2013 hatten es die Bullen unter den Börsianern so leicht wie selten. Die Bären trauten sich praktisch nicht aus ihren Höhlen und die Kurse an vielen führen Weltbörsen stürmten fast ununterbrochen nach oben. So legte der S&P 500 Index im Vorjahr fast um 30 Prozent zu. Doch ausgerechnet im Januar haben sich die Kräfteverhältnisse gewandelt. Anstatt ihren Winterschlaf abzuhalten, fahren die Bären plötzlich wieder ihre Krallen aus. Denn anders als allgemein angenommen, sind die Börsen im Januar etwas deutlicher gefallen und auch im Februar sah es bisher noch nicht allzu gut aus.

Die Schwäche reichte nicht nur aus, um traditionelle Bären wie Roland Leuschel wieder die Story vom bald bevorstehenden Crash ausgraben zu lassen, sondern auch viele Bullen sind neuerdings deutlich verunsichert. Die Nervosität ist plötzlich wieder groß, wobei dazu auch die Medien beitragen. So war bei der Nachrichtenagentur Dow Jones am Freitag vor einer Woche in einer Marktbesprechung sogar von einem Schwarzen Freitag die Rede. Eine derart reißerische Überschrift generiert zwar möglicherweise mehr Leser, der Sache wird das aber nicht wirklich gerecht. Schließlich fiel das Dax an diesem Tag lediglich um 2,5 Prozent.

Auch sonst muss der schwache Jahresauftakt erst einmal richtig einsortiert werden. Dabei hilft der Blick auf den MSCI Germany, der zum Stichtag 05. Februar gegenüber dem Jahresultimo gerade einmal 4,8 Prozent eingebüßt hat. Zum gleichen Zeitpunkt lag der MSCI United States zwar mit 5,0 Prozent im Minus, aber auch das ist speziell gemessen an den vorher saftigen Gewinnen verkraftbar.

Auf Seite 2: Plötzlich finden nervöse Anleger wieder viele Problemzonen

Plötzlich finden nervöse Anleger wieder viele Problemzonen

Bevor wir zur Frage übergehen, wie es vermeintlich an den Weltbörsen weitergehen wird, zunächst ein kürzer Erklärungsansatz, was in den vergangenen Tagen die Stimmung etwas verdorben hat. Allgemein verweisen Marktbeobachter dabei auf verschiedene Faktoren. Zu nennen sind zum einen die etwas schwächer ausgefallenen Konjunkturdaten aus den USA wie etwa der Arbeitsmarktbericht oder der ISM-Index. Auch der bisher vorgelegte Zahlensalat auch China war im neuen Jahr bisher nicht wirklich berauschend.

Viel zur jüngsten Verunsicherung trugen auch die Turbulenzen in einigen Schwellenländern bei. In Staaten wie Argentinien oder der Türkei sind die Währungen deutlich gefallen und zusammen mit Schwächen im volkswirtschaftlichen Datenkranz schürte das die Sorge vor einer neuen Emerging Markets-Krise. Deren Schwäche hat außerdem auch mit dem Schwenk der US-Notenbank zu einer etwas weniger expansiven Geldpolitik zu tun. Denn dadurch steht plötzlich etwas weniger von dem um die Welt vagabundierenden Kapital zur Verfügung, das in den vergangenen Jahren den Boom in vielen Emerging Markets mit geschürt hatte.

Zudem sind in Europa die Unternehmensergebnisse nicht wirklich überzeugt ausgefallen und weltweit zeigen sich viele Unternehmen bei ihren Geschäftsausblicken etwas zurückhaltend. Unabhängig von alledem darf außerdem nicht vergessen werden, was für einen kräftigen Schluck die Bullen seit dem im März 2009 markierten Tief bereits aus der Pulle genommen haben. Dadurch ermuntert war der Optimismus im Vorjahr schon wieder sehr groß geworden, dass davon als Kontraindikator ein Warnsignal ausging. Kurzfristig etwas überreizt waren auch die Bewertungen. Speziell gilt das für die USA. Micheal Wilson, Chief Investment Officer bei Morgan Stanley Wealth Management, beziffert das geschätzte KGV für den S&P 500 Index am Ende des Vorjahres auf 15,7.Damit bewegte sich diese Kennziffer bereits über dem Median von 13,8, der sich seit 1976 ergibt, also dem Zeitpunkt, seit dem KGVs auf geschätzter Gewinnbasis systematisch erfasst werden.

