Thyssenkrupp ist erfolgreich ins neue Geschäftsjahr gestartet. Das zeigen die Zahlen vom ersten Quartal 2020/2021. Im Zeitraum von Oktober bis Dezember konnte der MDax-Konzern Auftragseingänge in Höhe von 7,8 Milliarden Euro verbuchen. Das entspricht einer Steigerung um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - noch vor dem Corona-Crash im März 2020. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag bei 78 Millionen Euro. Noch im Vorjahr stand ein Verlust von 185 Millionen Euro in den Büchern. Bis auf das Segment Multi Tracks, das das Geschäft mit Edelstahl und Grobblech sowie die Bereiche Anlagenbau und Antriebs- und Batteriemontage bündelt, konnten alle Segmente der Thyssenkrupp Gruppe zu diesem Ergebnis beitragen.

"In einem weiterhin unsicheren Marktumfeld hatten wir ein gutes erstes Quartal: Wir spüren aktuell Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung und unsere Maßnahmen zur Performancesteigerung in den Geschäften tragen erste Früchte. Wir haben schwarze Zahlen geschrieben, noch sind wir aber nicht über den Berg. Es braucht weitere Kraftanstrengungen, um aus thyssenkrupp langfristig eine leistungsfähige Group of Companies zu machen. Deshalb machen wir beim Umbau weiter Tempo", sagte Martina Merz, Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG.

Corona-Krise belastet


Durch die Corona-Krise war der ohnehin schwächelnde Konzern zwar unter Druck geraten, doch die Nachfrage von Kunden aus der Automobilindustrie zog zuletzt wieder an. Die Sparte Automotive konnte ihr Ergebnis im ersten Quartal auf 109 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Nicht nur die Automobilkunden griffen wieder verstärkt zu, auch die Nachfrage in der Hausgeräte- und der Bauindustrie sorgte für eine Erholung.

So dürfte auch die von Thyssenkrupp zur Disposition gestellte Stahlsparte im laufenden Geschäftsjahr nach Einschätzung des Managements deutlich zulegen. Denn Steel Europe fuhr einen operativen Gewinn von 20 Millionen Euro ein. Der Konzern rechne mit einer Verbesserung des bereinigten Ebit auf ein in etwa ausgeglichenes Ergebnis, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Quartalsbericht. Im Vorjahr hatte die vom britischen Konkurrenten Steel Liberty umworbene Sparte einen Verlust von 820 Millionen Euro eingefahren. "Eine Rückkehr der Mengen zum Vorkrisenniveau sollte sich jedoch erst in den Folgejahren wieder einstellen", betonte der Konzern.

Unter dem Strich konnte der MDax-Konzern das Quartalsergebnis in Q1 deutlich um 239 Millionen Euro auf -125 Millionen Euro steigern. Um den Ergebnisbeitrag des verkauften Aufzuggeschäfts bereinigt, verbesserte sich das Quartalsergebnis sogar um 321 Millionen Euro. Insgesamt verfügt Thyssenkrupp über flüssige Mittel in Höhe von 12,1 Milliarden Euro.

Auch mit dem Plan, die Verwaltungskosten der Zentrale zu reduzieren kommt der Konzern gut voran. Das bereinigte Ebit des Corporate Headquartes verbesserte sich von -65 Millionen Euro im Vorjahr auf -54 Millionen Euro.

Investitionen ins Stahlgeschäft


Im Frühjahr 2020 wurde außerdem der Tarifvertrag "Zukunftspaket Stahl" vereinbart, um die strukturellen Herausforderungen im Stahlbereich gezielt anzugehen. In diesem Rahmen wurden unter anderem der Abbau von 3.000 Stellen sowie Investitionen im Zuge der Stahlstrategie 20-30 vereinbart. Hinter der Strategie 20-30 steht das Ziel, ein werthaltigeres Produktportfolio bei gleichzeitig optimierter Kostenstruktur zu erzeugen. So gab der Konzern bekannt, in den Um- und Neubau von Produktionsanlagen in Duisburg und Bochum zu investieren. Mit den modernisierten Anlagen wolle Thyssenkrupp insbesondere die Anforderungen der Automobilindustrie erfüllen, die für die Elektrofahrzeuge dünnere und festere Stahlbleche benötige, heißt es in der Mitteilung. Bis Ende 2024 soll deshalb in den Werken Duisburg und Bochum ein hoher dreistelliger Millionenbetrag investiert werden. Das ist die größte Investition in die Stahlsparte seit vielen Jahren.

