Die Krise bei dem angeschlagenen chinesischen Immobilienkonzern Evergrande hält die Aktien- und Anleihemärkte rund um den Globus weiter in Atem. Weil Investoren wegen der zunehmenden Sorgen um die Konjunktur in China und damit um die Weltwirtschaft aus US-Anleihen geflüchtet sind, um sich Liquidität zu beschaffen, sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach oben geschossen. Im Gegensatz zu vielen chinesischen Immobilienfirmen verbessert sich das Umfeld für die US-Wohnungskonzerne allerdings weiterhin deutlich, weshalb die Aktien auf Höhenflug bleiben sollten.
Verantwortlich dafür ist hauptsächlich die Federal Reserve Bank (Fed), die monatlich für netto 80 Milliarden Dollar Staats- und für netto 40 Milliarden Hypothekenanleihen kauft, wodurch die Bilanzsumme der US-Notenbank auf den Rekord von 8,5 Billionen Dollar gestiegen ist. Sie will im November zwar eine Ankündigung zur Drosselung der Anleihekäufe machen, dennoch liegen die Zinsen für 30-jährige festverzinsliche Hypothekenkredite mit knapp 3,0 Prozent in der Nähe des Rekordtiefs vom Januar. Im Gegenzug sind die Häuserpreise auf Rekordhochs nach oben geschossen. Damit werden Immobilien für potenzielle Käufer zusehends unerschwinglicher, weshalb immer mehr Amerikaner eine Wohnung suchen, was die Mieten deutlich nach oben treibt.
Für zusätzlichen Aufwärtsdruck sorgt, dass das Moratorium gegen Zwangsräumungen auf Bundesebene am 26. August aufgrund eines Urteil des Obersten Gerichts beendet wurde, sodass es nur noch in zwei Bundesstaaten Moratorien gibt. Jenes in Washington wiederum läuft am 31. Oktober aus, jenes in New York folgt am 15. Januar 2022. Umso mehr Möglichkeiten werden die US-Wohnungskonzerne haben, nach dem zwischenzeitlichen Einbruch der Mieten während der Pandemie diese künftig weiter deutlich anzuheben. "Ich erwarte, dass die Mieten sehr stark steigen werden, wenn dieses Szenario des Verbots von Zwangsräumungen ausläuft", sagte zuletzt der "Anleihenkönig" Jeff Gundlach.
Prognose erhöht
Diese Aussicht kommt den Aktien der Wohnungskonzerne zugute, wenngleich die Papiere zuletzt wegen des US-Zinssprungs etwas nachgegeben haben. Die Firmen sind häufig als Real Estate Investment Trust (REIT) organisiert. Sie schütten praktisch den gesamten Gewinn in Form von Dividenden an die Aktionäre aus. Branchenprimus ist Mid-America Apartment Communities (MAA), das Unternehmen besaß 2020 100 031 Wohnungseinheiten. Sie liegen im Süden der USA und den Mittelatlantikstaaten, insbesondere New York, New Jersey und Pennsylvania. MAA hat im zweiten Quartal von der Konjunkturerholung im Sun Belt ("Sonnengürtel") profitiert und den Umsatz um 5,8 Prozent auf 436,9 Millionen Dollar gesteigert. Dazu beigetragen hat ein durchschnittlicher Anstieg der Mieten im Altbestand um 3,1 Prozent auf 1335 Dollar je Einheit pro Monat im Schnitt. Gleichzeitig ist die Vermietungsquote von 95,4 Prozent auf 96,4 Prozent geklettert. Weil allerdings die Kosten - wie bei sämtlichen Wettbewerbern - stärker nach oben geklettert sind als die Erlöse, ist das sogenannte "Net Operating Income" (NOI) nur um 4,9 Prozent gestiegen, während der Umsatz um 5,8 Prozent zulegte. Dieses setzt sich zusammen aus der Summe aller Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzüglich der nicht umlagefähigen Betriebskosten.
Der Konzern hat zudem bei der Neuvermietung die Preise um 8,7 Prozent angehoben, bei Verlängerungen um 7,8 Prozent, womit auf kombinierter Basis 8,2 Prozent zu Buche standen. Im Juli ist das Plus auf mehr als zwölf Prozent angewachsen. "Aufgrund der starken Ergebnisse seit Jahresanfang und der Erwartung eines anhaltend robusten Mietumfelds haben wir unseren Ergebnisausblick angehoben", sagte Vorstandschef Eric Bolton. Für das Gesamtjahr prognostiziert er einen Gewinn je Aktie von 3,79 bis 3,99 Dollar, gegenüber 3,34 bis 3,64 Dollar zuvor. Die Schätzung für die bereinigten "Funds from Operations" (FFO) je Anteilschein schraubte er ebenfalls deutlich nach oben auf 6,65 bis 6,85 Dollar. Auf dieser bei Investoren üblicherweise herangezogenen Basis ist die Aktie mit dem 27,7-Fachen bewertet. Die FFO spiegeln wider, wie viel Cashflow im operativen Geschäft erwirtschaftet wird.
