"Für langfristig orientierte Investoren erwarten wir aufgrund des wirtschaftlichen Superzyklus in Berlin weiterhin gute Investitionschancen", schreiben die Deutsch-Banker in ihrer Analyse zum Mietendeckel in der Hauptstadt und seinen Folgen. Unter "langfristig" verstehen die Autoren Investoren mit einem Anlagehorizont von mehr als zehn Jahren. Die würden unter anderem davon profitieren, dass der vom Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linkspartei durchgesetzte Deckel 2030 mit großer Wahrscheinlichkeit wieder abgeschafft werde - sofern er nicht zuvor schon vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden sollte.
Für Herbst 2020 wird in dieser Sache ein Urteil der Karlsruher Richter erwartet. Nach der für 2030 angenommenen Abschaffung des Deckels sei mit mit einem Anstieg von Kaufpreisen und Mieten auf dem Niveau der vergangenen zehn Jahre zu rechnen. Für die zurückliegende Dekade nennt die Deutsche Bank jährliche Steigerungsraten bei Preisen und Mieten in Berlin von durchschnittlich 5,5 Prozent.
Prognose: 2030 wird der Mietendeckel wieder abgeschafft
Bis 2030, so sagen die Forscher unter Verweis auf Erfahrungen mit Mietpreiskontrollen in anderen Städten voraus, seien die Nachteile des Mietendeckels so offensichtlich, dass er selbst in Berlin wieder abgeschafft werde. Zu den negativen Folgen des Deckels insbesondere für Mieter zählen der Prognose zufolge zu wenige Baugenehmigungen für Wohnungen, zu wenig konkreter Neubau und mehr Vermarktung von Wohnungen an Eigentümer als an Mieter. So sei die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin im November 2019 auf den niedrigsten Monatswert seit Januar 2015 gesunken. Das gilt auch deswegen als bitter, weil es nach vielen Jahren mit viel zu wenig neuen Wohnungen erst 2018 gelungen war, in Berlin binnen eines Jahres Wohnungen für mehr Menschen zu bauen, als Berlin an Einwohnern zulegte.
Trotz Wohnungsknappheit steigt die Einwohnerzahl Berlins auf vier Millionen
Auch wenn in den nächsten Jahren wahrscheinlich wieder zu wenige Wohnungen gebaut würden, rechnet Deutsche Bank Research bis 2030 mit einem Anstieg der Einwohnerzahl Berlins von derzeit 3,7 Millionen auf vier Millionen. Wesentliche Gründe seien der dauerhaft boomende Arbeitsmarkt und, jetzt kommt’s, die günstigen Mieten. Zur Erinnerung: Mehr als 1,6 Millionen der fast zwei Millionen Wohnungen in Berlin sind Mietwohnungen. 83 Prozent der Haushalte in der Hauptstadt haben den Mieterstatus. Oder umgekehrt: Die Eigentumsquote in Bezug auf die Zahl der Haushalte liegt bei 17 Prozent.
Investoren, Vermieter und Mieter umgehen Mietendeckel
Die Deutsch-Banker sagen voraus, der Mietendeckel werde viel Erfindungsgeist freisetzen, ihn zu umgehen. Grundsätzlich soll die Regulierung die Miete in Wohnungen, die spätestens 2013 Erstbezug hatten und nicht preisgebunden sind, zunächst auf dem Stand von Juni 2019 einfrieren und leichte Mieterhöhungen von maximal 1,3 Prozent erst im Jahr 2022 wieder zulassen. Die Bauindustrie werde voraussichtlich weniger in Mehrfamilienhäuser und vermehrt in Einfamilien- und Reihenhäuser investieren. Anstelle von Mieteinheiten würden verstärkt Eigentumswohnungen auf den Markt kommen, die sich vermögendere Nutzer leisten könnten. Weniger vermögende Mieter könnten sich veranlasst sehen, zusätzliche Zahlungen an Vermieter zu leisten, um eine der knappen Mietwohnungen zu bekommen.
Wohnen in Brandenburg als Alternative
Da der Preisdeckel nicht verbietet, Wohnungsausstattungen zu verkaufen, könnten Mieter in Berlin künftig verstärkt bereit sein, zu hohen Preisen Ausstattung zu erwerben, um den Vorzug vor anderen Interessenten zu bekommen. Eigentümer könnten zudem überlegen, aus Wohnungen Hotels zu machen, um mehr Geld zu verdienen. Schließlich gilt Berlin für Touristen aus aller Welt als Hotspot. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Gäste nahezu verdoppelt. Investoren könnten sich auch vermehrt auf Büroimmobilien verlegen, für die es (noch) keinen Mietendeckel gibt und die in der Hauptstadt ebenfalls knapp sind. Und schließlich könnten Wohnungs-Investoren ins Berliner Umland ausweichen, um den Deckel zu umgehen. Dort sind die Mieten bislang zumeist geringer als in der Metropole. Gut möglich, dass mancher Berliner Mieter dann nach Brandenburg ausweicht.