Nach einer Umfrage für die Zeitung "The Sun" lagen die EU-Anhänger mit 46 Prozent zwar noch einen Punkt vor den EU-Gegnern. Allerdings machten die EU-Gegner im Vergleich zum Vormonat deutlich Boden gut, im Mai führten die Brexit-Gegner noch mit sechs Punkten Vorsprung. Die Investmentbank JP Morgan teilte dagegen mit, die Auswertung einer Reihe von Umfragen habe ergeben, dass die Brexit-Befürworter knapp in Führung lägen. Besser sah es für die EU-Anhänger in den Wettbüros aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien in der EU verbleibe, liege derzeit bei 62 Prozent, teilte der Online-Wettanbieter Betfair mit. Am Vortag hatte die Wettquote zwischenzeitlich nur 55 Prozent betragen. Anfang Juni lag die Quote allerdings noch bei 76 Prozent.
FINANZMINISTER: BREXIT REISST 30-MILLIARDEN-LÜCKE
Finanzminister Osborne sagte in der BBC, sein Nothaushalt im Falle eines Brexit umfasse unter anderem Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Umfang von 30 Milliarden Pfund (37,9 Milliarden Euro). Die 57 konservativen Abgeordneten warfen ihrem Parteifreund darauf hin vor, den Wählern Strafen anzudrohen. "Wir glauben nicht, dass er im Parlament für diese Vorschläge Unterstützung finden wird", hieß es in einer Stellungnahme. Auch der Parteichef der oppositionellen Labour Party, Jeremy Corbyn, erteilte den Plänen eine Absage. Premierminister David Cameron erklärte lediglich, er wolle zwar keinen Nothaushalt. Aber nach einem Brexit würden sich Lücken in den Staats-Finanzen ergeben.
Der weltweit zweitgrößte Triebwerksbauer Rolls-Royce empfahl seinen britischen Mitarbeitern, bei dem Referendum am Donnerstag nächster Woche für einen Verbleib zu stimmen. In Schottland sagte Regierungschefin Sturgeon im Reuters-Interview, das Parlament sollte das Recht haben, ein zweites Referendum einzuleiten. Es sei nicht vertretbar, dass Schottland aus der EU ausscheide, wenn sich eine Mehrheit der Schotten dagegen ausgesprochen habe. Nach Umfragen liegen in Schottland die EU-Befürworter klar vorn.
WIRTSCHAFTSWEISER: NEUE LEHMAN-KRISE DROHT NICHT
Auch jenseits der britischen Grenzen nimmt die Sorge über einen EU-Austritt zu. Der Chef der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung, Christoph Schmidt, prognostizierte erhebliche Wachstumseinbußen für Großbritannien. Dennoch erwartet er keine Wiederholung der Lehman-Krise: "Man sollte bei aller Sorge den kühlen Kopf nicht verlieren, eine derartige Episode zeichnet sich derzeit nicht ab", sagte er der "Rheinischen Post".
DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben erklärte, konjunkturelle Eintrübungen in Großbritannien würden sich in Deutschland auswirken: "Wenn aber die Engländer die drittgrößten Kunden der Welt für uns sind, und sie werden ärmer, dann haben wir auch größere Probleme, unsere Produkte nach England zu liefern", sagte er in der ARD.
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) fürchtet Auswirkungen für Deutschland: "Durch einen Anstieg der Unsicherheit und eine niedrigere Nachfrage aus dem Vereinigten Königreich könnte das deutsche BIP im Falle eines Brexits in den kommenden beiden Jahren um etwa ein Prozent gemindert werden, Gleiches gilt für die EU als Ganzes." Ähnlich äußerte sich Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Demnach dürfte ein Brexit sich auch beim Rest der EU bemerkbar machen, sagte er in Tokio.
Auch Japans Notenbank (BOJ) beschäftigt sich mit dem Referendum der Briten. Die BOJ ist Zentralbankkreisen zufolge deswegen in ständigem Kontakt mit der EZB, um die Finanzmärkte zu beruhigen, sollten die Briten für einen EU-Austritt stimmen. Die BOJ sei bereit, heimischen Banken über Auktionen Dollar-Bestände anzubieten, wenn Investoren nach einem Brexit die US-Währung horten.
Reuters