Am deutlichsten wird das auf dem weltgrößten Markt für E-Autos in China, wo Tesla derzeit seine erste Fabrik außerhalb der USA hochzieht und dafür Arbeitskräfte sucht. Volkswagen dagegen rüstet einfach zwei seiner zahlreichen Werke für den Bau emissionsfreier Fahrzeuge um und kann sich auf eine eingespielte Belegschaft stützen. 2020 soll die Produktion von E-Autos in den beiden chinesischen Fabriken beginnen. Den Plänen zufolge, die Reuters eingesehen hat, soll dort bis Ende 2022 eine Kapazität von jährlich 600.000 E-Autos erreicht werden. Mit dem Hochlauf der E-Produktion sollen dann weltweit annähernd eine Million VW-Stromer von den Bändern rollen können. Damit würde Volkswagen den Konkurrenten aus Kalifornien deutlich überflügeln.

Dennoch stehen die Amerikaner bei Volkswagen-Chef Herbert Diess hoch im Kurs: "Ich schätze Tesla als ernstzunehmenden Wettbewerber", sagte er vergangene Woche am Rande der Präsentation des neuen Golf 8. Unternehmenskennern zufolge bewundert Diess vor allem die Softwarekompetenz des US-Rivalen, dessen Batterien je nach Modell eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern haben. Tesla sei kein Nischenspieler, sagte Diess. Mit dem Model 3 sei der US-Elektroautobauer in der Lage, Skaleneffekte zu nutzen. Die Frage sei nun, ob es Unternehmensgründer Elon Musk gelinge, das Produktionsnetz schnell genug auszuweiten. "Die Kapitalintensität nimmt zu", betonte Diess mit Hinweis auf die Kosten für Batterien.

Schon länger wird in der Branche spekuliert, Investoren könnten die Geduld mit Tesla verlieren und den Geldhahn zudrehen, weil die Kosten davonlaufen. Volkswagen wurde Interesse an einer Beteiligung an Tesla nachgesagt, was die Wolfsburger jedoch dementiert haben.

Der weltgrößte Autobauer verfügt dank des Verkaufs von fast elf Millionen Verbrennern im Jahr über die Mittel, um die hohen Investitionen in die Elektromobilität abzusichern. Wegen seiner schieren Größe mit 660.000 Beschäftigten rund um den Globus und der Erfahrung beim Aufbau von Produktionsnetzen und -Abläufen wird Volkswagen zugetraut, den Umbau zu bewältigen. Bis 2022 will VW auf vier Kontinenten acht Fabriken für die Produktion von Stromern auf Basis des Elektrobaukastens MEB umrüsten - vier in Deutschland (Zwickau, Emden, Hannover und Dresden), zwei in China (Anting, Foshan) und je eines in Tschechien (Mlada Boleslav) und den USA (Chattanooga). Tesla indes hat Probleme, seine Ziele zu erreichen. Im Sommer vergangenen Jahres wurde in einem riesigen Zelt außerhalb des Werks in Fremont eine zusätzliche Montagelinie für das Model 3 errichtet, um die Produktion schneller zu steigern. Grund war, dass an den Bändern nicht alles rund lief. Musk übernachtete zeitweise in der Fabrik, um die "Produktionshölle" in den Griff zu bekommen.

DIE EINTRITTSBARRIEREN SIND HOCH


Die Probleme von Tesla haben bei Anlegern Zweifel genährt, ob Start-ups überhaupt in der Lage sind, in der kapitalintensiven Autoproduktion zu bestehen. Die Rückschläge, die der Elektroauto-Pionier auf dem Weg aus den roten Zahlen einstecken musste und der Umsatzschwund beim aufstrebenden chinesischen Rivalen Nio ließen Investoren vorsichtiger werden. "Die Wahrheit ist, dass die Eintrittsbarrieren in den Automobilbau nach wie vor hoch sind", sagt Max Warburton, Analyst bei Bernstein Research. "Autos zu bauen ist schwierig." Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge sei zwar teuer, werde aber wahrscheinlich am ehesten von traditionellen Herstellern gemeistert.

Während sich Tesla für dieses Jahr den Bau von bis zu 400.000 E-Autos vorgenommen hat, gehen die Pläne in Wolfsburg weiter. VW will bis 2025 weltweit drei Millionen Elektroautos pro Jahr produzieren und zum größten Hersteller von Stromern aufsteigen. In den nächsten Jahren sollen 70 neue E-Modelle auf den Markt kommen. Bis 2030 soll der E-Anteil der Flotte auf mindestens 40 Prozent steigen. Anfang November soll in Zwickau mit dem ID.3 das erste Elektroauto vom Band rollen. In der finalen Ausbaustufe ab 2021 soll die Zwickauer Mannschaft bis zu 330.000 rein elektrische Autos pro Jahr fertigen.

Volkswagen geht den Schwenk aggressiver an als Konkurrenten wie BMW, Renault und General Motors, die schon früher E-Autos an den Start gebracht haben. Anstatt die Produktion schrittweise anzupassen und dafür mehrere Plattformen beizubehalten, setzt Volkswagen auf eine einheitliche Architektur für Elektrofahrzeuge: den Modularen Elektrobaukasten MEB. Damit sind die Wolfsburger besser in der Lage, Größenvorteile zu nutzen. Dazu trägt auch die Lizenzierung des Baukastens durch Wettbewerber wie Ford bei, wodurch die Kosten weiter sinken. Ziel ist es, ein Elektroauto zu einem Preis von unter 20.000 Euro auf den Markt zu bringen. Dadurch sollen batteriegetriebene Fahrzeuge für die breite Masse erschwinglich und der E-Mobilität zum Durchbruch verholfen werden.

rtr