"Thyssenkrupp befindet sich in einer außergewöhnlich schwierigen Situation", begrüßte die Vorstandsvorsitzende Martina Merz zur Jahreshauptversammlung mit Verweis auf die vorliegenden Zahlen. "Die Bilanz ist schwach und die Performance einiger Bereiche ist weiterhin nicht zufriedenstellend." Der Konzern befinde sich in einer Phase großer Verunsicherung: Allein im letzten Jahr zählte Thyssenkrupp drei Gewinnwarnungen, stieg aus dem DAX ab, konnte das geplante Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel Europe nicht umsetzen und auch die vorgesehen Aufspaltung des Konzerns wurde abgesagt.
Das zeigen auch die Zahlen: Die Nettoverschuldung hat mit 3,7 Milliarden Euro um 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Das operative Ergebnis ist mit 802 Millionen Euro um 44 Prozent gesunken. Auch der Cashflow ist seit mehreren Jahren negativ. Der Konzern hat allein im letzten Jahr über eine Milliarde Euro mehr ausgegeben als eingenommen wurden. Mit einem Wert von nur 6,1 Prozent ist auch die Eigenkapitalquote langfristig zu niedrig für einen Industriekonzern. Auch der Aktienwert ist im Vergleich zur letzten Jahreshauptversammlung um rund 25 Prozent gefallen. Lediglich der Umsatz entspricht mit 42 Milliarden Euro in etwa mit Vorjahreswert. Die Dividende will der Konzern in diesem Jahr aussetzen und in den Umbau des Unternehmens investieren.
Mit der vorliegenden Bilanz können die Bereiche jedoch nicht unterstützt werden. Abhilfe soll die Elevator-Transaktion schaffen. Sowohl ein Börsengang wie auch ein Teil- oder Komplettverkauf der Sparte sind möglich. Insgesamt wird mit Einnahmen von rund 15 Milliarden Euro gerechnet. Wie es für das Aufzugsgeschäft weitergeht, ist weiterhin offen. Die Entscheidung dafür soll Ende Februar gefällt werden.
Evaluierung und Umbau der Geschäftsbereiche
Bis Mai will Thyssenkrupp außerdem evaluieren, welche Geschäfte gehalten werden können, welche in Gemeinschaftsunternehmen übergehen sollen und welche künftig unter externer Führung stehen könnten.
Der Stahlbereich ist laut Merz die "Keimzelle des Unternehmens". Die Kosten des kapitalintensiven Geschäfts können derzeit jedoch nicht gedeckt werden. Eine Fusion mit Tata Steel Europe hätte Entlastung bringen sollen, ist jedoch an der fehlenden Genehmigung durch die EU-Kommission gescheitert. Der Konzern will nun auf eine klimaneutrale Stahlproduktion umstellen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Bereichs zu stärken.
Umstrukturierungen soll es außerdem im Automobilzuliefergeschäft sowie in den Industriegeschäften rund um Anlagenbau und Industriekomponenten geben.
In Bereichen, in denen der Konzern nicht zu den Branchenbesten aufschließen kann oder wertschaffend weiterentwickelt werden kann, sollen Alternativen wie Partner oder neue "best owner" geprüft werden. Das gilt unter anderem für den Anlagenbau. Hier wurde bereits angekündigt, dass eine Veräußerung oder auch Allianzen in Betracht gezogen werden. Für eine Entscheidung ist es laut Merz aber zu früh. Deshalb wird weiterhin daran gearbeitet, den Anlagenbau wettbewerbsfähiger zu machen.
Unsere Einschätzung:
Mit Bekanntgabe der Bilanz ist die Aktie um rund 5 Prozent auf etwa 11 Euro je Aktie abgerutscht. Überraschend kamen die schwachen Zahlen für den kriselnden Mischkonzern jedoch nicht. Ein Turnaround dürfte bei den fehlenden finanziellen Mitteln schwierig werden. Erleichterung könnten die Elevator-Transaktion sowie der Umbau der weiteren Bereiche bringen. Wird die Aufzugssparte verkauft, gibt Thyssenkrupp zwar sein Kerngeschäft ab, doch werden die Mittel sinnvoll reinvestiert, könnten die weiteren Bereiche wieder auf Kurs gebracht werden. Bei jeder möglichen Lösung dürfte die Transaktion rund um die Aufzugssparte Unterstützung für den Aktienkurs bieten - liegt der Verkaufswert der Sparte doch bei etwa 15 Milliarden Euro. Die Aktien eignen sich nur für risikobereite Anleger. Gelingt dem Vorstandsteam rund um Martina Merz aber der Turnaround, dürften sich die Investitionen in den Umbau schon in wenigen Jahren rechnen und die Kurse wieder deutlich steigen.