€uro am Sonntag: Der Ukraine-Krieg zwingt Deutschland zum Überdenken der Energiewende. Bisher hieß es raus aus Kohle und Atom. Sollen deutsche Versorger jetzt später aus der Kohle aussteigen?
Henrik Pontzen: Nein, beziehungsweise: Das sollte die allerletzte Option sein. Was wir brauchen, ist nicht ein späterer Ausstieg, sondern ein schnellerer und entschiedenerer Einstieg in den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das war vor dem Krieg in der Ukraine schon so. Grundsätzlich hat sich also nichts geändert, die Lage ist nur noch dringlicher geworden.
Wenn es hart auf hart kommt - muss nicht auch der Atomausstieg verzögert werden?
Nein, beziehungsweise: Das sollte nur die vorletzte Option vor dem späteren Kohleausstieg sein. Denn noch mal: Die einzige dauerhaft tragfähige und damit nachhaltige Lösung ist der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien.
Kann man das Abschalten der Atomkraftwerke bis Jahresende noch aufheben?
Ja, allerdings sind hierfür größte Anstrengungen des Gesetzgebers, der Regulierungsbehörden und der Betreiber nötig. Druck macht vieles möglich.
Welche Auswirkungen hat die neue Lage auf deutsche Versorger wie RWE und Eon?
Eon hat ja schon lange die bürokratischen Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren beklagt, daher sollte der Konzern mit Blick auf schnellere Genehmigungsverfahren mittelfristig Rückenwind bekommen. Im Fall von RWE ist die Situation etwas anders gelagert: Die Bedeutung des Unternehmens für die Sicherheit der hiesigen Energieversorgung dürfte krisenbedingt steigen. Das liegt aber nicht zuletzt an den Kohle-Assets des Konzerns. Das mag für den Moment vorteilhaft sein, ist aber keine nachhaltige Perspektive. Die erreicht RWE nur über eine Transformation des Geschäftsmodells.