Eine amerikanische Institution stirbt: Eine Shoppingmall nach der anderen leert sich. Insgesamt 8600 Geschäfte schlossen in den USA im vergangenen Jahr für immer ihre Türen. Bis 2026 sollen es weitere 75 000 Filialen sein, prophezeien die Analysten der UBS. Im Netz kursieren ganze Serien von Fotos verlassener Konsumparadiese - verrammelte Eingänge, vertrocknete Pflanzen, leere Gänge.

Auf der anderen Seite wächst der US-Konsum. Die Kauflust wird befeuert von einem starken Arbeitsmarkt, steigenden Löhnen und billigen Krediten. Dass das so bleibt, dafür wird der narzisstische US-Präsident Donald Trump sorgen. Zumindest bis zum Wahltag im November. Er wird alles tun, um das Volk bei Laune zu halten. Dessen Konsum ist legendär: 330 Millionen Amerikaner, 4,3 Prozent der Weltbevölkerung, kaufen jährlich für 14 Billionen Dollar ein. Keine andere Volkswirtschaft der Welt basiert auch nur annähernd so essenziell auf dem Konsum ihrer Bürger.

Zehn Prozent davon fließen bereits in die Kassen von Amazon. Vor allem der Internetriese profitiert von der anhaltenden Kauflaune. Warenhausketten wie Macy’s oder Kohl’s hingegen leiden unter den ständig steigenden Umsätzen des scheinbar übermächtigen Konkurrenten. Das Luxuskaufhaus Barneys in New York ist bereits geschlossen. Der Supermarkt­riese Walmart macht es besser, nicht zuletzt dank seiner Internetstrategie, die im Wesentlichen auf Service beruht: Bestellungen werden am nächsten Tag kostenlos geliefert. Im Onlinegeschäft ist der Konzern die Nummer 3 in den USA und gewinnt weiter Marktanteile.

Walmart steht an der Spitze jener Einzelhändler, die Amazon erfolgreich trotzen. Für ihre Geschäfte ziehen sie nicht nur Standorte außerhalb der traditionellen Malls vor, sie entwickeln eigene Internetstrategien und zusätzliche Service­angebote. Eine ganze Reihe von Unternehmen steigert Umsätze und Profite so regelmäßig und schneidet sich beim Konsum ein Stück vom Kuchen ab. Was allen gemein ist: Ihre Aktienkurse steigen seit geraumer Zeit beständig. Dass sich daran vorerst nichts ändern dürfte, gehört zu den wenigen Dingen, auf die man sich bei Donald Trump wohl verlassen kann.

Elektronik für Senioren


Der Elektronikhändler Best Buy etwa hat neben dem stationären Handel mit 1400 Läden das Onlinegeschäft frühzeitig aufgebaut. Das kommt ihm nun beim Verkauf von Fernsehern, Kopfhörern oder Küchengeräten zugute. Nicht nur, dass in Ballungsräumen die neue Waschmaschine am nächsten Tag kostenlos geliefert wird. Auch die Servicemannschaft, die das Gerät dann anschließt, hat Best Buy massiv vergrößert. Neben dem traditionellen Geschäft mit Toastern und CD-Playern setzt der Elektronikriese aber auch auf die ­alternde Gesellschaft.

50 Millionen Amerikaner sind heute über 65 Jahre alt, in 20 Jahren sollen es 50 Prozent mehr sein. 2018 kaufte Best Buy die Firma Great Call, die Kommunikationsgeräte wie Handys für Senioren herstellt. Der Clou aber ist ein Abo-Service, mit dem die Kundschaft für 19,99 Dollar monatlich auf medizinische und handwerkliche Dienste Zugriff hat. Seit Ende 2018 ist die Aktie im Aufwärtstrend.

Ein Mittel, das Alter möglichst lange hinauszuzögern, ist bekanntlich Sport. Lululemon Athletica aus dem kanadischen Vancouver begann 1998 mit Yogabekleidung. Heute bietet das Unternehmen eine breite Palette sportlich lässiger Mode - von der Jogginghose über Jacken bis hin zum Haarschmuck. Mehrfach landete es auf der Liste der am schnellsten wachsenden Firmen von "Fortune". In den vergangenen drei Jahren schwang der Aktienkurs um fast 250 Prozent in die Höhe.

