Die Zukunft des Transports ist elektrisch", sagte Traton-Chef Matthias Gründler Anfang Juli. Damals gaben er sowie seine Kollegen von der Daimler-Tochter Daimler Trucks und Volvo Group die Gründung eines Joint Ventures bekannt, das 2022 den Betrieb aufnehmen soll. Das Trio will zunächst zusammen 500 Millionen Euro investieren, um innerhalb von fünf Jahren mindestens 1700 Hochleistungsladepunkte in der Nähe von Autobahnen, Logistikzentren und Abladestellen zu bauen. Damit wollen die Partner Lkw-Flottenbetreiber beim Übergang auf CO2-neutrale Transportlösungen unterstützen und gleichzeitig das ohnehin florierende eigene Geschäft weiter ankurbeln.
Wenige Tage zuvor hatte die Volkswagen-Tochter die Übernahme des US-Konkurrenten Navistar für 3,7 Milliarden Dollar abgeschlossen und startete damit in eine neue Ära. Durch den Zusammenschluss ergänzt Traton seine gute Position auf dem europäischen und südamerikanischen Markt mit Navistars starker Präsenz in Nordamerika. Die Volkswagen-Tochter hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 22,6 Milliarden Euro erzielt, wovon 68 Prozent aus der EU inklusive Großbritannien, Norwegen und der Schweiz stammen. Laut den Berechnungen des Traton-Managements waren es inklusive Navistar Erlöse von 29,2 Milliarden Euro. Dazu haben die Aktivitäten in den USA, Kanada und Mexiko insgesamt 22 Prozent der Konzernerlöse beigesteuert, womit die Region der zweitwichtigste Umsatzlieferant von Traton war
China im Fokus
Durch den Zukauf bewegt sich das Unternehmen deutlich in Richtung des weltweiten Branchenprimus Daimler Trucks & Busses, der 2020 mit seinen Marken wie Freightliner und Mercedes-Benz einen Umsatz von 34,7 Milliarden Euro erzielt hat. Durch die Akquisition will Gründler vom florierenden US-Lkw-Markt profitieren, der weltweit der zweitgrößte ist. Zwar haben nach einer Serie schwacher US-Konjunkturdaten die Sorgen der Investoren deutlich zugenommen, woraufhin die Aktie des US-Wettbewerbers Paccar auf Sechsmonatstiefs gesunken ist. Dennoch sollte sich die US-Expansion für Traton mittel- und langfristig deutlich auszahlen.
Gründler will zudem künftig den weltgrößten Nutzfahrzeugmarkt China ins Visier nehmen. "Es geht auch darum, die relevanten weißen Flecken auf unserer Weltkarte in Asien zu schließen. Stichwort: China", sagte der Vorstandschef bei der Hauptversammlung Ende Juni. Vier von zehn weltweit verkauften Lkw über sechs Tonnen würden dort abgesetzt. Dabei setzt Gründler auf das Werk in Rugao, 150 Kilometer nordwestlich von Shanghai, das die Tochter Scania baut. Die Serienproduktion soll im kommenden Jahr anlaufen. Scania werde damit der erste westliche Lkw-Hersteller sein, der zu 100 Prozent eigenständig in China produziere.
Auf dem Aktionärstreffen äußerte sich Gründler auch zuversichtlich zur aktuellen Geschäftsentwicklung. Im ersten Quartal ist der Umsatz um 15 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen. Wachstumsmotor war das Lkw-Geschäft, während der Absatz von Bussen aufgrund der Pandemiefolgen eingebrochen ist. Zudem hat sich der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern auf 516 Millionen Euro verdreifacht, wodurch die bereinigte operative Marge auf 7,9 Prozent nach oben geschossen ist. Außerdem stieg der Auftragseingang um 51 Prozent auf den Rekord von 81 700 Fahrzeugen. Im zweiten Quartal haben die Orders weiter zugelegt: "Der Auftragseingang liegt damit nochmals höher als der Rekordwert aus dem Vorquartal", sagte der Vorstandschef. Der Quartalsbericht folgt am 30. Juli.
Für das Gesamtjahr prognostiziert Gründler einen "starken" Anstieg bei Absatz und Umsatz. Zudem soll die bereinigte operative Marge fünf bis sieben Prozent erreichen. Der Ausblick enthält allerdings keine Aufwendungen für die Restrukturierung der Tochter MAN und die Übernahme von Navistar. Der Umbau bei MAN hat im ersten Quartal Belastungen von 362 Millionen Euro verursacht.
Gleichzeitig will Gründler die Größenvorteile des Unternehmens stärker nutzen. Es hat eine markenübergreifende Antriebsplattform für einen 13-Liter-Motor entwickelt. Ab Anfang 2022 soll dieser die Fahrzeuge von Scania antreiben, danach werde er in Latein- und Nordamerika zum Einsatz kommen und ab 2024 dann bei MAN. "Im Jahr darauf ist er bei jedem zweiten schweren Lkw der Traton-Marken unter der Haube. Damit heben wir ein großes Synergiepotenzial", sagte Gründler.
Elektrisch in die Zukunft
Das sei allerdings der letzte konventionelle Antrieb, den Traton entwickelt habe, denn künftig stehe die Elektromobilität ganz oben auf der Agenda. Seit September baut Scania den ersten ElektroLkw in Serie. Ab 2025 könnten ElektroLkw bei den Gesamtbetriebskosten günstiger sein als Dieselfahrzeuge. Nach der Rally notiert die SDAX-Aktie in der Nähe des Rekordhochs. Dennoch ist sie mit einem 2022er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,4 niedrig bewertet und bleibt aussichtsreich.