britischen Tata-Werk Port Talbot zahlen müssen. Die IG Metall hat mit einer Ablehnung der Pläne gedroht. Nun könnte sich der Abschluss in das Jahr 2019 verschieben, muss das ganze Vorhaben doch auch erst noch von den Kartellbehörden geprüft werden. Thyssenkrupp äußerte sich dazu nicht. Bislang hatten Hiesinger und Finanzchef Guido Kerkhoff die Transaktion bis Ende 2018 abschließen wollen.
Die IG Metall hatte dem Management kurz vor Weihnachten weitgehende Zugeständnisse abgerungen. Der Tarifvertrag sieht unter anderem den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für neun Jahre und Investitionszusagen für die deutschen Standorte von jährlich mindestens 400 Millionen Euro vor. Anfang Februar hatten mehr als 90 Prozent der in der Gewerkschaft organisierten Stahlkocher von Thyssenkrupp dem Vertrag zugestimmt. Hiesinger könnte die Fusionspläne zwar auch gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter durchpeitschen, dies käme aber einem Tabubruch gleich.
HIESINGER UNTER DRUCK - INVESTOREN FORDERN NEUE STRATEGIE
Den Investoren dürfte die Verzögerung der Strategieplanung sauer aufstoßen. Hiesinger hatte angekündigt, im Frühsommer die Ziele des Konzerns zu konkretisieren. "Wie genau wir das angehen, wird Teil unseres jährlichen Strategiedialogs von Vorstand und Aufsichtsrat im Mai sein", hatte er angekündigt. Der Konzern werde nach der Gründung des Stahl-Joint-Ventures anders aussehen. "Entsprechend werden wir unser strategisches Zukunftsbild schärfen und auch unsere finanziellen Zielsetzungen anpassen."
Die Fondsgesellschaft Union Investment hatte Anfang Dezember in einem Reuters-Interview eine Schärfung der Strategie gefordert. "Thyssenkrupp sollte das Thema Stahl gut und rasch über die Bühne bringen, um sich den weiter bestehenden Problemen zu widmen", hatte Portfolio-Manager Ingo Speich gesagt. Auch der nach der Krupp-Stiftung zweitgrößte Einzelaktionär Cevian hat den Druck auf Hiesinger erhöht. Die komplizierten Strukturen des Konzerns müssten beseitigt und einzelne Sparten gegebenenfalls abgestoßen werden.
rtr