Auf Seite 3: Fundamental orientierte Strategen geben sich noch gelassen

Fundamental orientierte Strategen geben sich noch gelassen

So gesehen war der Markt sicherlich etwas heiß gelaufen. Das hält Wilson speziell nach der jüngsten Konsolidierung aber nicht davon ab, relativ optimistisch nach vorne zu blicken. Bei den Schwellenländern bleibt man bei Morgan Stanley tendenziell zwar untergewichtet, grundsätzlich werden die Aussichten für die Weltbörsen, speziell jenen in den USA, Europa und Japan, aber weiter als positiv eingestuft. Mit Blick auf den derzeit bei Punkten notierenden S&P 500 Index wird bis Ende 2014 ein Anstieg auf 2.014 Punkten für möglich gehalten. Dieses Ziel leitet Wilson wie folgt ab: "Wir rechnen für 2014 mit einem Anstieg der operativen Gewinne um sechs Prozent, mit Aktienrückkäufen, die netto weitere zwei Prozent bringen, und mit einer kleinen Ausdehnung der Bewertungsrelationen. Zudem bietet der Markt auch noch eine Dividendenrendite von zwei Prozent." Sogar noch etwas optimistischer sind die Strategen bei JP Morgan. Dort wird das Jahresendziel für den S&P 500 Index auf 2.075 Punkten taxiert. Gelassen inmitten der zuletzt wieder etwas um sich greifenden konjunkturellen Bedenken geben sich auch die Volkswirte von Capital Economics. Das bankenunabhängige Research-Institut sieht das Wachstum in der US-Wirtschaft in diesem Jahr nach wie vor von 1,9 Prozent auf 2,5 Prozent anziehen.

Auch sonst hält Volkswirt Julian Jessop die jüngsten Ängste der Anleger für etwas überzogen: "Die größten Bedenken scheinen übertrieben zu sein und die Aktienkurse dürften sich im Laufe des Jahres wieder erholen." Selbst der zaghaft eingeleiteten Zinswende in den USA können Experten wie jene bei S&P Research etwas Positives abgewinnen: "Wir sehen das eher als Hinweis auf eine sich bessernde Konjunktur und der Bullenmarkt sollte deswegen nicht entgleisen", heißt es in einem Marktbericht. Auch bei der Credit Suisse werden die jüngsten Kursbewegungen eher als eine Korrektur und nicht als eine Trendwende eingeordnet. Historisch sei bei einer solchen vom Sentiment getriebene Korrektur mit einer Dauer von im Durchschnitt sechs Wochen zu rechnen sowie damit, dass die wichtigen Märkte in dieser Zeit um rund sieben Prozent fallen werden. "Meist sind US-Aktien in Zeiten einer Hausse nur in besonderen Krisensituationen (wie beispielsweise LTCM, Schwarzer Montag, Golfkrieg usw.) um über zehn Prozent gefallen", heißt es dazu ergänzend.

In einer etwas holprigeren Börsenphase wie aktuell ist auch interessant darauf zu achten, was jene Marktakteure meinen, die den Bullenmarkt bisher richtig vorhergesagt haben. Dazu zählt sicherlich Ed Yardeni. Der Chef von Yardeni Research ist auch jetzt noch immer zuversichtlich und das begründet er unter anderem mit der Annahme, das das Wachstum der Weltwirtschaft stark genug sein wird, um die Gewinne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils rund zehn Prozent nach oben zu treiben. Eine Rezessionsgefahr kann er jedenfalls nicht erkennen und sogar dem Wiederauftauchen der Bären kann er etwas Gutes abgewinnen: "Die Bären haben mit ihren düsteren Prognosen 2009 bis 2012 drei deutlichere Kurskorrekturen ausgelöst, doch sie haben damit nur den Boden bereit für anschließend einsetzende kräftige Erleichterungsrallys. Sollte ihre Warnungen auch jetzt wieder verpuffen, könnten die Märkte auch dieses Mal anschließend auf Rekordhochs schießen."

Auf Seite 4: Auch Charttechniker sehen den Bullenmarkt noch nicht am Ende

Auch Charttechniker sehen den Bullenmarkt noch nicht am Ende

Gut unterstützt sieht Yardeni den S&P 500 Index bei gut 1.700 Punkten, einem Niveau, bei dem in etwa auch die 200 Tage-Durchschnittslinie verläuft. Eine gewisse stützende Funktion billigt der 200 Tage-Durchschnittslinie auch Craig W. Johnson, technischer Marktstratege bei Piper Jaffray & Co. eine wichtige Bedeutung zu. Er kann sich in den kommenden Wochen und Monaten aber auch einen Test der Unterstützungszone im Bereich von 1.650 bis 1.600 Punkten vorstellen. Das sollte es dann aber auch gewesen sein, denn auch Johnson, der seit langem mit seiner optimistischen Haltung richtig liegt, lässt sich nicht aus dem Bullenlager vertreiben. An seinem Jahresendziel für den S&P 500 Index von 2.100 Punkten hält er jedenfalls unbeirrt fest. Angesprochen auf die Frage, was passieren müsste, damit er umschwenken würde, antwortet er im Gespräch mit uns folgendes: "Die Rendite der zehnjährigen US-Anleihen müssten auf unter 2,25 Prozent fallen und der Goldpreis deutlich anziehen. Denn das wäre dann ein Beleg für eine wieder deutlich gestiegene Risikoaversion." Derzeit berichten ihm die hauseigenen Händler aber eher über einen Käuferstreik als von einem Ansturm der Verkäufer am Aktienmarkt. Er hält die jüngste Bewegung deshalb nur für eine Korrektur in einem grundsätzlich intakten langfristigen Bullenmarkt.