Bernhard Osburg, Sprecher des Vorstands der Stahlsparte beschreibt die Investitionen als ein "starkes Signal für den Stahl". Die Pandemie habe die Finanzlage des Konzerns nochmals verschärft. Diese finanzielle Lücke müsse in den nächsten Jahren geschlossen werden, um die Folgen der Corona-Krise zu begrenzen. Die Strategie-Ziele bleiben dennoch bestehen. Ein weiterer Stellenabbau sei deshalb wahrscheinlich. Wie es mit der Stahlsparte weitergehen soll, will Thyssenkruppp im März entscheiden. Neben der Sanierung aus eigener Kraft lässt Konzernchefin Merz auch einen Verkauf oder eine Ausgliederung aus dem Unternehmen prüfen.

Prognose für das laufende Geschäftsjahr angehoben


Insgesamt bleibt Thyssenkrupp bei einem vorsichtigen Jahresausblick. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten lassen nur eine ungenaue Planbarkeit zu. Das gilt insbesondere in der zweiten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres bei den zyklischen Geschäften mit Werkstoffen und bei den Auto-Komponenten. Auch Finanzchef Klaus Keysberg warnt vor zu viel Euphorie. "Wir sehen weiter eine gute Nachfrage", sagte er in einer Telefonkonferenz. Es gebe aber Risiken und die Sicht gehe nicht über zwei Monate hinaus. So könne noch keine Entwarnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gegeben werden. "Wir bleiben vorsichtig für die weitere Entwicklung."

Dennoch hat der Mdax-Konzern seine Prognose angehoben: Der Umsatz soll in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen, jedoch unter dem Vorkrisen-Niveau bleiben. Im Vorjahr hatte der Konzern einen Umsatz in Höhe von 28,9 Milliarden Euro verzeichnet. Bislang war Thyssenkrupp von einem niedrigen bis mittleren einstelligen Wachstum ausgegangen. Beim Ebit rechnet der Mischkonzern mit einem nahezu ausgeglichenen Ergebnis zum Vorjahr. Bislang wurde ein Verlust im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich erwartet. Zuletzt hat Thyssen hier einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro verzeichnet. Trotz der deutlichen operativen Verbesserungen sowie dem Entfall der Wertberichtungen auf langfristige Vermögenswerte aus dem Vorjahr erwartet Thyssenkrupp unter dem Strich einen Jahresfehlbetrag im hohen 3-stelligen Millionen-Euro-Bereich.

Unsere Einschätzung:


Die Reaktionen von Analysten und Anlegern auf die veröffentlichten Zahlen sind ausgesprochen gut ausgefallen. Das Papier legte am Mittwochmorgen um etwa fünf Prozent zu. Einen Teil der Gewinne musste die Aktie zwar wieder abgeben, notierte aber weiterhin rund 2,5 Prozent stärker bei über 10,40 Euro. Die Thyssenkrupp-Aktie konnte bereits seit Anfang November mehr als 140 Prozent zulegen. Die runde Marke von zehn Euro könnte das Papier nun möglicherweise nachhaltig hinter sich lassen.

Das Analysehaus Jefferies hat die Einstufung für Thyssenkrupp nach Zahlen auf "Buy" mit einem Kursziel von 12,30 Euro belassen. Das erste Geschäftsquartal habe die Erwartungen übertroffen, schrieb Analyst Alan Spence in einer ersten Reaktion am Mittwoch. Die Jahresziele erschienen nach dem starken Jahresauftakt recht konservativ.

"Der Konzern könnte das Ruder noch rechtzeitig umgelegt haben", lautete der Kommentar eines Händlers zu dem Zahlenwerk der Essener. An ein Quartal mit einem positiven Ebit im operativen Geschäft könne er sich fast schon nicht mehr erinnern. Als überraschend würde er die guten Nachrichten dennoch nicht beschreiben, da zuletzt auch andere Industrieunternehmen sehr starke Zahlen veröffentlicht hätten.

Den Turnaround hat der Konzern noch nicht ganz hinter sich, doch die Aussichten sind gut. Auch wenn der Ausblick sowie die angehobene Prognose eher zurückhaltend gedacht sind, zeichnet sich dennoch eine positive Tendenz ab. Die Reduktion der Kosten laufen gut und auch die Investitionen in die Stahlsparte sind ein positives Signal. Este Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung wirken sich positiv auf das Zahlenwerk des Unternehmens aus. Wird für die Stahlsparte eine sinnvolle Lösung gefunden, könnte sich die Aktie weiter erholen. Für eher risikobereite Anleger bleibt das Papier weiterhin ein Kauf.

Mit Material von dpa-AFX und rtr