Die Erholung am Jobmarkt geht einher mit dem Wirtschaftsaufschwung und der Impfkampagne, die mittlerweile 150 Millionen Amerikanern vollen Schutz gegen Corona bietet. Doch laut Experten ist der Arbeitsmarkt noch lange nicht so weit, dass die Notenbank Fed ihre Geldspritzen zur Stärkung der Konjunktur verringern könnte.
"Mit knapp unter sieben Millionen Personen ist die Beschäftigungslücke weiterhin groß, sie dürfte sich 2021 kaum schließen", so die Einschätzung von Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Die US-Notenbank um Fed-Chef Jerome Powell will ihre lockere Geldpolitik fortsetzen, bis spürbare weitere Fortschritte auf dem Weg zu Vollbeschäftigung und Preisstabilität erreicht sind. Dabei hat Powell frühzeitig klar gemacht, dass es dafür positiver Signale aus einer ganzen Reihe von Arbeitsmarktberichten bedarf, bevor die Notenbank ihre Anleihenkäufe in Höhe von monatlich 120 Milliarden Dollar reduzieren kann.
Sie muss dabei auch die rasant gestiegene Inflation im Blick halten, die zuletzt 3,4 Prozent erreichte und damit weit über dem Fed-Ziel von zwei Prozent. Vor diesem Hintergrund dürfte es laut LBBW-Ökonom Dirk Chlench in den Reihen der Fed eine gewisse Erleichterung auslösen, dass sich der in den beiden vorangegangenen Monaten verzeichnete kräftige Anstieg der Löhne im Juni nicht fortgesetzt hat. Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen mit einer Monatsrate von 0,3 Prozent und damit etwas weniger kräftig als allgemein erwartet: "Angesicht dessen bleiben wir bei unserer Einschätzung, dass die Fed mit dem Zurückfahren ihres Anleihe-Kaufprogramms erst Anfang nächsten Jahres beginnen wird."
Die guten Jobdaten heizten die Rekordjagd an der Wall Street an. Der S&P 500 und die Technologiebörse Nasdaq sprangen am Freitag auf Allzeithochs. Der Dow-Jones-Index notierte im Plus. "Die Verbesserung des Arbeitsmarktes insgesamt ermöglicht es dem Markt, in seiner aktuellen Phase des langsamen und allmählichen Anstiegs fortzufahren, was das beste Szenario ist", sagte Randy Frederick, Vizepräsident für Handel und Derivate bei Charles Schwab.
"ZEICHEN DER GENESUNG"
Paradox wirkt auf den ersten Blick, dass der Stellenaufbau im Juni kräftig zulegte, die Arbeitslosenquote aber gleichzeitig stieg. Doch die Zahlen basieren auf zwei unterschiedlichen Datensätzen: eine Arbeitgeberumfrage, aus der Jobzahlen gewonnen werden, und eine Haushaltsumfrage, aus der die Arbeitslosenquote berechnet wird. Dabei spielt auch eine Rolle, dass sich viele Amerikaner in der anziehenden Konjunktur nach der Krise nun wieder aktiv um einen Job bemühen, die sich zuvor kaum Chancen auf eine Stelle ausgerechnet hatten. Die erhöhte Arbeitslosenquote könnte nach Ansicht von Ulas Akincilar von der Online-Handelsplattform Infinox somit "ein positives Zeichen der Genesung" des Arbeitsmarkts sein.
Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank verweist jedoch darauf, dass der Stellenaufbau im Juni angesichts der wieder rund laufenden Wirtschaft eigentlich kräftiger sein müsste. Trotz eines Rekords an offenen Stellen kehrten die Amerikaner nicht wie erwartet zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Dabei spiele das für US-Verhältnisse üppige Arbeitslosengeld eine Rolle: "Aber auch Umschulungen oder auch Frühpensionierungen könnten zu den Gründen zählen."
rtr