Vor Geldautomaten in Griechenland bildeten sich am Sonntag lange Schlangen. Im Athener Stadtzentrum warteten teils bis zu 50 Kunden darauf, Bargeld abheben zu können. Der griechische Finanzstabilitätsrat empfahl laut einem Insider, die Automaten am Montag geschlossen zu halten und ab Dienstag nur Auszahlungen von maximal 60 Euro zu erlauben. Das Auswärtige Amt in Berlin warnte Reisende vor erheblichen Wartezeiten bei der Versorgung mit Bargeld und riet, sich frühzeitig ausreichend einzudecken.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras begründete die Einführung von Kontrollen des Kapitalverkehrs mit dem Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hatte am Sonntag trotz der Zuspitzung der Krise das Volumen ihrer Nothilfen für Banken nicht angehoben und damit den Druck auf die Regierung in Athen vergrößert. In den vergangenen Wochen hatte die EZB der griechischen Notenbank immer wieder erlaubt, die Banken mit mehr Mitteln zu versorgen. Zuletzt lag das Volumen der Unterstützung bei knapp 90 Milliarden Euro.
Wie lange die griechischen Banken geschlossen bleiben, war zunächst unklar. In Insider erklärte, der Finanzstabilitätsrat empfehle eine Schließung von sechs Werktagen. Nach Angaben aus Finanzkreisen bleibt auch die Athener Börse am Montag zu.
Wie heftig die Finanzmärkte am Montag auf die Entwicklung reagieren, mochte kein Experte exakt vorhersagen. Einige Händler sagten allerdings, das Scheitern der Gespräche sei von ihnen nicht erwartet worden und damit nicht "eingepreist" gewesen. Der Euro, der in Asien/Pazifik zunächst bis auf 1,0985 Dollar abgerutscht war, erholte sich später etwas.
Auf Seite 2: DEUTSCHE GROSSBANKEN SEHEN SICH GUT GERÜSTET
DEUTSCHE GROSSBANKEN SEHEN SICH GUT GERÜSTET
Deutsche Großbanken sehen sich für einen möglichen Kollaps des Hellas-Finanzsystems gewappnet. "Wir sind sehr gut vorbereitet, weil wir uns seit langem auf eine solche Situation eingestellt haben", sagte ein Sprecher der Commerzbank. Die Deutsche Bank erklärte, sie habe ausreichende Sicherheitsmechanismen, um ihre Geschäftsaktivitäten sowie Kundenservices zu gewährleisten. Zahlreiche Banken haben den Ernstfall einer Staats- oder Bankenpleite in Trockenübungen durchgespielt, wie es in Finanzkreisen heißt. "Wir haben ein genaues Drehbuch für diese Situation", sagte ein führender Risikomanager einer deutschen Großbank zu Reuters.
Die griechische Regierung hatte bis Freitag mit den Gläubigern über Gegenleistungen für weitere Milliarden-Hilfen verhandelt. In der Nacht zum Samstag kündigte Regierungschef Tsipras dann aber überraschend eine Volksabstimmung über die Vorschläge der Geldgeber für kommenden Sonntag an. Dies hätte eine Verlängerung der des aktuellen Hilfspakets erfordert, das bereits am Dienstag ausläuft.
Für Kopfschütteln sorgte bei den Euro-Partnern auch, dass Tsipras bei den Bürgern für eine Ablehnung der Vorschläge warb und argumentierte, so könne Griechenland wirtschaftlich niemals auf eigenen Beinen stehen. Viele der anderen 18 Finanzminister der Länder der Eurozone gaben Tsipras die Schuld für das Scheitern der Gespräche. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sprach von einem Vertrauensbruch.
Am Sonntagabend erklärte Tsipras, er habe erneut um eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms gebeten und erwarte darauf unmittelbar eine Antwort der Geldgeber.
Ob es in den kommenden Tagen neue Versuche einer Einigung gibt, ist unklar. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte "Bild", Bundeskanzlerin Merkel halte als Vertreterin des wichtigsten Landes den Schlüssel in der Hand. Griechenland sei für neue Vorschläge offen. Die Vertreter der Gläubiger müssten guten Willen zeigen. EU-Kommissar Pierre Moscovici, Griechenland könne die Verhandlungen über die jüngsten EU-Vorschläge wieder aufnehmen.
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, Athen könne seinen Kurs noch ändern. Sollten die Griechen mit einem überwältigenden Votum für einen Verbleib im Euro und eine Stabilisierung der heimischen Wirtschaft stimmen, wären die Gläubiger zu weiteren Anstrengungen bereit, sagte sie der BBC.
Offen ist, wie das für Sonntag angekündigte Referendum ausgeht. Umfragen zufolge will eine klare Mehrheit der Griechen in der Euro-Zone bleiben. Zudem befürworten die meisten Bürger einen Kompromiss mit den Gläubigern, wie aus zwei Erhebungen hervorgeht, die aber aus den Tagen vor der Eskalation stammen. Inzwischen fehlt eigentlich die Grundlage für ein Referendum.
Sollte sich das Volk dennoch für die Vorschläge der Gläubiger von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission aussprechen, könnte die Regierung in Athen zum Rücktritt gezwungen sein.