von Dirk Elsner

Im Oktober äußerte ich mich in der Kolumne "Apple Pay - Top oder Flop?" erneut skeptisch zum Zahlen hierzulande mit dem Handy in Geschäften. Das Bezahlen im Supermarkt, der Tankstelle oder in Kneipen mit dem Smartphone ist derzeit dem kontaktlosen Bezahlen mit der Karte unterlegen. Mobile Payment löst bei der Bezahlung am Point of Sale unter den Gesichtspunkten Schnelligkeit, Sicherheit, Komfort und Kosten keine Problem der Nutzer, das nicht bequemer mit Bargeld oder Karten gelöst wird. Wir werden hier erst dann wesentliche Fortschritte sehen, wenn die Bezahlung mit dem Telefon genauso bequem funktioniert wie mit der Karte und es den Nutzern einen zusätzlichen Mehrwert bietet (wie z.B. einen elektronischen Kassenbon).

Ich schrieb aber auch, dass nicht alle Bezahlarten mit dem Smartphone ohne Zukunft sind. Apple Pay darf man nicht nur auf das Bezahlen im Geschäft reduzieren. Ich wies in der Kolumne darauf hin, dass Apple ein Patent für Person-zu-Person Zahlungen (= Peer-to-Peer = P2P-Payment) hält. Mit P2P-Zahlungen können sich Privatpersonen untereinander sehr einfach Geld überweisen und es natürlich für die Bezahlung von Rechnungen an Unternehmen verwenden. Dazu werden dann keine langen Kontonummern (wie in Europa die unhandlichen SEPA-Nummern) benötigt, sondern nur eine E-Mailadresse, eine Telefonnummer oder ein eindeutiger Nickname des Nutzers.

Das Wall Street Journal und die New York Times haben nun Mitte November bestätigt, dass Apple dieses Patent nutzen will und einen Peer-to-Peer Payment Service plane. Das Unternehmen stehe dazu in Gesprächen mit verschiedenen Banken. Der Service soll im nächsten Jahr bereit stehen. Ob dies Bestandteil von Apple Pay oder des früheren Services Passbook, der mittlerweile Wallet heißt, ist noch offen. Apple will aber offenbar einen größeren Kuchen am Zahlungsverkehr.

Andere spekulieren sogar, dass Apple dieses Zahlsystem als ein Feature von iMessage planen könnte. Mit iMessage können Personen zwischen zwei oder mehr Geräten Textnachrichten, Bilder, Videos, Kontakte und andere Dateien ausgetauscht werden, warum also nicht auch Zahlungsnachrichten. Wie immer äußert sich der Konzern nicht im Vorfeld zu neuen Produkten und Leistungsmerkmalen.

Auf Seite 2: Das Erfolgspotenzial der "Killer Apps"





Ich halte das Potenzial der Integration von Bezahlfunktionen in sogenannte Messenger-Dienste für Smartphones für deutlich erfolgversprechender als das Bezahlen im Geschäft. Ich schrieb bereits vor zweieinhalb Jahren über diese "Killer Apps" für das mobile Bezahlen. Als Killer-Applikation bezeichnet man eine Anwendung, die einer Technik zum Durchbruch hilft. In China sind Zahlungen per Wechat, Alipay oder Baidu auf dem Weg sich zum Standard zu entwickeln. Alipay gehört zu Ant Financial, dem mittlerweile unabhängigen Finanzarm von Alibaba. Wechat ist ein Kommunikationstool des chinesischen Internet- und Telekommunikationsriesen Tencent. Damit können sich Personen in China untereinander Geld überweisen und auch in Geschäften bezahlen. Die App wird häufig mit WhatsApp verglichen, weil sie ursprünglich auf reine Nachrichtendienste beschränkt war. Über Wechat ist Tencent schon vor zwei Jahren in das elektronische Bankengeschäft eingestiegen. Mittlerweile sollen laut Informationen des Branchendienstes Techcrunch allein 200 Millionen Personen die Zahlungsfunktionen nutzen. Insgesamt hat der Dienst über 600 Millionen aktive Nutzer.