Rasanter Mietenanstieg
Gemessen an der Zahl der Wohneinheiten ist Equity Residential zwar die Nummer zwei, allerdings sind die Mieten viel höher als bei MAA, weshalb Equity Residential in Bezug auf den Umsatz Marktführer ist. Daher ist das Handelsvolumen an der NYSE rund doppelt so hoch. Die Wohnungen befinden sich im Süden Kaliforniens sowie in den Metropolen Boston, New York, Washington, Seattle und San Francisco. Der Umsatz ist im zweiten Quartal zwar um 8,5 Prozent auf 598,1 Millionen Dollar gesunken, das lag allerdings etwas über den Schätzungen der Analysten. Dabei waren die Mieten im Altbestand im Schnitt um 9,5 Prozent auf 2574 Dollar je Wohneinheit zurückgegangen. Nachdem die durchschnittlichen Mieten Ende Juli auf 2949 Dollar je Wohneinheit gestiegen sind, lagen sie um 664 Dollar über dem Stand von Dezember 2020 - das entspricht einem Plus von sage und schreibe 29 Prozent. Aufgrund der sich bessernden Geschäfte hat Vorstandschef Mark Parrell die Prognose angehoben. Demnach sollen die Mieteinnahmen im Altbestand im Gesamtjahr um nur vier bis fünf Prozent sinken. Zuvor war man von einem Rückgang von sechs bis acht Prozent ausgegangen. Zudem schraubte der Firmenlenker den Ausblick für den Gewinn je Aktie und die FFO kräftig nach oben.
Parrell baut das Portfolio weiter zügig um. Er verkauft ältere Immobilien und steckt das Geld in neue, aussichtsreiche Märkte wie Denver, Atlanta und Austin, wo es einen überdurchschnittlich starken Anstieg der einkommensstarken privaten Haushalte gibt - bei gleichzeitig hohen Häuserpreisen. Ende August hat Equity Residential zudem eine Kooperation mit der Hausbaufirma Toll Brothers geschlossen. Die Partner wollen 1,9 Milliarden Dollar investieren, um Wohnungen zu bauen. Außerdem hat Equity Residential zuletzt bei der Neuvermietung und bei Vertragsverlängerungen zunehmend höhere Mieten durchgesetzt, von einem kombinierten Plus von 5,1 Prozent für Juli gegenüber dem Vorjahr, über 8,2 Prozent für August, auf 9,7 Prozent im September.
Hohe Investitionen
Der etwas kleinere Wettbewerber AvalonBay Communities hat für das zweite Quartal einen Umsatzrückgang um 2,5 Prozent auf 561,7 Millionen Dollar gemeldet. Die Wohnungen befinden sich in der Region New England im Nordosten der USA sowie in New York, Washington, Seattle und Kalifornien. Vorstandschef Timothy Naughton will in den Märkten Dallas und Austin in Texas sowie in den größten Städten von North Carolina, wie Charlotte, wachsen. Für das Gesamtjahr hat er einen Gewinn je Aktie von 6,67 bis 6,87 Dollar in Aussicht gestellt, während die FFO je Anteilschein 7,75 bis 7,95 Dollar erreichen sollen. Der Konzern hat im zweiten Quartal den Bau von 1183 Wohneinheiten im Wert von 384 Millionen Dollar abgeschlossen und mit dem Bau von Immobilien für 578 Millionen Dollar begonnen.
Kräftige Anhebungen
Aussichtsreich ist auch das Papier von Essex Property Trust. Vorstandschef Michael Schall hatte nach Vorlage guter Halbjahreszahlen den Jahresausblick nach oben geschraubt. Zuletzt hat er gute vorläufige Zahlen gemeldet. So lagen die Preise bei Neuvermietungen im August um 17,0 Prozent über dem Niveau von Dezember 2020, nach 4,8 Prozent für das zweite Quartal, gefolgt von 13,4 Prozent für Juli. Insgesamt also rosige Aussichten für die US-Wohnkonzerne.
Auf einen Blick
Wohnungskonzerne
Die Branche hat im vergangenen Jahr in den USA wegen der Pandemie einen Einbruch der Mieten verdauen müssen. Inzwischen liegen sie wieder auf oder leicht über dem Niveau von vor der Krise. In den nächsten Quartalen sollte es dann kräftig aufwärtsgehen.