EZB-Chef Mario Draghi will wegen der unerwünscht niedrigen Inflation die Geldschleusen bei Bedarf weiter öffnen. "Wir müssen weiter auf der Hut sein, was Abwärtsrisiken für unseren Inflationsausblick angeht", warnte Draghi am Montag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments. Wenn die EZB zu weiteren Maßnahmen jenseits des bereits weitgehend ausgereizten Leitzinses greifen sollte, könnten dazu auch Ankäufe von Staatsanleihen gehören, sagte der Italiener. Im Dezember legen die Volkswirte der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre aktualisierten Prognosen zur Teuerung wie auch zu Wachstum und Beschäftigung vor. Im Vergleich zu den September-Vorhersagen erwarten viele Beobachter eine deutliche Korrektur nach unten. Damit würde es wahrscheinlicher, dass die EZB die Notenpresse künftig schneller rotieren lässt.

Draghis Äußerungen gaben der Börse in Frankfurt Auftrieb. Der Dax drehte am späten Nachmittag ins Plus. "Das Wort 'Staatsanleihen' ist mal wieder gefallen", sagte ein Händler. Draghi betonte, der EZB-Rat sei sich einig, dass bei Bedarf zusätzliche geldpolitische Instrumente genutzt werden müssten. Die Zentralbank sei weiter bereit, im Rahmen ihres Mandats "alles Nötige" zu unternehmen, um den Euro zu bewahren. Der Stab der Zentralbank bereitet bereits vorsorglich den Einsatz weiterer sogenannter unkonventioneller Mittel vor. Die EZB hält sich bei Bedarf auch den Ankauf privater Anleihen offen, um so die lahmende Wirtschaft mit billigem Geld anzuschieben und zugleich die Inflationsrate nach oben zu treiben.

Der EZB-Rat erwartet, dass die Bilanz der Notenbank auf das Niveau von Anfang 2012 aufgebläht werden kann. Dies entspricht einer Ausweitung um rund eine Billion Euro. Mit den Käufen von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen wird diese Summe nach Ansicht von Experten jedoch bei weitem nicht erreicht. Draghi sagte vor dem Ausschuss in Brüssel lediglich, mit zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen könnten sich "Umfang und Zusammensetzung" der EZB-Bilanz ändern.

EZB-DIREKTOR: BILANZAUSWEITUNG "KEIN FETISCH"

Die EZB verfolgt nach den Worten von Notenbank-Direktor Yves Mersch allerdings kein konkretes Bilanzziel. "Unsere Liquiditätsspritzen und Ankaufprogramme dienen dazu, die Verstopfungen im Kreditkanal zu lösen." Ziel sei es nicht, dem Bankensektor schlechte Kreditrisiken abzunehmen und in der Bilanz der Notenbank zu versenken. "Das ist nicht unser Auftrag. Dass sich unsere Bilanz im Zuge dessen verlängert, ist weder ein Selbstzweck noch ein Fetisch", sagte der Luxemburger.

Die EZB stemmt sich mit den geldpolitischen Maßnahmen gegen das unerwünscht niedrige Preisniveau in der Euro-Zone. Die Inflationsrate lag zuletzt nur bei 0,4 Prozent und damit weit unter dem Ziel der Notenbank von knapp zwei Prozent. Im September hatte der Stab der Zentralbank für 2014 eine Inflationsrate von 0,6 Prozent vorhergesagt. 2015 wird die Jahresteuerung demnach mit 1,1 Prozent deutlich unter dem Zielwert der EZB landen. Die Phase niedriger Inflation wird Experten zufolge noch eine ganze Weile anhalten. Erst 2019 soll sich die Inflationsrate mit 1,8 Prozent wieder der Zielmarke von knapp zwei Prozent nähern, wie aus der jüngst von der EZB veröffentlichten Umfrage unter professionellen Beobachtern ihrer Geldpolitik hervorgeht.

rtr