Wer in Value-Aktien investiert, kann eigentlich nichts falsch machen. Man kauft günstig bewertete Titel, die im schlechtesten Fall nur moderat fallen, im besten Fall aber deutlich steigen können. Empirische Studien bestätigen, dass Value-Aktien langfristig besser abschneiden als Growth-Aktien. In den vergangenen zehn Jahren war davon aber wenig zu spüren. In dieser Zeit legte der MSCI World Growth Index auf Euro-Basis um 10,9 Prozent pro Jahr zu, der MSCI World Value Index nur um 8,3 Prozent. Was stark steigt, wird jedoch auch teurer. So werden die 958 Aktien im MSCI World Growth Index derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25,3 und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 4,2 bewertet. Beim 865 Aktien umfassenden MSCI Value Index betragen diese Werte 16,3 und 1,7.
Doch folgt daraus auch, dass Value-Aktien künftig wieder besser laufen werden?
Richard Zellmann hegt diese Hoffnung. Der Geschäftsführer der Frankfurter Fondsboutique First Private Investment Management sieht in den aktuellen Bewertungen eine seltene strategische Gelegenheit, mit Value-orientierten Strategien erfolgreich zu sein. "Denn in der Vergangenheit zogen derartig markante Entwicklungen eine mittel- und langfristige Gegenbewegung (Mean Reversion) nach sich und stellten somit eine Kaufgelegenheit dar", sagt Zellmann. Auch bei der Schweizer Fondsgesellschaft Swisscanto Asset Management ist man davon überzeugt, dass Value momentan der attraktivste Anlagestil sei, weil die Bewertungen im Zeitablauf wieder gegen ihren Mittelwert tendierten.
Anders denkt darüber der Münchner Vermögensverwalter Ernst Konrad, der zusammen mit Georg von Wallwitz die beiden Mischfonds Phaidros Balanced und Phaidros Conservative managt. Er sagt: "Die guten alten Tage des Value-Investing, als es genügte, einfach Aktien mit niedrigem KGV zu kaufen und auf die Mean-Reversion zu warten, sind vorbei. Hohe Bewertungen korrigieren sich kaum noch." Konrad verweist hier auf sogenannte Quasimonopole wie Alphabet, Amazon, Apple, Facebook oder Microsoft. Billige Aktien hätten zwar nach wie vor die Tendenz, ihre vermeintliche Unterbewertung abzubauen, aber leider oftmals nicht über eine Kurssteigerung, sondern über die Reduzierung der Gewinne oder der Buchwerte. Oder kurz gesagt: Mean-Reversion funktioniert nicht mehr - und damit eine der wichtigsten Annahmen des Value-Investing.
Gibt es dennoch einen Ausweg für Value-Investoren? Konrad verweist auf eine wissenschaftliche Studie, die zu einer Kombination von Value- mit Momentum-Eigenschaften rät, um sogenannte Value-Fallen zu vermeiden. Zellmann empfiehlt, zusätzlich auch die Faktoren Gewinnwachstum und Bilanzqualität zu beachten.