Streit mit Brüssel scheut Ministerpräsident Viktor Orban nicht: Zusammen mit Polen kritisiert und verhindert Ungarns Premierminister das Verfahren zur Auszahlung des von allen EU-Staaten im Sommer beschlossenen 750 Milliarden Euro schweren Corona-Finanzpakets. Brüssel und die Mehrheit der Mitgliedstaaten wollen, dass die Mittel nur fließen, wenn rechtsstaatliche Standards eingehalten werden. In dem jüngst veröffentlichten Bericht der EU-Kommission zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Ländern kommt Budapest nicht gut weg.
Anleiheinvestoren scheinen bislang jedoch nicht zu fürchten, dass Ungarn tatsächlich auf finanzielle Hilfe verzichten wird. Sie erwarten, dass die EU auch diesmal eine Einigung erzielen kann. Die neu aufgelegte Eurostaatsanleihe Ungarns im Volumen von 1,25 Milliarden Euro stieß jedenfalls auf rege Nachfrage. Der Bond weist gegenüber der entsprechenden Bundesanleihe einen Renditeaufschlag von 1,72 Prozentpunkten auf.
Für ein Engagement spricht zudem der bislang solide Kurs in der Finanzpolitik, der es der ungarischen Regierung ermöglicht, auf die Corona-Krise fiskalpolitisch zu reagieren. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Ungarn in den vergangenen Jahren die Neuverschuldung konsequent unter drei Prozent gehalten. Auch die Gesamtverschuldung fiel mit rund 66 Prozent relativ moderat aus. Das eröffnet der Regierung nun Spielräume für Steuersenkungen und staatliche Hilfen.
Gleichwohl steigt das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr auf rund acht, die Gesamtverschuldung auf 80 Prozent. Schon 2021 werden die Schulden wieder abgebaut werden, versichert die Regierung. Dazu bedarf es jedoch einer wieder anziehenden Wirtschaft. Nach einem Wachstumseinbruch von über sechs Prozent im laufenden Jahr soll die wirtschaftliche Gesamtleistung 2021 um 3,5 Prozent steigen. Die Dynamik dürfte vermutlich höher ausfallen, wenn Orban Brüssel politisch entgegenkommt.