Um 0,1 Prozent sind die Verbraucherpreise in Deutschland im Juli zum Vorjahresmonat gesunken. Dennoch ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für Anleger, sich mit der Gefahr steigender Inflationsraten zu beschäftigen. Nach Einschätzung verschiedener Kapitalmarktstrategen sprechen viele Faktoren dafür, dass die Teuerung in Deutschland, Europa und den USA in den kommenden Jahren deutlich anziehen könnte.
"Unserer Meinung nach ist die Wahrscheinlichkeit eines nachhaltigen Anstiegs der Inflation in der Eurozone so groß wie schon lange nicht mehr", sagt Jörg Angelé, Ökonom beim Asset-Manager Bantleon. Bereits im nächsten Jahr dürften ein höherer Ölpreis und die Wiederanhebung der vorübergehend gesenkten Mehrwertsteuersätze in Deutschland und anderen Ländern wie Österreich und Belgien die Inflationsrate in der Währungsunion antreiben.
Bei Bantleon rechnet man für 2021 mit einer Inflationsrate von 2,1 Prozent für die Eurozone, deutlich mehr als die Konsensschätzung, die von 1,1 Prozent ausgeht. Für 2022 sehen die Bantleon-Experten eine Inflation von 2,0 Prozent, die durchschnittliche Vorhersage liegt bei 1,3 Prozent. Angelé verweist für die längerfristige Prognose auf die superexpansive Fiskalpolitik, die in Kombination mit einer stabilen Konjunkturerholung den Boden für einen Inflationsanstieg über 2021 hinaus bereiten werde.
Massive Fiskalprogramme
Die preissteigernden Effekte der expansiven Geldpolitik der Notenbanken seien in den vergangenen Jahren durch die restriktive Fiskalpolitik der Staaten quasi neutralisiert worden, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management. Die Corona-Krise habe nun aber einen Paradigmenwechsel beschleunigt, der schon vor der Krise begonnen habe - den Abschied von der Sparpolitik mit massiven nationalen Fiskalprogrammen zur Pandemiebekämpfung.
"Für die Preisstabilität birgt diese Entwicklung erhebliche Risiken, sobald die Corona-Krise überwunden wird", sagt Galler. Wenn es Staaten und Notenbanken dann nicht gelinge, ihre expansive Politik zu drosseln, treffe die aufgestaute private Konsumnachfrage auf erhöhte staatliche Nachfrage. "Konsequenz ist, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Angebot übersteigt und die Inflation zu steigen beginnt", so Galler.
Jonathan Baltora von AXA Investment Managers verweist zudem darauf, dass die Globalisierung und der Export von Niedriglohn- in Industrieländer in den vergangenen Jahrzehnten für erheblichen Preisdruck gesorgt hätten, was die Inflation in den meisten großen Volkswirtschaften niedrig gehalten habe.
Aber schon vor der Pandemie habe es einen Trend zu Protektionismus gegeben, und die Corona-Krise dürfte diese Tendenzen verstärken, meint Baltora. Wegen der Lieferkettenstörungen in den vergangenen Monaten werde die Globalisierung zunehmend infrage gestellt. Große Industrieländer fürchteten vor allem in systemrelevanten Sektoren die Abhängigkeit von Importen. Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011, als die Lieferkettenstörungen vor allem die Autoindustrie betrafen, sei die Inflation in den USA und Europa deutlich gestiegen. 2020 sind die Folgen für die globalen Lieferketten wesentlich größer. "Wir sind der Meinung, dass die Inflation nicht tot ist. Vielleicht schläft sie 2020, aber mittelfristig wird sie wohl zurückkehren - und das möglicherweise stärker, als wir es von den vergangenen Jahrzehnten gewohnt sind", sagt Baltora.
Inflationsindexierte Bonds
Zum Schutz vor einem Inflationsszenario halten Investmentstrategen drei Instrumente für sinnvoll: Aktien, Gold und inflationsindexierte Staatsanleihen. Bei diesen, auch "Linker" genannten Bonds steigen Zinszahlungen und Rückzahlungsbetrag mit der Inflation. Bei inflationsindexierten Bundesanleihen etwa ist dafür der von Eurostat für die Eurozone berechnete harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ohne Tabak ausschlaggebend.
Der globale Markt für Linker von Industrieländern umfasst laut AXA mehr als drei Billionen Dollar, größter Emittent sind die USA mit ihren Treasury Inflation-Protected Securities (TIPS). Am einfachsten investieren Anleger mit börsennotierten Indexfonds (ETFs) in diese Bonds, die sich bei steigender Inflation besser als normale Staatsanleihen entwickeln. Dennoch sind Linker nur als stabilisierende Position fürs breit aufgestellte Depot aus Aktien und Unternehmensanleihen interessant.
Mit ETFs in Linker investieren: Der Amundi-ETF enthält Linker von Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien. Währungsgesichert in US-TIPS können Anleger mit einem iShares-ETF (ISIN: IE 00B DZV H96 6) investieren.