Bekanntlich lässt sich über Geschmack streiten. Das gilt auch am Kapitalmarkt. Seit mittlerweile vielen Jahrzehnten bestimmen zwei Anlagestile maßgeblich die Investitionsentscheidungen: "Value" und "Growth". Um diesen "Zweikampf" der beiden bekanntesten Ausrichtungen einschätzen zu können, muss zunächst geklärt werden, wie sich die beiden Philosophien unterscheiden. Die klassische Value-Strategie, zu der prominente Verfechter wie Warren Buffett gehören, entscheidet anhand der Bilanz über den Reiz einer Aktie. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis sowie auch die Dividendenrendite sind entscheidende Kennziffern. Bilanzanalyse ist dagegen für Growth-Investoren nur Schnee von gestern. Hier wird die Attraktivität eines Unternehmens durch die Hoffnung auf ein überdurchschnittliches Umsatz- und Gewinnwachstum in der Zukunft bestimmt.

Langfristig Value, kurzfristig Growth ...



Historische Untersuchungen zeigen, dass die Value-Börsenphasen überwiegen. So hat Allianz Global Investors die beiden Anlagestile im Zeitraum zwischen Januar 1975 und Januar 2009 in den Ring geschickt. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Unter Betrachtung der relativen Wertentwicklung erzielte der wertorientierte Anlagestil eine Mehrrendite von 70 Prozent gegenüber dem Growth-Stil. Insbesondere nach dem Platzen der New-Economy-Blase kurz nach der Jahrtausendwende bevorzugten Investoren meist Unternehmen mit gesunden Bilanzen. Wachstumsfirmen, die überwiegend durch Fremdkapital finanziert waren, hatten es schwer.

Nach der Finanzkrise 2009 drehte sich das Bild. Seither erzielten Wachstumsaktien die höheren Renditen. In sechs von neun Fällen schnitt der MSCI World Growth Index besser ab als sein Value-Pendant. 2017 zeigt sich eine besonders hohe Outperformance: Das Substanzwerte-Barometer kletterte zwar um achtbare 16,3 Prozent, der Wachstumswerte-Index kommt allerdings auf überdurchschnittliche 26,8 Prozent.

Der Grund für die gute Form des MSCI World Growth liegt in dessen Zusammensetzung. Mit einem Anteil von mehr als einem Viertel bestimmen die derzeit hochgelobten Technologieaktien den Growth-Index. Der MSCI World Value wird dagegen von Banken und der Erdölindustrie dominiert. Während die Finanzindustrie unter dem weltweit tiefen Zinsniveau leidet, sorgte der Verfall des Ölpreises bei den Energieriesen für lange Gesichter.

BÖRSE ONLINE hat zuletzt in Ausgabe 24/2016 den Schlagabtausch zwischen Value- und Growth-Aktien thematisiert und im Zuge dessen jeweils drei aussichtsreiche Titel vorgestellt. Der Wachstumskorb aus CTS Eventim, Gamesa und United Internet schaffte einen Zuwachs von knapp einem Viertel. Anders als beim Gesamtmarkt, wo Growth die Nase vorn hatte, zeigte unsere Value-Auswahl noch deutlich höhere Gewinne. Das Trio BMW, Einhell und Johnson & Johnson (J & J) kam auf ein Plus von beachtlichen 60 Prozent. Dies war vor allem dem Heimwerkerprofi Einhell zu verdanken, dessen Kurs seither um mehr als 140 Prozent avancierte.

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... zwischendurch auch mal gemixt



Der Erfolg des Nebenwerts gründet auf der Vermischung der beiden Stile. Im Fachjargon wird dieser Ansatz GARP genannt, "Growth at reasonable price" - Wachstum zu angemessenen Kursen. Der Fokus liegt also auf einem attraktiven Verhältnis zwischen erwartetem Gewinnwachstum und Bewertung. Einhell hat zuletzt durch strategische Weichenstellungen genau diesen frischen Wind in die solide Substanzfirma gebracht. Durch den Fokus auf das Power-X-Change-System für Akku-Elektrowerkzeuge sowie einen rückläufigen Anteil des Geschäfts mit Discountern legte die Profitabilität auf ein deutlich höheres Niveau zu.

