Genau diese Sorge treibt auch die Weltbank um: Ihr Chefökonom appellierte jüngst an die US-Währungshüter, die Leitzinserhöhung zu verschieben, bis die Weltwirtschaft stabiler geworden ist. Probleme bereitet insbesondere die Konjunkturabkühlung in China, lange das Zugpferd der Weltwirtschaft. Am Sonntag vorgelegte Daten zur Industrieproduktion blieben hinter den Erwartungen zurück. "Das ist eine sehr wackelige Situation. Eine Zinserhöhung ist aber nicht vom Tisch", sagt BHF-Bank-Ökonom Gerd Haßel. Diese Botschaft hatte auch Yellens Stellvertreter Stanley Fischer jüngst auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson Hole verkündet - und so die Tür für eine geldpolitische Straffung im September offengelassen.
"Ich würde eigentlich erwarten, dass die Fed den Zinssatz nächste Woche um einen Viertel Prozentpunkt erhöht", sagt Bruno Cavalier, Chefvolkswirt des Pariser Investmenthauses Oddo Securities. Das sei angesichts der rund laufenden US-Wirtschaft angebracht. Sie ist im Frühjahr mit aufs Jahr hochgerechnet 3,7 Prozent kräftig gewachsen und steuert auf Vollbeschäftigung zu - dem erklärten Ziel der Fed. Für 2015 sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 2,5 Prozent und für 2016 von 3,0 Prozent voraus. Trotz dieser guten Perspektiven werde Yellen den Zinsschritt aber womöglich jetzt noch nicht wagen, meint Cavalier. Dagegen sprächen die Sorgen an den Finanzmärkten und die Unsicherheiten über die Entwicklung in China.
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FED LÄSST MÄRKTE IM UNKLAREN
"Es ist sehr interessant, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren das Ergebnis der Zinssitzung dermaßen unklar ist," betont Cavalier. Fed-Beobachter seien fast in zwei Lager gespalten. So rechnet beispielsweise Marktanalyst Heino Ruland vom Brokerhaus ICF mit einer Zinserhöhung am Donnerstag. Schließlich deuteten die Jobdaten darauf hin, dass in einigen US-Regionen die Arbeitskräfte bereits knapp würden. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet hingegen eine Erhöhung erst im Dezember. "Denn ein unerwarteter Zinsschritt würde erhebliche Schwankungen an den globalen Finanzmärkten auslösen und insbesondere Sorgen um die Schwellenländer verstärken."
China, Brasilien und der Türkei drohen bei einer Zinsanhebung in den USA Kapitalabflüsse, da Investoren ihr Geld dann verstärkt in den Vereinigten Staaten anlegen dürften. Beim jüngsten G20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Ankara war die Zinswende daher eines der bestimmenden Themen. In den Beratungen über das Abschlusskommunique hatten einige Schwellenländer versucht, die Zinswende als eine der größten Risiken für die Weltwirtschaft darzustellen, konnten sich aber nicht durchsetzen. Laut einem Delegierten waren die Warnrufe aus Brasilien besonders laut. Die größte Volkswirtschaft Südamerikas steckt mitten in einer Rezession.
Doch auch die Wall Street blickt gebannt auf eine Anhebung des Leitzinses, den die Fed seit Ende 2008 in einer Spanne zwischen null und 0,25 Prozent hält - damals eine Reaktion auf die globale Finanzkrise. Erhöht die Fed den Preis für Kapital, verteuern sich Kredite und die Wirtschaft wird tendenziell gebremst. Die über Jahre von Rekord zu Rekord geeilten Aktienmärkte müssen sich dann auf Kursverluste einstellen - zumindest kurzfristig.
Die Fed-Chefin dürfte die Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid nach Ansicht Krämers dazu nutzen, die Märkte schonend auf einen Schritt im Dezember vorzubereiten. Sollte Yellen tatsächlich bis zum Jahresende warten, würde die Nachricht aber mitten in das für die US-Wirtschaft so wichtige Weihnachtsgeschäft platzen. Auch mit Blick auf die Märkte wäre dies ein heikler Zeitpunkt. Denn um die Festtage herum ist der Handel zumeist dünn - Kursausschläge in die eine oder andere Richtung können sich daher verstärken. Durch Zögern wird sich die Fed ein neues Problem einhandeln, warnt BHF-Ökonom Haßel: "Eigentlich ist der Zeitpunkt zum Handeln im September doch günstiger."
Reuters