Er ist kein Mainstream-Investor. Seine Erfolge als Hedgefondsmanager und Rohstoffinvestor beruhen darauf, dass der heute 72-Jährige gern gegen den Strom schwimmt. Derzeit sorgt Jim Rogers für viel Aufsehen, weil er russische Aktien favorisiert.

Rogers über die Attraktivität russischer Aktien

Herr Rogers, es gibt viele Brennpunkte in der Welt wie Russland, Syrien oder Nigeria. Ein Trend?
Politische Probleme bestehen derzeit überall in der Welt. Und ich denke, dass die Probleme noch zunehmen werden. Denn ich erwarte wegen der Schuldenkrise weltweit, dass in vielen Ländern die Regierungen stürzen, die Spannungen zunehmen, Pensionspläne nicht eingehalten werden können. Diese Situation kann letztlich auch in einem Krieg enden. Jeder weiß, dass derzeit viel falsch läuft, wirtschaftlich wie politisch. Das Ganze erinnert mich an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg. Auch damals in den Jahren vor dem Krieg ist in der Welt viel Irritierendes passiert.

Trotzdem haben Sie in russische Aktien investiert. Sind Sie nicht wegen der politischen und wirtschaftlichen Situation besorgt?
Ich bin immer über die politische Situation besorgt, egal wo ich bin. Das gilt sogar für die aktuelle politische Situation in den USA, dennoch notieren die Kurse dort auf Rekordhoch. Ja, man muss sich immer Sorgen machen. Aber wenn das allen auf einmal so geht, dann geraten Aktien unter Druck. Wie im Fall von russischen Titeln, die andernfalls sehr teuer wären. Manchmal ist es eben eine gute Gelegenheit zu kaufen, wenn viele Anleger besorgt sind.

Was kaufen Sie denn in Russland?
Ich habe in Russland Aktien des Düngemittelherstellers Phosagro gekauft. Dort bin ich kürzlich Direktor geworden. Die Gründe sind, dass ich mit Blick auf die Landwirtschaft und auf Russland zuversichtlich bin. Da passt einfach alles zusammen. Ich habe auch Russland- ETFs gekauft. Zudem habe ich in Aktien der Fluglinie Aeroflot und anderer russischer Unternehmen investiert.

Sie erwarten keine weitere Eskalation der Ukraine-Krise bis hin zu einem Krieg?
Irgendwann kommt es vielleicht dazu, aber nicht in Kürze. Ich weiß nicht, wer im Westen Krieg haben will - außer vielleicht die USA. Auf keinen Fall die Europäer oder die Asiaten. Und die USA haben auch kein Geld, um einen Krieg gegen Russland zu führen.

Wo sehen Sie außerdem Chancen?
Die Chinesen haben im vergangenen November ein großes Treffen der kommunistischen Partei in Peking abgehalten und dabei jene Sparten der Volkswirtschaft festgelegt, die sie in den nächsten zwei Jahrzehnten fördern wollen. Dazu zählen der Umweltschutz, das Gesundheitssystem, der Eisenbahnsektor und der Finanzmarkt. Ich kaufe vor allem Aktien aus diesen Sektoren.

Sie äußern sich sehr negativ zur lockeren Geldpolitik der Notenbanken weltweit. Weshalb?
Wir leben in einer sehr künstlichen Situation. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass alle wichtigen Notenbanken auf einmal Geld drucken wie verrückt. Das ist bisher noch nie passiert. Den Leuten, die das frisch gedruckte Geld bekommen, geht es gut. Dem Rest aber nicht. Irgendwann wird aber die Zeit des billigen Geldes vorbei sein, und dann wird es viele Probleme geben.

Auf Seite 2: Rogers über die Aussichten für den breiten Rohstoffmarkt



Es gibt eine Reihe von Rohstoffzertifikatenauch mit Ihrem Namen auf dem Markt, die stark unter der Schwäche der Rohstoffpreise leiden. Ist der Superzyklus der Bodenschätze denn nun zu Ende?
Dieser Meinung bin ich absolut nicht. Ich erinnere daran, dass es auch in Bullenmärkten immer wieder starke Korrekturen gegeben hat. Ich sehe kein dauerhaft ausreichendes Angebot auf den Rohstoffmärkten, das den aktuellen Bullenmarkt beenden könnte. Das mag in Zukunft mal der Fall sein, aber noch ist das nicht passiert.

Das Angebot an Bodenschätzen übersteigt die Nachfrage also nicht?
Auf lange Sicht mag es bei Eisenerz und Palmöl ein ausreichendes Angebot geben. In den meisten anderen Rohstoffsektoren ist das aber nicht der Fall.

Welchen Rohstoff favorisieren Sie?

Das ist wirklich sehr schwer zu sagen. Ich weiß nur, wenn ich einen Rohstoff als Favorit bezeichnete, würde sich dieser wohl am allerschlechtesten entwickeln. Aber im Ernst: Wahrscheinlich ist derjenige Rohstoff am besten, dessen Preis am stärksten gefallen ist. Der Gasmarkt ist zum Beispiel ein interessanter Bereich.

Auf Seite 3: Rogers über die Chancen für ein Comeback von Gold



In den vergangenen Jahren haben auch Edelmetalle stark an Wert verloren. Ihr Tipp: abwarten oder zukaufen?
Ich tendiere eher zum Abwarten. Ich habe in der jüngeren Vergangenheit zwar weder Gold noch Silber verkauft, aber ich kaufe auch nicht zu. Die Zeit zum Zuschlagen wird sicher noch kommen.

Wie stark kann Gold Ihrer Meinung nach denn noch fallen?
Gold erlebt eine normale Korrektur nach einer zwölf Jahre dauernden Kursrally. Gold hat seit seinem Preishoch noch nicht mal die Hälfte seines Werts verloren. Und selbst das wäre nichts Besonderes. Die meisten anderen Anlageklassen korrigieren alle paar Jahre um 50 Prozent. Sollte Gold tatsächlich so stark fallen und unter 1000 US-Dollar je Unze rutschen - das heißt aber nicht, dass ich das nun prophezeie -, werde ich hoffentlich smart genug sein, zuzukaufen.

Warum steigt der Goldpreis nicht, obwohl die wichtigsten Zentralbanken der Welt ihre Notenpressen angeworfen haben?
Es ist nicht immer so, dass der Goldpreis profitiert, wenn viel Geld gedruckt wird. Das haben wir etwa 1980 erlebt. Damit es weiter nach oben geht, muss erst die starke Korrektur des Goldpreises abgeschlossen sein.

Noch 2013 empfahlen Sie, in Ackerland zu investieren oder als Farmer zu arbeiten. Sehen Sie das immer noch so?
Ich bin immer noch sehr optimistisch, was Landwirtschaft angeht. Die Landwirtschaft hatte eine schreckliche Zeit hinter sich: harte Arbeit, wenig Rendite. Das ändert sich langsam. Und daher ist es eine gute Option, Landwirt zu werden oder Farmland zu besitzen.

Ein besseres Investment als Aktien?
Bei Aktien muss man vorsichtig sein angesichts immer neuer Rekorde. Achtung: In den USA sind die meisten Aktienkurse nicht nach oben, sondern sogar nach unten gegangen - es sind einige wenige Titel, welche die Börse treiben. Ich würde lieber in Japan, Russland oder China investieren, wo es immer noch sehr günstige Aktien gibt.

Auf Seite 4: Investor-Info