Ungeachtet der Signale einer Entspannung warf der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Russland vor, ein "terroristischer Staat" zu sein. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, mit Soldaten und schwerem militärischen Gerät direkt die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Die russische Führung hat dies mehrfach zurückgewiesen. Gleichzeitig hat sie jedoch wiederholt Spekulationen über ein militärisches Eingreifen in der Ukraine geschürt. So soll Putin Medienberichten zufolge kürzlich EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso gesagt haben, wenn er wolle, könne er Kiew innerhalb von zwei Wochen einnehmen. Die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland sind infolge des Konflikts so sehr abgekühlt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Einen Tag vor dem am Donnerstag beginnenden Nato-Gipfel kündigte das Verteidigungsministerium in Moskau für diesen Monat ein groß angelegtes Manöver in Süd-Zentral-Russland an. Im Mittelpunkt stehen dabei die Teile der Streitkräfte, die für das nukleare Langstreckenarsenal des Landes zuständig sind.
Auf Seite 2: REBELLEN: REDE VON FEUERPAUSE IST PROVOKATION
REBELLEN: REDE VON FEUERPAUSE IST PROVOKATION
In der Konfliktzone gab es zunächst keine Hinweise auf ein Ende der Kämpfe. "In dem Moment, in dem mir Journalisten von einer Waffenruhe erzählten, sind wir zwei Mal unter Beschuss gekommen", sagte der Kommandeur einer proukrainischen Freiwilligen-Miliz im Donbass, Serhi Melnitschuk, dem ukrainischen Fernsehsender 112. "Wir haben bisher keine Befehle erhalten." Russland müsse seine Truppen aus der Ukraine abziehen. "Wir müssen dieses Schlachten stoppen. Wir zerstören die Nation."
Ein ranghoher Vertreter der Rebellen tat dagegen die Äußerungen über eine Feuerpause als "Provokation" ab. Russland sei an dem Konflikt nicht beteiligt, sagte der stellvertretende Ministerpräsident der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk, Wladimir Antjufejew, in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Eine Waffenruhe ist immer gut, aber unsere Hauptbedingung gilt immer noch: Die ukrainischen Truppen müssen sich von unserem Territorium zurückziehen", betonte er.
Die Finanzmärkte tendierten angesichts der Angaben zur Waffenruhe dennoch fester. Der Frankfurter Dax und der EuroStoxx50 legten in der Spitze jeweils knapp zwei Prozent zu. "Sobald die ersten Nachrichten kommen, dass die Waffenruhe in der Ost-Ukraine nicht hält, lösen sich die aktuellen Gewinne aber sofort wieder in Luft auf", warnte jedoch ein Börsianer.
Auf Seite 3: EU-SANKTIONEN SOLLEN BIS FREITAG STEHEN
EU-SANKTIONEN SOLLEN BIS FREITAG STEHEN
Die Rebellen haben die Regierungstruppen in den vergangenen Tagen in mehreren Teilen der Ostukraine in die Defensive gedrängt. Nach der Eroberung des Flughafens von Luhansk Anfang der Woche waren sie nach eigenen Angaben kurz davor, auch den Airport der Rebellenhochburg Donezk wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. In Mariupol im Südosten der Ukraine, der zweitgrößten Stadt der umkämpften Region, wurde weiterhin mit einem Ansturm der Separatisten gerechnet.
Die Regierung in Kiew und der Westen führen das Erstarken der Rebellen auf ein direktes Eingreifen Russlands zurück. Die Europäische Union und die USA bereiten deshalb neue Sanktionen gegen Russland vor. Bis Ende der Woche sollen die EU-Strafmaßnahmen beschlossen werden. Allerdings muss dies einstimmig geschehen. Einige der 28 EU-Mitgliedstaaten haben sich skeptisch geäußert. Befürchtet wird eine Verschärfung der Sanktionsspirale, was auch für die EU wirtschaftlich negative Folgen haben könnte.
Reuters