Mode für Sportliche


Lululemon setzte im vergangenen Jahr knapp 3,3 Milliarden Dollar um, 24 Prozent mehr als 2018. Die Expansion hat mittlerweile längst Europa, Asien und Australien erreicht. Insgesamt betreibt das Unternehmen 460 Läden, unter anderem fünf in Deutschland. Auch das Sortiment wächst ständig, Lululemon wird immer mehr zur Lifestylemarke. Vor allem aber floriert das Onlinegeschäft. Dort wächst der Umsatz etwa doppelt so schnell wie im stationären Handel, wo es im dritten Quartal 2019 immerhin 17 Prozent waren. Im Oktober investierte die Firma zudem in Mirror, ein Fitness-Start-up, das einen interaktiven Spiegel für das Training zu Hause verkauft.

Dass es online und parallel stationär im Handel blendend laufen kann, zeigt auch die Baumarkt- und ­Gartencenter-Kette Lowe’s. Unlängst kündigte sie an, für das Frühjahr 53 000 Leute einstellen zu wollen, keineswegs nur als Saisonkräfte für die umsatzstärkste Zeit im Jahr. 2019 wurden 10 000 Menschen dauerhaft übernommen. Gleichzeitig gab Lowe’s ­bekannt, dass die Zusammenarbeit mit Google Cloud ausgeweitet wird. Lowe’s investiert bis 2021 über 500 Millionen Dollar in die Verbesserung des E-Commerce für die Kunden. Auch dafür werden Leute eingestellt: bis zu 2000 Ingenieure. Und damit es auch im Marketing klappt, warb man zum 1. Februar Marisa F. Thalberg von der Fast-Food-Kette Taco Bell als Chief Brand and Marketing Officer (CMO) ab. Laut "Forbes" gehört die neue Vizepräsidentin von Lowe’s zu den besten 50 CMOs weltweit. Fundamental steht also einem weiteren Kursanstieg nichts im Weg.

Pfeif aufs Internet


Doch auch der reine Filialhandel ist längst nicht tot. Das beweisen TJX und Ross Stores. Die Einzelhändler bewerben im Netz nur ihre Angebote, kaufen muss man im Laden. Beide haben zudem das gleiche Konzept: Sie verkaufen Markenmode und Haushaltswaren zum Schnäppchenpreis. Die Ware stammt vor allem aus Produktionsüberhängen oder der vergangenen Saison. Die TJX-Stores laufen in ­Europa unter dem Label TK Maxx und ­HomeSense. Wer sie betritt, landet in einem übervollen und auf den ersten Blick unattraktiven Markt. Doch es findet sich dort auch Markenware von Hugo Boss, Tommy Hilfiger oder Adidas.

Mit insgesamt rund 4500 Filialen hat TJX zuletzt einen Umsatz von 33 Milliarden Dollar und einen Jahresüberschuss von mehr als drei Milliarden erzielt. Der Umsatz legte ebenso konstant zu wie die Dividende, die 23 Jahre in Folge gesteigert wurde. Zudem kauft Vorstandschef Ernie Herrman emsig Aktien zurück. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres gab er dafür 1,15 Milliarden Dollar aus. Die TJX-Aktie ist angesichts des konstanten Wachstums ebenso fair bewertet wie die von Ross Stores. Diese hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 900 Prozent an Wert gewonnen. Das entspricht einer jährlichen Performance von über 25 Prozent. Der Gewinn je Aktie wird in diesem Jahr bei umgerechnet 4,56 Euro erwartet, bei TJX sind es 2,57 Euro.

Ross Stores betreibt knapp 1500 Läden, hat einen Umsatz von 16 Milliarden Dollar und konzentriert das Geschäft ganz auf die Vereinigten Staaten. Und noch ein ­Unterschied: Die Filialen sind noch ein wenig unaufgeräumter als die von TJX, heißt es. Der Kundschaft macht das offenbar nichts aus.