Zehn Jahre ist es her, seit sich Ben Bernanke ein kolossales Fehlurteil leistete. Im Mai 2007 sagte der damalige US-Notenbankchef, die steigende Zahl notleidender Immobilienkredite dürfte der US-Wirtschaft und der Börse keinen größeren Schaden zufügen. Leider kam es dann anders, und rückblickend gilt der Einbruch am US-Immobilienmarkt sogar als Auslöser der globalen Finanzkrise.

Inzwischen hat sich nicht nur die Weltwirtschaft erholt, sondern auch der amerikanische Immobilienmarkt. Der Schrecken wegen der Krise steckt vielen Marktteilnehmern aber noch immer in den Knochen. Das zeigt sich an der bis heute kritischen Würdigung jeder neuen Zahl zum Bausektor. Stimmen Daten, wie jüngst die Schätzungen zu den Baubeginnen, nicht, erheben sich sofort skeptische Stimmen, die ein Ende der Branchenerholung befürchten. Neue Probleme sind zwar nie ganz auszuschließen beim Versuch, die Sektorverfassung zu beurteilen, aber speziell die Daten zur Wohnbautätigkeit sollten aufgrund sehr volatiler Ausschläge nicht überbewertet werden.

Gegen eine Trendwende nach unten spricht aus Sicht der Zürcher Kantonalbank, dass die meisten Indikatoren eine gesunde Nachfrage nach Eigenheimen signalisieren und die Stimmung der Wohnbaufirmen so gut ist wie schon lange nicht mehr (zweithöchster Stand seit Sommer 2005). Zudem gibt es Fortschritte am Arbeitsmarkt, steigende Lohneinkommen sowie anhaltend niedrige Zinsen. Dank solcher Einflussfaktoren hat sich die Finanzierbarkeit eines Eigenheims für US-Haushalte zuletzt weiter verbessert.

Das schlägt sich in unterdurchschnittlichen Verzugsquoten der Hypothekarschuldner nieder. Ebenso ist die Zahl der Zwangsvollstreckungen so niedrig wie seit Anfang 2007 nicht mehr. Ebenfalls positiv zu werten ist laut Immobilienexperte Matthew Pointon von Capital Economics Folgendes: "Die Hauspreise steigen, das Angebot an zum Verkauf stehenden Einfamilienhäusern bewegt sich auf einem 35-Jahres-Tief, und der Verkauf eines Objekts dauert im Schnitt nur 34 Tage." Aufgestautes Nachfragepotenzial lässt sich außerdem bei den Millennials ausmachen, bewegt sich die Wohneigentumsquote der 25- bis 34-Jährigen doch um 29 Prozentpunkte unter dem Durchschnittswert von 64 Prozent.

Auf Seite 2: Solides Branchenumfeld, interessante Baumaterialienhersteller





Solides Branchenumfeld



Insgesamt betrachtet herrscht am US-Immobilienmarkt derzeit weder Boom nach Flaute. Vielmehr ist der Branche eine solide Verfassung zu attestieren. Aus Anlegersicht ist das fast ideal, weil es ebenfalls solide Geschäfte ermöglicht. Zudem führt dieses Umfeld zu einer Sektorbewertung, die unter dem Marktdurchschnitt liegt. Außerdem hinken die Aktien der in diesem Bereich tätigen Unternehmen der Branchenstimmung - anders als früher - deutlich hinterher.

Die Spitzenposition hat US-Marktführer D. R. Horton inne. Ein geschätztes KGV von unter elf für 2018 würdigt diese Marktstellung des erst in 26 Bundesstaaten aktiven Unternehmens nicht ausreichend. Zumal dem für die kommenden fünf Jahre ein erwartetes Ergebnisplus von gut elf Prozent pro Jahr gegenübersteht.

Interessante Baumaterialienhersteller



Durchaus vertretbare Bewertungen haben auch einige Baumaterialienhersteller. Firmen aus diesem Bereich balgen sich laut Bank of America Merrill Lynch um ein Marktsegment mit einem Volumen von rund 149 Milliarden Dollar. Der Wert, der in einem neuen Einfamilienhaus verbauten Materialien ist von 1982 bis 2016 mit einer Jahresrate von 3,7 Prozent gestiegen, und aktuell fällt diese Zuwachsrate inklusive Renovierungsarbeiten sogar noch etwas höher aus.

Bei unseren Empfehlungen aus dem Segment liegen die KGVs unter dem Marktdurchschnitt und im Verhältnis zum erwarteten Gewinnwachstum bei rund eins oder niedriger. Der erste Mitfavorit aus dieser Ecke heißt Owens Corning. Dahinter steckt nicht nur der weltgrößte Hersteller von Glasfasern, sondern auch ein bereits 1938 gegründeter Anbieter von Dämmstoffen und Überdachungssystemen. Der Vorstand ist dem Shareholder-Value-Gedanken verpflichtet, und das spiegelt sich in einer überdurchschnittlich hohen Rendite auf dem freien Cashflow wider. Analysten gehen auf Sicht von fünf Jahren von einem Gewinnwachstum von gut zwölf Prozent pro Jahr aus.

Bei Masco, einem gut aufgestellten und seit 1929 existierenden Spezialisten für den Innenausbau (Küchen- und Badeinrichtung, Installationsprodukte, Fenster, Türen und Ähnliches), sind die Aussichten sogar noch besser. Beim Investorentag sprach der Vorstand von der Absicht, den Gewinn je Aktie von 2016 bis 2019 von 1,51 auf 2,50 Dollar zu steigern.

Deutlich jünger und auch kleiner als die beiden zuvor genannten Gesellschaften ist die Firma Builders FirstSource. Dafür verfügt der Baustoffhersteller und -händler über ein noch besseres Wachstumsprofil. Der Konsens traut dem Unternehmen in den kommenden fünf Jahren ein Gewinnwachstum je Aktie von fast 22 Prozent per annum zu. Mit 18,11 Dollar halten Analysten rund 30 Prozent höhere Kurse für angemessen.

In einer ganz anderen Liga spielt mit dem Dow-Jones-Vertreter Home Depot unser letzter Kauftipp. Hier ist zwar auch die Bewertung höher, doch die größte US-Baumarkt-Kette ist einfach erstklassig geführt. Die Börse belohnt das mit einem seit 1985 von 0,23 auf 158,26 Dollar gestiegenen Aktienkurs. Es spricht also alles für einen anhaltenden charttechnischen Dauerlauf.



Auf Seite 3: US-Baubranche auf einen Blick