Doch zurück zum Clinch der beiden traditionellen Anlagestile. Es stellt sich zum Jahreswechsel nun die Frage, ob die Growth-Titel auch 2018 auf der Überholspur bleiben werden oder ob wertorientiertes Handeln an Reiz gewinnen wird. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum sind gut. Konjunkturprogramme sorgen rund um den Globus für gute Geschäfte. Hinzu kommt die geplante Steuerreform in den USA, die auch über den großen Teich schwappen könnte. Clemens Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts, rechnet damit, dass diese den "internationalen Steuerwettbewerb anheizen" wird. Gleichzeitig sieht er in Donald Trumps Politik eine Chance: "Für Europa bedeutet diese Reform, dass die Exporte in die USA weiter ansteigen." Und das sollte dann auch die europäische Konjunktur beflügeln.

An den Aktienmärkten ist aber bereits viel Wachstumsfantasie eingepreist. So liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim DAX rund 17 Prozent, beim S & P 500 sogar mehr als 20 Prozent über dem zehnjährigen Durchschnitt. Geringste Enttäuschungen bei der Ergebnisentwicklung könnten also zu empfindlichen Rücksetzern führen. Zudem gibt es nach Ansicht von Nordea-Stratege Witold Bahrke Anzeichen dafür, dass sich der Konjunkturzyklus bereits in einer späten Phase befindet. Dazu zählt der von der US-Notenbank vorangetriebene Kurswechsel in der Geldpolitik, der sich zu einem Bremsklotz für die Weltwirtschaft entwickeln könnte. "Noch schätzen wir das Gesamtbild als positiv ein. Doch die Fed wird in den kommenden Monaten den Märkten zunehmend Liquidität entziehen, indem sie nicht nur ganz konventionell ihre Zinsen anheben, sondern auch unkonventionell ihre Bilanz zurückführen wird", prognostiziert Bahrke. "Das wird das globale Wachstum in den kommenden Quartalen dämpfen."

Neue Chancen auf beiden Seiten



BÖRSE ONLINE macht das Beste daraus und präsentiert potenzielle Gewinner aus beiden Lagern. Für den Value-Anlagestil betreten Microsoft und Fresenius die Arena. In der Ecke der wachstumsorientierten Titel befinden sich Apple und Vonovia. Zudem haben wir auch wieder Nebenwerte berücksichtigt und stufen unter wertorientierten Gesichtspunkten W & W und unter Wachstumsaspekten Fabasoft als aussichtsreiche Kandidaten ein. Letztgenannter Small Cap konzentriert sich unter anderem auf den Zukunftstrend Big Data. Dabei legen die Österreicher große Hoffnung in die Tochter Mindbreeze. Das Unternehmen bietet Lösungen, um Firmenwissen analytisch aufzubereiten. Nach Ansicht von Marktforscher Forrester zählt die Mindbreeze-Technologie zu den Marktführern.

Auch wenn viele glauben, dass es sich bei W & W um einen alten, verstaubten Finanzkonzern handelt, ist dem nicht so. So setzt das Unternehmen mit seiner neuen Digitalmarke "Adam Riese" auf eine zeitgemäße, digital vereinfachte und bedarfsgerechte Art des Versicherns. Der SDAX-Titel überzeugt zudem mit einem niedrigen KBV von 0,58 sowie einer attraktiven Dividendenrendite von 2,8 Prozent.

Microsoft ist dagegen eine Art "Zwitter". Der Softwareriese zählt zu den Schwergewichten sowohl im MSCI World Value als auch im Growth-Index. Das macht die Aktie aber nicht weniger attraktiv, im Gegenteil: Dank seiner weltweit genutzten Softwareprogramme erfreut sich der Konzern einerseits Jahr für Jahr über einen hohen Cashflow, andererseits fokussiert sich Microsoft stark auf Zukunftstrends wie Künstliche Intelligenz und Cloud.

Wer Einzeltitel scheut, kann auch diversifiziert in seinen präferierten Anlagestil investieren. Dafür eignen sich vor allem ETFs, die kostengünstig sind, und man ist voll dabei.



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Value vs. Growth auf einen Blick



Immer wieder kann sich ein Anlagestil über einen längeren Zeitraum durchsetzen. Zuletzt war dies zwischen 2000 und 2006 zu beobachten, als Value im Durchschnitt einen Gewinn von 8,7 Prozent per annum abwarf.