Martina Merz soll vollenden, was ihrem glücklosen Vorgänger Guido Kerkhoff in den ihm vergönnten 14 Monaten an der Spitze von Thyssenkrupp nicht gelungen ist: Sie soll den kriselnden Stahl- und Industriekonzern radikal umbauen und auf den Wachstumspfad zurückführen. Die bisherige Aufsichtsratschefin hat sich dafür ein Jahr Zeit gegeben. Dazu wechselte sie aus dem Kontrollgremium in die Vorstandsetage - und will danach auch wieder zurück auf ihren Aufsichtsposten.
Kerkhoff war mit verschiedenen Konzepten auf die Nase gefallen: Die Fusion des Stahlgeschäfts mit dem indischen Montanunternehmen Tata Steel hatte die EU-Wettbewerbsaufsicht abgeschmettert. Die anvisierte Abspaltung oder gar ein Verkauf der ertragsstarken Aufzugssparte - um der hohen Verschuldung Herr zu werden - hatte Kritik in den Reihen der Investoren laut werden lassen. Schließlich löste der Aufsichtsrat unter Merz seinen Vertrag vorzeitig auf.
Merz hat also keine Zeit zu verlieren, um zu beweisen, dass sie es besser kann. Während einer Führungskräfteveranstaltung vor einigen Tagen hat die 56-jährige Ingenieurin harte Einschnitte angekündigt. Details darüber sickerten an die Medien durch, zuerst berichtete die Tageszeitung "Handelsblatt" darüber.
Die Zukunft ist stählern
Neben einem massiven Stellenabbau - jeder dritte der 160.000 Jobs soll betroffen sein - sollen demnach zwei Sparten fit fürs Schaufenster gemacht werden. Im Feuer steht zum einen die Komponentenfertigung, die Teile für die Autoindustrie herstellt. In den ersten neun Monaten des Jahres hat das Segment zwar den Umsatz steigern können, das operative Ergebnis ging aber um knapp ein Drittel zurück. "Die Auswirkungen der aktuell schwachen Autokonjunktur haben wir nicht kompensieren können", kommentierte Merz-Vorgänger Kerkhoff.
Auch vom Anlagenbau will sich Merz mittelfristig verabschieden. Das Segment konnte zwar dank Orders aus der Chemiebranche Auftragseingang und Umsatz zuletzt steigern, operativ steckt die Sparte mit einem Minus von 124 Millionen Euro aber nach wie vor in den roten Zahlen fest.
Die Abspaltung des profitablen Aufzugsgeschäfts treibt die frühere Bosch-Managerin Merz weiter voran. Zunächst soll der Unternehmensteil ausgegliedert und auf eigene Beine gestellt werden. "Parallel zu den Vorbereitungen des Börsengangs werden erhaltene Angebote potenzieller Interessenten geprüft", kündigte Merz an.
Damit fokussiert die neue Chefin Thyssenkrupp auf das Stahlgeschäft im Verbund mit dem Werkstoffhandel. In einem Brief an die Mitarbeiter betonte Merz, dass die Spartenschließung das Geschäft stärken solle. "Es geht nicht um einen Ausverkauf", schrieb sie. Die Sparten sollen in Partnerschaften mit Wettbewerbern weitergeführt und erst später verkauft werden.
Merz wird am Verkauf der mit bis zu 17 Milliarden Euro bewerteten Aufzugsparte und der Konzentration auf das unter massivem Preisdruck leidende Stahlgeschäft gemessen werden. Ihr Zeugnis wird binnen Jahresfrist ausgestellt.
Impulslos: Der Aktienkurs hat auf den Amtsantritt von Merz leicht negativ reagiert. Der Titel ist aktuell kein Kauf, Anleger warten ab.
Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 14,00 Euro
Stoppkurs: 9,40 Euro