In der extrem angespannten Situation zwischen der Ukraine und Russland hatten zuletzt eine Reihe diplomatischer Gespräche auf höchster Ebene keinen Durchbruch gebracht. Anfang der Woche will sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Reisen nach Kiew und Moskau für eine friedliche Lösung einsetzen.

Russland hat an der Grenze zur Ukraine mehr als 100.000 Soldaten und schwere Waffen zusammengezogen. Angesichts des Aufmarschs hatte die US-Regierung am vergangenen Freitag davor gewarnt, dass Russland möglicherweise noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele am 20. Februar das Nachbarland angreifen könnte. Der Kreml dementiert solche Vorwürfe vehement. Zahlreiche Staaten riefen am Wochenende ihre Bürger zur Ausreise aus der Ukraine auf, darunter auch Deutschland.

Für möglich gehalten wird auch, dass der russische Präsident Wladimir Putin eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Er lehnt eine Osterweiterung der Nato entschieden ab und fordert vom Westen Sicherheitsgarantien wie etwa, dass die Ukraine dem transatlantischen Militärbündnis nicht beitreten wird. Die Nato lehnt dies ab.

Die deutsche Wirtschaft ist in Sorge. Auch in den finstersten Zeiten des Kalten Krieges sei die deutsche Wirtschaft stets eine Brücke zur Sowjetunion gewesen, sagte der Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele. "Wohin soll es führen, wenn alle Kontakte abgebrochen und alle Projekte eingefroren werden, wie es manche leichtfertig fordern, ohne auf die Konsequenzen zu schauen", so Seele. "Das beschert uns nicht weniger, sondern mehr Konfrontation." Er sprach sich im Gegenteil für eine Intensivierung der Kontakte aus: "In der gegenwärtigen Situation brauchen wir mehr und nicht weniger Städtepartnerschaften und Jugendaustausch, mehr gemeinsame Kulturveranstaltungen wie sie das Deutschlandjahr in Russland der deutschen und der russischen Regierung und das gegenwärtige Themenjahr 'Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung' gewährleisten."

Börsen auf Talfahrt


Der deutsche Leitindex DAX rutschte am Montag mehr als drei Prozent ab. Auch wenn an der Börse immer noch die Hoffnung bestehe, dass es statt einer russischen Invasion in der Ukraine zur Wochenmitte doch noch zu diplomatischen Fortschritten komme, seien viele Anleger gezwungen, sich wegen der steigenden geopolitischen Risiken von ihren Aktienbeständen zu trennen, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.

"Es ist keine Entspannung im Ukraine-Konflikt in Sicht", sagten am Morgen die Finanzmarkt-Experten der Commerzbank. Mit dem Konflikt wächst ein zweiter Belastungsfaktor, nachdem sich zuletzt vor allem Zinssorgen bei den Anlegern breit gemacht hatten.

"Die Russland-Krise hat die Zinswende als Nummer-Eins-Risikofaktor abgelöst", warnte auch Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen im Fall einer militärischen Eskalation ist riesig."

Ölpreis legt zu


Am Montagmorgen markierten die beiden wichtigsten Erdölsorgen abermals mehrjährige Höchststände. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete bis zu 96,07 US-Dollar, für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) mussten bis zu 94,92 Dollar gezahlt werden. Das sind jeweils die höchsten Preise seit Herbst 2014.

Da Russland einer der größten Ölproduzenten der Welt ist, führt die Gefahr einer Eskalation zu einem Risikoaufschlag am Ölmarkt. Daneben sorgen schon länger das eher knappe Angebot und die solide Nachfrage für Preisauftrieb.

Fluggesellschaften unter Druck


Einige Airlines haben ihre Flüge in die Ukraine mittlerweile eingestellt oder ziehen dies in Erwägung. Am Sonntag musste ein ukrainischer Flug vom Flughafen Funchal auf Madeira auf dem Weg nach Kiew in der Republik Moldau landen. Die betroffene Fluglinie SkyUp teilte zur Begründung per Facebook mit, das ausländische Leasingunternehmen für das Flugzeug habe aufgrund der US-Kriegswarnungen den Flug in den ukrainischen Luftraum verboten. Das ukrainische Infrastrukturministerium sprach von Schwierigkeiten wegen "Schwankungen auf dem Versicherungsmarkt".

Die niederländische Fluggesellschaft KLM hatte am Samstag ihre Flugverbindungen mit der Ukraine eingestellt. Die Entscheidung sei aufgrund einer "umfassenden Analyse der Sicherheitslage" getroffen worden, hieß es. Die Lufthansa teilte am Sonntag auf Anfrage mit, dass sie die Lage in der Ukraine "sehr genau" beobachte. "Eine Einstellung des Flugverkehrs wird geprüft, zum jetzigen Zeitpunkt gibt es dazu aber keine Entscheidung." Die Lufthansa-Aktie notiert zur Stunde sechs Prozent im Minus.

Russische Aktien fliegen aus den Depots


Auch an der Börse in Moskau gibt es Turbulenzen. Die Spannungen mit dem Nachbarn Ukraine trieb die Rendite der zehnjährigen Bonds auf ein Sechs-Jahres-Hoch von 9,96 Prozent. Der Moskauer Aktienindex fällt um mehr als drei Prozent. Und: Anleger ziehen sich aus der russischen Währung zurück. Im Gegenzug gewinnen Dollar und Euro jeweils 0,5 Prozent auf 76,76 beziehungsweise 87,13 Rubel.

"Es ist sinnvoll, Risiken in Bezug auf Russland so weit wie möglich zu minimieren und sich nicht aktiv in russischen Werten zu engagieren, bis das Risiko eines militärischen Zusammenstoßes verschwunden ist", sagt Volkswirt Jewgeni Suworow von der CentroCreditBank.

Unsere Einschätzung zur Lage an den Börsen


Angesichts der Turbulenzen an den Börsen aufgrund der Unsicherheit rund um die Ukraine-Krise und der Zinserhöhungen raten wir derzeit von größeren Engagements ab.

fh/dpa-AFX/rtr