WhatsApp lässt solche Funktionen bisher vermissen. Das Unternehmen wurde bekanntlich von Facebook gekauft. Facebook hat neben WhatsApp aber noch seinen Facebook Messenger im Programm. Und dieser bietet seit dem Sommer dieses Jahres bereits Zahlungsfunktionen. Bisher ist die Anwendung nur auf die USA beschränkt.

So beschreibt Facebook, wie das Bezahlen per Messenger funktioniert:
So tätigst du eine Zahlung:
1. Öffne einen Chat mit dem Freund/der Freundin, dem bzw. der du die Zahlung zukommen lassen möchtest
2. Klicke auf und gib den gewünschten Betrag ein
3. Klicke auf "Weiter", um deine Debitkarte hinzuzufügen und klicke dann auf "Zahlen"
So empfängst du eine Zahlung:
1. Öffne die Unterhaltung mit der Zahlung, die ein(e) FreundIn dir gesendet hat
2. Klicke in der Unterhaltung auf "Karte hinzufügen" und füge zum Empfangen von Zahlungen deine Debitkarte hinzu.
Quelle: Facebook


Facebook weist darauf hin, dass es bis zu 3 Werktage dauern kann, bis das Geld bei der Bank zur Verfügung steht. Das ist ein Hinweis darauf, dass Facebook hier keine eigene Zahlungsverkehrinfrastruktur aufgebaut hat, sondern das Bankensystem nutzt. Facebook bietet, wenn man es so sehen will, einfach eine bequeme und moderne Benutzeroberfläche. Immerhin, die Seiten stehen auch in deutscher Sprache zur Verfügung, was darauf hindeuten könnte, dass wir diesen Service auch bald in Deutschland sehen könnten. Dass Facebook den Dienst auf weitere Länder ausweiten will hat David Marcus im Oktober angekündigt. Facebook hat Marcus übrigens von einem im Zahlungsverkehr sehr erfolgreichen Technologiekonzern abgeworben, von PayPal.

Und zu PayPal gehört Venmo. Venmo soll der weltweit am schnellsten wachsende Dienst für Peer-to-Peer-Überweisungen sein. Das auf den Finanzsektor spezialisierte Beratungsunternehmen Aite Group will laut Computerwoche herausgefunden haben, dass derzeit 19 Prozent solcher Transaktionen über diesen Dienst erfolgen. Im dritten Quartal 2015 wurden laut PayPal mobile Zahlungen von 2,1 Milliarden Dollar mit Venmo getätigt - vor einem Jahr waren es noch 700 Millionen Dollar.

Warum die internationale Verbreitung der Peer-to-Peer-Zahlungen nicht noch schneller geht, dürfte auch an den gesetzlichen Auflagen liegen. Die regulatorischen Herausforderungen, die die Techkonzerne selbstverständlich ebenfalls einhalten müssen, sind nicht trivial. Hier sind insbesondere die Vorschriften zur Geldwäsche zu nennen und zur Einhaltungen von Embargos. Viele Banken haben hier nach Verstößen schon empfindliche Strafen zahlen müssen.

Auf Seite 3: P2P-Zahlung steht in Konkurrenz zur Zahlung per Lastschrift, Überweisung und in den USA per Scheck





Die P2P-Zahlung steht nicht in Konkurrenz zur Bezahlung per Karte oder Bargeld, sondern zur Zahlung per Lastschrift, Überweisung und in den USA per Scheck. Unter den Kriterien Schnelligkeit, Komfort und Kosten haben P2P-Zahlungen erhebliche Vorteile.

Das Geschäftsfeld Zahlungsverkehr, von dem Banken früher glaubten, hiermit sei kein Geld zu verdienen, erlebt einen technologischen Boom. Dass dieser auch Unternehmenswerte schaffen kann, zeigen die Bewertungen einiger Technologieunternehmen. So ist Ant Financial nach PayPal die zweite Zahlungsverkehrstochter eines Technologiekonzerns, die eine höhere Marktbewertung aufweist als die Deutsche Bank. Ant Financial wurde auf Basis einer Beteiligungsbewertung im Sommer auf 50 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Marktwert der Deutschen Bank liegt auf Basis von Marktdaten für die Aktien aktuell bei etwa 35 Milliarden US-Dollar.

Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.