Krise? Welche Krise? Die Botschaft, die Herbert Schein Investoren in einer Telefonkonferenz übermittelt, ist zumindest überraschend. "Unsere Produktion läuft auf voller Kapazität. Wir sehen nicht, dass sich das ändert", sagt der Chef des Batterieherstellers Varta. Für das laufende Jahr prognostiziert Schein einen Umsatz zwischen 780 und 800 Millionen Euro, der operative Gewinn (Ebitda) des Weltmarktführers bei Mikrobatterien soll demnach zwischen 175 und 185 Millionen Euro liegen.
Die Schwaben haben im vorigen Jahr das einst abgespaltene Endkundengeschäft Varta Consumer Batteries vom US-Unternehmen Energizer zurückgekauft. Jetzt gehören auch die bekannten Batterien mit dem Varta-Logo zum Geschäft der Varta AG. Schon dadurch macht das Unternehmen einen Umsatzsprung.
Doch zugleich planen die Schwaben quasi ohne Corona- Krise. "Wir beziehen zumeist Rohstoffe. Die Fertigung übernehmen wir weitestgehend selbst, deshalb haben wir keine Probleme mit Lieferketten", sagt Schein. Er sei fast täglich im Gespräch mit Kunden, betont der Chef. Deren Planungen, vor allem die der Hersteller von Akkus für kleine In-Ear-Kopfhörer, hätten sich kaum geändert. "Manche planen etwas vorsichtiger, andere erhöhen ihre Prognosen. Im Schnitt liegen wir auf dem gleichen Stand der Planungen wie vor zwei Monaten", so der Varta-Chef.
Die Ellwanger leben derzeit vor allem vom Boom bei drahtlosen Kopfhörern wie den AirPods von Apple. Die Kalifornier oder auch die koreanische Samsung verkaufen diese Produkte rasend schnell, Varta kommt mit den Lieferungen an Akkus kaum nach. Das Geschäft mit sogenannten Mikrobatterien auch für Hörgeräte lieferte 2019 über 80 Prozent der 363 Millionen Euro Umsatz mit operativen Margen von gut 30 Prozent.
Dividende fällt aus
Um den Boom voll auszunutzen, laufen umfangreiche Kapazitätserhöhungen. 70 Millionen Zellen konnte das MDAX-Unternehmen Ende 2019 pro Jahr liefern, bis Ende 2020 sollen es 170 Millionen sein. 300 bis 330 Millionen Euro will Varta für den Ausbau 2020 in die Hand nehmen. Der operative Cashflow, der 2019 noch fast die gesamten Investitionen trug, reicht dafür aber nicht aus. Über 200 Millionen Euro müssen finanziert werden. Varta will das aus Krediten sowie aus Vorauszahlungen von Kunden stemmen. "2020 ist ein Übergangsjahr", sagt Finanzchef Steffen Munz.
Für Aktionäre heißt das: Die Dividende für 2019 fällt aus. Überdies verschlechtern sich die Bilanzkennziffern. Varta wandelt sich von einem quasi schuldenfreien Unternehmen in eines mit Lasten, technisch gesprochen: Die Relation der Nettoschulden zum operativen Gewinn steigt von etwa null im vergangenen Jahr auf rund eins. Das ist noch nicht übermäßig viel, aber ein Krisenjahr ist hierfür sicher nicht der beste Zeitpunkt.
Gleichwohl wirken das geplante Umsatzplus zwischen 115 und 120 Prozent und der Zuwachs von 75 bis 90 Prozent angesichts der Umstände fantastisch. Rein organisch, also ohne die Übernahme von Consumer Batteries, die 112 Millionen Euro kostet, bleiben immer noch rund 35 Prozent Umsatz- sowie 55 Prozent Ebitda-Wachstum. Gehen die Pläne von Varta auf und trüben sich die Absatzmärkte wie jetzt prognostiziert kaum ein, so wird 2020 ein weiteres Rekordjahr.
Die Kapazitätsplanungen waren indes bekannt. Und mittelfristig dürfte die Konkurrenz aus Asien aufholen. Das könnte die Verkaufspreise unter Druck setzen und die Margen belasten, spätestens mit der nächsten Gerätegeneration bei Kopfhörern. "Die Konkurrenz könnte das Produkt im Laufe der Zeit zur Massenware machen", sagt Robert-Jan van der Horst, Analyst bei Warburg Research. Investoren droht damit Enttäuschungspotenzial.
Energieverlust: Der Boom läuft, ist aber wohl eingepreist. Enttäuschungspotenzial, Stopp beachten.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 70,00 Euro
Stoppkurs: 50,00 Euro