Täglich 800 Millionen Handytelefonate, ein Drittel länger als üblich, plus neun Milliarden Textnachrichten, das meldete Amerikas zweitgrößter Telekomkonzern Verizon für März. Ausgangsbeschränkungen, Videokonferenzen, Streaming und Homeoffice bescheren den Netzen der US-Telekomfirmen eine permanent hohe Auslastung. "Wie sonst nur zu Neujahr und am Muttertag", sagt Verizon-Chef Hans Eric Vestberg über den Stresstest für Glasfaser- und Mobilfunknetze. In der bevorstehenden Berichtssaison zählen die Telekom- und Kabelnetzanbieter zu den wenigen Branchen, die von den Auswirkungen der Pandemie profitieren und gleichzeitig von Belastungen verschont bleiben.

Vestberg führt Verizon seit 2018 und war zuvor Chef des schwedischen Netzwerkausrüsters Ericsson. Er fokussiert das Unternehmen weitgehend auf den Ausbau seiner Glasfaser- und Mobilfunknetze. So widersteht der Konzern den Verlockungen in der Branche, das Geschäftsmodell um Streaming oder digitale Inhalte zu erweitern. Auch beim Ausbau von 5G läuft es gut. Ende 2019 war Verizons Mobilfunknetz mit dem künftigen ultraschnellen Mobilfunkstandard bereits in aussichtsreichen Arealen von 30 US-Städten verfügbar. Bis Jahresende soll die Anzahl verdoppelt werden.

Das Kerngeschäft, sprich die Netze sowie Telekom- und Internetdienstleistungen, liefert weitgehend unabhängig von größeren Schwankungen der Konjunktur stabile Mittelzuflüsse, den sogenannten Free Cashflow. Damit werden auch die meist großzügigen Dividenden der Telekomfirmen finanziert.

Das mobile Internet ist für viele Menschen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten inzwischen Alltag. Die meisten Handynutzer werden deshalb ihre Verträge behalten, auch wenn es wirtschaftlich eng wird. Mobilfunk ist damit weitgehend krisenresistent. Bei Verizon lieferte er 2019 rund 70 Prozent von knapp 132 Milliarden Dollar Umsatz.

Stabilität wird an der Börse belohnt


An den Börsen werden Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen und zuverlässig hohen Mittelzuflüssen im gegenwärtig instabilen Umfeld besonders geschätzt. Während der Index der größten US-Konzerne S & P 500 seit Beginn der Turbulenzen am 20. Februar rund 17 Prozent verlor, hat Verizon seinen Börsenwert behauptet. Die Aktie ist ein krisenresistentes Investment.

Erst jüngst erhöhte der Konzern sein Investmentbudget für das laufende Jahr: Es gibt mehr Geld für ein höheres Tempo beim Ausbau der 5G-Netze und um mehr Kapazitäten im Mobilfunk zu schaffen. Damit soll Engpässen bei der wegen Corona dauerhaft hohen Auslastung vorgebeugt werden. Mit 500 Millionen extra will Verizon in diesem Jahr nun 17,5 bis 18,5 Milliarden Dollar investieren. Zudem übernahm der Konzern soeben Blue Jeans Network, einen Konkurrenten des Entwicklers von Software für Videokonferenzen, Zoom Video Communications. Anders als Börsenstar Zoom werden die Daten verschlüsselt und sind damit gegen unerlaubte Zugriffe gut geschützt. Kunden sind ausschließlich Unternehmen. Für Verizon ist der 400-Millionen-Dollar-Zukauf somit ein wichtiger Baustein für künftige Dienste via 5G-Mobilfunk.

Deutlich unter die Räder gekommen sind indes die Papiere von Amerikas Telekomprimus AT & T. Der Konzern aus Dallas büßte während der Turbulenzen ein Fünftel seines Börsenwerts ein. AT & T ist nicht nur Telekom-, sondern auch Medienkonzern. Das erweiterte Geschäftsmodell ist von konjunkturellen Schwankungen deutlich abhängiger als früher. 2014 kaufte AT & T den US-Satelliten-TV-Betreiber DirectTV und wenige Jahre später den breit aufgestellten Medienkonzerns Time Warner.

Zu dessen Portfolio gehören neben TV-Sendern, einschließlich des Nachrichtenkanals CNN, auch die populären HBO-Filmstudios. Der defensive Mobilfunk liefert deshalb nur noch rund 40 Prozent der jährlichen Erlöse von zuletzt 181 Milliarden Dollar. Aus der von konjunkturellen Entwicklungen stark beeinflussten neuen Medien- und Filmsparte fließt ein Fünftel der Erlöse. Im gegenwärtigen Umfeld ist das eine Bürde. "Das neue Geschäftsmodell ist stark zyklisch", erklärt Telekomanalyst Craig Moffett von Moffett Nathanson die Kursverluste der AT & T-Aktie. Im konjunkturellen Aufschwung würde das erweiterte Geschäft dem Konzern ein stärkeres Wachstum bescheren. Die Texaner hätten einen höheren Anteil der Gewinne mit digitalen Medien, Internet und digitaler Vernetzung. Von diesem Ziel ist AT & T aber noch weit entfernt.

