Es sei nun offensichtlich, dass die Bundestagswahl eine Richtungswahl werde, sagte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet daraufhin. Er warf beiden Parteien vor, eine Koalition mit den Linken bewusst nicht auszuschließen. Die FDP betonte auf einem Sonderparteitag eine eigenständige Rolle und schloss weder eine Koalition mit SPD noch eine mit der Union aus. Laut einer Forsa-Blitzumfrage sahen 42 Prozent der Befragten Scholz als Sieger, 27 Prozent Laschet und 25 Prozent Baerbock.
Im dritten TV-Triell von ProSieben und Sat1 unterstrichen Scholz, Laschet und Baerbock die unterschiedlichen Positionen bei Klima-, Steuer-, Sozial- und Sicherheitspolitik. Baerbock warf SPD und Union vor, sie hätten in den vergangenen Jahren eine entschiedene Klimaschutzpolitik verhindert. In der Sozialpolitik griffen dagegen Baerbock und Scholz gemeinsam mit ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro CDU-Chef Laschet an. Eine rot-grüne Allianz gab es in dem Triell auch in einer hitzigen Debatte über die Steuerpolitik. Unions-Kanzlerkandidat Laschet warf beiden Parteien vor, dass sie Steuererhöhungen wollten, die die Wirtschaft abwürgen würden. Scholz argumentierte dagegen, dass man zur Finanzierung kleinerer Einkommen höhere Steuern bei sehr hohen Einkommen erheben müsse.
Im Streit um den Mindestlohn von zwölf Euro kritisierte Laschet, dass er auch für höhere Löhne für Geringverdiener sei, aber der von SPD und Grünen gewollte politisch festgesetzte Mindestlohn die Tarifautonomie aushebele und die Gewerkschaften schwäche. "Mir geht es um Würde der Bürger. Das ist vielleicht das, was uns unterscheidet", sagte dagegen SPD-Kandidat Scholz zum CDU-Chef.
Im Streit um mögliche Versäumnisse bei der Finanzaufsicht griff Baerbock aber auch Scholz an. Sie betonte, dass Finanzminister Scholz bei der Befragung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am Montag "volle Transparenz" zeigen müsse.
FDP UND GRÜNE POSITIONIEREN SICH
Auf dem außerordentlichen FDP-Parteitag schwor Parteichef Christian Lindner die Liberalen darauf ein, die in Umfragen an dritter Stelle liegenden Grünen zu attackieren. Die FDP könne selbst als drittstärkste Kraft die Politik einer neuen Bundesregierung maßgeblich prägen. Dabei bekräftigte er, dass der Wahlsieger nicht automatisch auch an der Spitze der Regierung stehen müsse. Zugleich warnte Lindner vor einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei. Er verwies auf Forderungen nach Enteignungen und der Weigerung, die DDR als Unrechtstaat zu benennen. Auch bei der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr habe sich die Linke verweigert. Eine Ampel-Koalition schloss die FDP nicht aus.
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte schon bei dem Grünen-Treffen betont, dass seine Partei die SPD als Koalitionspartner bevorzuge. Einen neuen Aufbruch gebe es "nur mit starken Grünen in der Regierung, angeführt von Annalena Baerbock, am liebsten gemeinsam mit der SPD und mit der Union in der Opposition", sagte Kellner.
Laut einer Insa-Umfrage für die "Bild am Sonntag" kommen die SPD auf 26 Prozent, die Union auf 21 und die Grünen auf 15 Prozent. Die Liberalen landen bei zwölf Prozent.
KANZLERAMTSCHEF WARNT VOR LANGER REGIERUNGSBILDUNG
Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier riet der Union, auch im Falle eines zweiten Platzes hinter der SPD eine Regierungsbildung anzustreben. "Selbstverständlich können auch zweitplatzierte Parteien versuchen, eine Regierung zu bilden", sagte er der "Welt" (Montagsausgabe). Er gehe von unübersichtlichen Koalitionsmöglichkeiten nach der Wahl aus. Kanzleramtschef Helge Braun warnte vor einer langen Phase der Regierungsbildung. "Natürlich wird die bisherige Regierung weiter im Amt sein und kann auf Krisen und Herausforderungen reagieren", sagte der CDU-Politiker in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber eine geschäftsführende Regierung kann nicht mehr politisch gestalten, weil es ein Zurückhaltungsgebot gibt."
Die SPD versuchte am Wochenende mit einem Fünf-Punkte-Papier zum Wohnungsbau zu punkten. Darin sind bisherige Aussagen aus dem Wahlprogramm wie die Schaffung von 400.000 neuen Wohnungen jedes Jahr gebündelt. Dabei sollen ein "Bündnis für bezahlbares Wohnen" und ein Mietenmoratorium für angespannte Wohnungsmärkte helfen. Mieten sollen demnach in den nächsten fünf Jahren nur wenig steigen dürfen. Mehrkosten durch die neue CO2-Bepreisung sollen allein die Vermieter tragen.
rtr