Die US-Wirtschaft steht dementsprechend nach der Zinswende vor dem ultimativen Härtetest. "Noch nie hat sich eine US-Notenbank auf den Weg zu Zinserhöhungen gemacht, wenn die Raten für das Wirtschaftswachstum so niedrig waren und die eigene Bilanz so aufgeblasen", beschreibt der Chefanleger der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank, Stefan Kreuzkamp, die schwierige Gefechtslage nach dem Ende der Ära des billigen Geldes.
Zur Stabilisierung der Lage nach der weltweiten Finanzkrise hat die Fed in mehreren Wellen massenhaft Wertpapiere aufgekauft und so ihre Bilanzsumme auf 4,2 Billionen Dollar ausgeweitet. Erst vor gut einem Jahr schaltete sie diesen Turbolader für den stotternden Wirtschaftsmotor ab, weil die konjunkturelle Erholung langsam greift. Zuletzt hat sich das Wachstum aber wieder etwas verlangsamt. Es betrug im Sommer aufs Jahr hochgerechnet nur noch 2,1 Prozent, nachdem es im Frühjahr noch 3,9 Prozent waren. Und die Industrie steckt in einer Produktionsflaute. Nun fällt auch noch der letzte große Wachstumsbeschleuniger weg - der Nullzins. Mit der Erhöhung werden Kredite tendenziell teurer und die Wirtschaft damit nicht mehr so stark angeregt.
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Wachstumsbremse starker Dollar
BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels sieht schwere Zeiten auf das Verarbeitende Gewerbe zwischen New York und San Francisco zukommen: "Der starke Dollar macht der Industrie zu schaffen und sollte die Investitionen beeinträchtigen." Auch der Außenhandel dürfte wegen des Höhenflugs der US-Devise zumindest kurzfristig zur Wachstumsbremse werden. Wenn nächstes Jahr weitere drei bis vier Zins-Erhöhungsschritte folgen, wird der Dollar die Muskeln wohl noch stärker spielen lassen, da Geld-Anlagen in den USA immer attraktiver werden. Nach der Erwartung mancher Experten könnte er 2016 die Parität zum Euro erreichen - also ein Verhältnis von eins zu eins.
Die Wirtschaft in der Euro-Zone dürfte dann von der US-Zinswende profitieren. Vor allem Exportunternehmen können sich Hoffnung machen. Denn Produkte aus dem Euro-Raum sind bei einer schwächeren Gemeinschaftswährung auf dem Weltmarkt günstiger zu haben. Und das hilft besonders der Wirtschaft in den südlichen Ländern, die mit hohen Schuldenständen bei Firmen und der öffentlichen Hand noch an den Folgen der Finanzkrise zu knabbern haben. Hinter vorgehaltener Hand begrüßen hiesige Notenbanker daher einen schwächeren Euro-Kurs.
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Schwächelnde Weltwirtschaft könnte Fed bremsen
Nach dem ersten Schritt der US-Notenbank wird nun der weitere Weg für die Fed Experten zufolge immer schwerer werden. Denn die Weltwirtschaft ist momentan nicht in der besten Verfassung. "Je schwächer diese ist, umso weniger kann die Fed handeln, weil sonst der US-Dollar zu stark würde. Und das würde nicht nur der US-Wirtschaft schaden," sagt Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Daher hoffen manche Experten, dass der Euro im Gegenzug nicht zu stark unter Druck gerät. Denn die Erholung im Euro-Raum sei zuletzt vor allem von der heimischen Nachfrage getragen gewesen, erklärt Stephanie Flanders, Chef-Martstrategin Europa bei J.P. Morgan Asset Management. Je mehr die Politik in Europa zur Stärkung der heimischen Nachfrage tue, umso leichter haben es 2016 auch angeschlagene Volkswirtschaften in den Schwellenländern. "Und umso einfacher wird es auch für die Fed," so Flanders.
Nach dem Wagnis Zinserhöhung könnte die Fed womöglich in naher Zukunft sogar zu einer Kehrtwende um 180 Grad gezwungen sein, meint der Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. Zumindest habe sie sich nun Spielraum verschafft, um auf künftige Krisen reagieren zu können: "Letztlich möchten die US-Währungshüter die Nullmarke bei den Zinsen hinter sich lassen, um beim nächsten Abschwung über die nötige Zinsmunition zu verfügen."
rtr