AT & T steckt in der Schuldenfalle


Auch weil mit den Übernahmen in der Bilanz 176 Milliarden Dollar Nettoschulden aufgetürmt wurden. Die Bonitätsnoten des Telekom- und Medienriesen, der sein Investment-Grade-Rating braucht, um sich bei den hohen Schulden weiterhin günstig zu refinanzieren, sind nur noch zwei Stufen vom Ramschstatus entfernt. Ohne Investment-Grade-Rating wird der Schuldenabbau teuer. Ende 2019 lag die Nettoverschuldung beim 2,9-Fachen des operativen Gewinns. Steigt sie auf das 3,5-Fache, droht eine Herabstufung. Zudem würden Vereinbarungen in einigen Kreditverträgen verletzt. Finanziell sind die nächsten Jahre eine Gratwanderung.

Die Mediensparte drückt auf den Gewinn. Zwar beschert die Corona-Krise CNN höhere Einschaltquoten und Werbeeinnahmen. Das aber reiche nicht aus, um die Ausfälle etwa im Sport-TV zu kompensieren, sagen Experten. Enttäuschen könnte zudem der für Mai geplante US-Start des Streamingdiensts HBO Max. HBO ist als Entwickler von "Game of Thrones", der erfolgreichsten Streaming-Serie weltweit, eine starke Marke. Allerdings tritt HBO gegen finanzstarke Neueinsteiger wie Disney und Apple an.

Indes fällt bei Telekomkonkurrent Verizon der ebenfalls teure Ausflug ins Mediengeschäft kaum noch ins Gewicht. Die New Yorker hatten 2015 den Internetkonzern America Online (AOL) und zwei Jahre später Yahoo übernommen. Die Sparte mit den beiden Marken liefert jedoch weniger als ein Zehntel der Erlöse. Um dort die Abhängigkeit von Internetwerbung zu verringern, sollen die Einnahmen von Abos und Onlinehandel in fünf Jahren mehr Erlös liefern.

Beim 5G-Standard, der in den USA mit niedrigen, mittleren und hohen Frequenzen angeboten wird, ist Verizon bisher ausschließlich im Hochfrequenzspektrum aktiv. Ein Vorteil sind die maximalen Übertragungsgeschwindigkeiten, ein Nachteil die geringen Reichweiten. Für Firmenkunden ist die Kombination allerdings attraktiv, weil sie leistungsfähige Netze für 5G-Anwendungen vor allem an ihren Standorten nutzen wollen. Zusätzliche mittlere Frequenzen im sogenannten C-Band will Verizon bei der US-Auktion im Sommer ersteigern. Damit ließe sich dann auch ein landesweites 5G-Netz aufbauen (siehe auch Investor-Info).

Aussichtsreicher Herausforderer


Währenddessen steigt T-Mobile US mit Fusionspartner Sprint nach Einschätzung von Analysten zu Verizons stärkstem Konkurrenten auf. Einschließlich der Mobilfunkkunden von Sprint telefonierten Ende 2019 rund 140 Millionen Amerikaner über das Netz von Amerikas Nummer 3 im Telekom-Business. Gemessen an den Kunden hat T-Mobile US Verizon sogar schon überholt. Amerikas Nummer 2 hatte Ende 2010 rund 120 Millionen Kunden, bei Primus AT & T waren es 166 Millionen.

Mit niedrigen und mittleren Frequenzen, die bei 5G nicht die maximalen Geschwindigkeiten, dafür aber deutlich mehr Reichweite bieten, errichtet die US-Tochter der Deutschen Telekom derzeit ein landesweites 5G-Netz. "T-Mobile US wird beim Aufbau schneller sein als AT & T und Verizon", sagt Jennifer Fritzsche, Analystin der Wells Fargo Bank. Für den Preisbrecher im US-Markt, der künftig dann auch bei 5G sein wird, sind das gute Aussichten.

Investor-Info

5G-Mobilfunk in Amerika
Drei Varianten


Mit dem 5G-Mobilfunkstandard sollen Daten mit geringerer Verzögerung, in größerem Volumen und bis zu 100-mal schneller übertragen werden als mit 4G. Der Standard funktioniert in jedem Frequenzspektrum. In den USA sind viele Frequenzen im mittleren Bereich mit anderen Nutzungen belegt. Deshalb wird 5G dort verstärkt im niedrigen und hohen Bereich aufgebaut. In Deutschland und Südkorea soll dagegen überwiegend im mittleren Frequenzbereich schneller gefunkt werden. Maximale 5G-Geschwindigkeiten sollen nur mit hohen Frequenzen möglich sein, dafür ist die Reichweite sehr gering. Die hochfrequenten Signale können häufig Wände nicht durchdringen. Bei niedrigen und mittleren Frequenzen sind die Geschwindigkeiten geringer, die Reichweiten jedoch viel größer.

Verizon
Sichere Dividende


Am 24. April liefert Verizon die Bilanz für das erste Quartal. Der Verkauf von Handys und Zubehör, etwas mehr als ein Fünftel von knapp 132 Milliarden Dollar Jahresumsatz, wird vorübergehend von Corona betroffen sein. Weiterhin robust sollte dagegen der Mobilfunk sein, der 70 Prozent der Erlöse liefert. Während der Turbulenzen erwies sich der Dividendentitel als solides Investment.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 44,00 Euro

T-Mobile US
Ehrgeiziger Angreifer


Am 23. April zieht die US-Tochter der Deutschen Telekom Bilanz. Derzeit sind 80 Prozent der T-Mobile-US-Läden geschlossen. Das belastet vorübergehend. Mit Sprint ist Amerikas drittgrößter Telekomkonzern im Mobilfunk auf Augenhöhe mit seinem Rivalen. Das Verhältnis der Nettoschulden zum Gewinn (Ebitda) soll 2020 auf das 1,8-Fache sinken. Das bringt finanziellen Spielraum. Kaufen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 100,00 Euro
Stoppkurs: 58,00 Euro