Nachdem viele führende Börsen in den vergangenen vier Jahren stabile Aufwärtstrends herausgebildet haben, wäre es in der Tat ein Fehler diese verfrüht abzuschreiben. Ein Fehler ist es aber auch sich wegen der zuletzt so guten Performance sich zu sehr in Sicherheit zu wiegen. Denn nachdem beispielsweise auch der DAX in den Jahren 2012 und 2013 um rund 50 Prozent zulegen konnte, ist einfach irgendwann einmal auch eine Korrektur fällig. Davon spricht man bei Kursverlusten von mehr als zehn Prozent und solche Abwärtsbewegungen sind sogar gesund, weil damit zu viel schädliche Euphorie abgeschüttelt werden kann. Wirklich erhöhte Aufmerksamkeit ist erst dann angesagt, wenn die Kurse noch deutlich fallen sollten und wir in eine Baisse, verbunden mit einem Bruch der langfristigen Abwärtstrends, abrutschen sollten.

Auf Seite 5: In kritischer Marktphase abwartend verhalten und Positionen absichern

In kritischer Marktphase abwartend verhalten und Positionen absichern

Weil das Ziel ambitionierter Anleger aber lautet, auch in Korrekturphasen so wenig wie möglich zu verlieren, sollten bestehende Positionen abgesichert werden und mit Neuengagements erst einmal solange gewartet werden, bis sich der aktuell vorherrschende Nebel etwas gelichtet hat. Die besten Chancen dürften aktuell Aktien mit guten Gewinnaussichten zuzubilligen sein, nachdem die Bewertungen vielfach bereits ausgereizt sind und weiteres Kurspotenzial über Ergebnisverbesserungen erarbeitet werden muss. Allerdings sind in diesem Zusammenhang die in Amerika bereits sehr hohen Gewinnmargen zu beachten, weil sich diese nicht unendlich nach oben schrauben lassen. Aktienselektion als Erfolgskriterium dürfte deshalb wieder wichtiger werden.

Keine schnelle und breite Erholung ist vermutlich in den angeschlagenen Schwellenländern zu erwarten. Laut Goldman Sachs wird dort der Boden typischerweise erst nach deutlichen Anpassungen in den Leistungsbilanzen gefunden. Außerdem würden speziell die gefährdeten Schwellenländer mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von im Schnitt 2,2 noch nicht wirklich günstig aussehen. Stimmt diese Annahme noch anhaltender Probleme in den Schwellenländern, dürften sich auch Unternehmen aus Industrienationen mit einem relativ hohen Geschäftsanteil in den Emerging Markets vorerst relativ schwer tun. Geht es nach Goldman Sachs, dürften sich dagegen Aktien vergleichsweise gut schlagen, die Aktienrückkäufe durchführen. Solche Titel zu finden dürfte dabei nicht allzu schwer sein, weil Goldman Sachs mit einer Zunahme der Aktienrückkäufe in diesem Jahr von 35 Prozent auf 600 Milliarden Dollar alleine bei den S&P 500 Index-Vertretern rechnet.

Ansonsten sieht auch Goldman Sachs die führenden Börsen weiter in einen Bullenmarkt, allerdings wittern die Analysten dort auch wegen längst nicht mehr günstigen Aktienbewertungen höhere Risiken und sie raten deshalb zu taktischen Positionsabsicherungen. Gegen eine schnelle Rückkehr zur Partystimmung des Vorjahres sprechen auch zwei historische Erkenntnisse. Demnach sind die Kurse nach einem Wechsel auf dem Chefposten der Fed, wie er gerade stattgefunden hat, im Schnitt an der Weltleitbörse Wall Street anschließend um 8,5 Prozent gesunken. Interessant ist zudem, dass in Jahren des Pferdes, wie es nach dem chinesischen Kalender gerade angebrochen ist, der S&P 500 Index seit 1900 im Schnitt nur um 0,9 Prozent gestiegen ist. Wichtiger als dieser mit einem Augenzwinkern verbundene astrologische Hinweis ist aber die Tatsache, dass nicht zuletzt die gestiegenen Bewertungen in Verbund mit einer längst fälligen Korrektur den Bullen das Leben zunächst etwas schwieriger machen dürfte al